Kölner LiedermacherLudwig Sebus wird bei Kunstprojekt zur Animationsfigur

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Insgesamt 111 Menschen aus Köln hat Künstler Alireza Darvish porträtiert und dabei auch Liedermacher Ludwig Sebus kennengelernt.

Insgesamt 111 Menschen aus Köln hat Künstler Alireza Darvish porträtiert und dabei auch Liedermacher Ludwig Sebus kennengelernt.

Der iranische Exil-Künstler Alireza Darvish plant eine Animation von Liedermacher Ludwig Sebus als Teil seiner 111 Porträts umfassenden Sammlung und Videoperformance über das kollektive Gedächtnis Kölns.

Undurchdringliche Schwärze hüllt die Leinwand ein, unheimlich, beängstigend. Tief und bedrohlich soll diese Dunkelheit wirken, denn in ihr symbolisiert sich das ganze Elend des Zweiten Weltkriegs. Nach schier unendlichen Sekunden durchschneidet endlich Scheinwerferlicht die Düsternis. Und dann tritt eine animierte Figur im roten Frack ins Helle, auf dem Kopf trägt sie das Krätzchen eines Karnevalisten. Musik setzt ein, aber nicht irgendein Lied. „Jede Stein vun Kölle, es e Stöck vun mir“ erklingt. Denn die animierte Figur ist der Liedermacher Ludwig Sebus.

Auf der Suche nach der Geschichte hinter den GesichternNoch befinden sich die Szenen des Films, der etwa zwölf Minuten lang werden soll, ausschließlich im Storyboard des Kölner Künstlers Alireza Darvish (56). Zwölf Minuten als schwarz-weiß-buntes Wechselspiel mit einer unmissverständlichen Friedensbotschaft. „Die Welt befindet sich in einer komplizierten Phase. Ludwig Sebus strahlt mit seinen 98 Jahren eine beeindruckende Kraft aus. Seine Geschichte ist ein Schatz, seine Botschaft richtet sich an die nachfolgenden Generationen“, bemerkt Darvish bewundernd. Nun soll also aus dem Musiker, Sänger, Karnevalisten und Familienmensch Ludwig Sebus auch noch eine Animationsfigur werden.

Künstler Alireza Darvish in seiner Galerie

Künstler Alireza Darvish in seiner Galerie

Wer das Atelier des Künstlers am Rathenauplatz betritt, fühlt sich sofort beobachtet. Denn an einer Wand und auf dem Boden befinden sich etwa 100 Porträts, Ölfarbe auf Leinwand. Bekannte Gesichter der Stadt sind dabei, beispielsweise Alt-Oberbürgermeister Fritz Schramma, Zoodirektor Theo Pagel und Kabarettistin Renate Baum. Aber auch Kinder und Obdachlose hat er gemalt dabei interviewt. Insgesamt 111 Gesichter der Stadt. „Ich wollte die Menschen nicht nur malen, sondern die Geschichte hinter den Gesichtern finden“, erklärt er. Und einer der Porträtierten hieß Ludwig Sebus.

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Alireza Darvish: Drei Jahre für Großprojekt

Das Großprojekt, das für Alireza Darvish „nicht nur Kunst, sondern Herzensarbeit“ ist, beschäftigt ihn seit nunmehr drei Jahren. Vor 30 Jahren flüchtete er aus dem Iran, das Regime habe seine künstlerische Freiheit und seine Arbeit als Dozent bedroht, erzählt er. Zu dieser Zeit hatte er bereits einige Kunstpreise gewonnen. In Prag und Barcelona lebte er, sogar kurz in New York, doch heimisch ist er seit 2007 in Köln. „Ich habe hier viel Herzlichkeit erfahren, dennoch habe ich mir eine Außenwahrnehmung bewahrt“, sagt er.

Insgesamt 300 Stunden Interviewmaterial hat er bei seinen Porträtgesprächen aufgenommen. Darvish hat gemalt, seine Gäste haben erzählt. Die Präsentation der Gemälde soll nun mit einer Video-Perfomance kombiniert werden. „Die Erlebnisse und Botschaften werden so zu einem Teil des gemeinsamen Gedächtnisses der Kölner Bürgerinnen und Bürger“, sagt Darvish. Auf diese Weise solle „ein Gesamtporträt der Stadt“ entstehen.

Seine Geschichte ist ein Schatz, seine Botschaft richtet sich an die nachfolgenden Generationen.
Alireza Darvish, Künstler

Besonders fasziniert hatte ihn die Lebensgeschichte von Ludwig Sebus, der als 18-Jähriger eingezogen, an die Front geschickt und in russische Kriegsgefangenschaft geraten war. Für Alireza Darvish war es die erste Begegnung mit dem lebensfrohen Liedermacher, der gelegentlich immer noch für Aufnahmen im Tonstudio steht und singt. Dass Sebus auf der Leinwand deutlich jünger erscheint, ist kein Zufall. „Ich habe ihn 20 Jahre jünger gemalt, weil er solch eine Kraft ausstrahlt“, meint Darvish. Noch ist unklar, wo und in welcher Form das multimediale Porträt-Projekt des Künstlers ausgestellt wird. „Der geeignete Ort wäre das Stadtmuseum“, sagt er. Aber das ist momentan nicht einfach.

Beim Filmprojekt fehlt Geld

Vor allem das Filmprojekt ist ins Stocken geraten. Etwa 45 000 Euro fehlen für die Produktion. Die Filmstiftung NRW hat einen Zuschuss gewährt, anderen Förderfonds war das Thema zu kölsch, zu lokal. „Dabei sind die Kriegserfahrungen und Friedensbemühungen ein national bedeutendes Thema“, findet Darvish. Der Kölner Unternehmer Claus Dillenburger, Prinz Karneval im Dreigestirn 1988 und Mitglied der Prinzen-Garde, wünscht sich finanzielle Hilfe durch den Karneval und die Stadt. „Gerade Ludwig Sebus hat im sozialen Sektor so viel für die Stadt getan. Er ist ein absolutes Vorbild für Jung und Alt. Das Zögern verstehe ich nicht“, meint Dillenburger. Ans Festkomitee will er sich nun wenden und sich auch selbst finanziell am Projekt beteiligen.

Alireza Darvish hat reichlich Erfahrung bei der Filmproduktion. Für die ZDF-Dokumentation „Kalle Kosmonaut“ hat er die Animationen entworfen, der Film war voriges Jahr als bester Dokumentarfilm für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. 2017 hatte er für den bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigten Film „Teheran Tabou“ die Animationen betreut. Nun soll eine zwölfminütige Friedensbotschaft mit dem animierten Ludwig Sebus folgen.

Auch die letzte Szene hat Alireza Darvish schon vor Augen. Ludwig Sebus tritt vom Mikrofon ab, die Bühne ist wieder leer. Im Scheinwerferlicht liegt reichlich buntes Konfetti auf dem Boden. Dann geht das Licht aus. Aber das Konfetti, das die Farben des Lebens symbolisieren soll, bleibt.

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