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EntschärfungenSo viele Blindgänger liegen in Köln wohl noch im Boden

Lesezeit 3 Minuten
Der Zweite Weltkrieg hat in Köln Spuren bis in Gegenwart hinein hinterlassen. Blindgänger sind nur ein teil davon.

Der Zweite Weltkrieg hat in Köln Spuren bis in Gegenwart hinein hinterlassen. Blindgänger sind nur ein Teil davon.

In Köln führen die häufigen Funde von Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg zu regelmäßigen Evakuierungen und großem logistischen Aufwand.

Nach der Bombe ist vor der Bombe: Evakuierungen und Entschärfung von Blindgängern sind in Köln fast an der Tagesordnung. Mal ist der Aufwand größer, mal kleiner. Die Maßnahmen in Lindenthal gehörten vor wenigen Tagen zu den größeren Einsätzen. Besonders die Uni-Klinik musste gewaltige Klimmzüge machen. Auch sie musste in Teilbereichen evakuiert werden. Operationen wurden gestoppt, hunderte Patienten umverlegt und 1000 Patienten nach Hause geschickt.

80 Prozent des Stadtgebietes betroffen

80 Jahre nach dem Ende des   Zweiten Weltkrieges machte die Stadt am Donnerstag deutlich: In Köln werden noch mehrere Jahrzehnte Blindgänger gefunden werden. Dr. Max Plassmann vom Historischen Archiv sagte, dass nach vorsichtigen Einschätzungen noch rund 300.000 Blindgänger im Untergrund von Köln liegen. „Noch in 80 Jahren werden wir eine Pressekonferenz zum Thema Blindgänger abhalten“, umschreibt es Plassmann im Gespräch mit der Rundschau.     „Wir erwarten auf 80 Prozent des Kölner Stadtgebietes weitere Funde“, ergänzte Jan Leipertz vom Kölner Ordnungsamt. Besonders die Innenstadt sei immer wieder ein Ort der Funde, aber auch in Chorweiler oder Merheim werden die Experten fündig, sagte Leipertz weiter.

„Noch in 80 Jahren werden wir eine Pressekonferenz zum Thema Blindgänger abhalten“
Dr. Max Plassmann, Historisches Archiv

Es seien gewaltige Mengen an Bomben auf Köln bei Luftangriffen geworfen worden. In Zahlen: Von 1939 bis 1945 habe es 262 Angriffe gegeben, der Schwerpunkt sei ab dem Ende des Jahres 1943 gewesen. Eingesetzt wurden 1274 Luftminen, 42.950 Sprengbomben über 1,4 Millionen Stabbrandbomben oder fast 40.000 Phosphor-Brandbomben. Es habe etwa 20.000 Opfer unter der Kölner Bevölkerung gegeben. Mehr als 4500 Tote haben es am 28. und 29. Juni 1943 gegeben. „Die Bevölkerung hat so gut wie keine Ruhe gefunden“, erklärte Dr. Plassmann weiter. 90 Prozent der Kölner Innenstadt sei zerstört worden. Ein wichtiger Punkt ist auch die so genannte Kampfmittelsondierung. Wer in Köln bauen möchte, muss sein Grundstück auf Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg untersuchen lassen. Die meisten Blindgänger werden derzeit bei Sondierungen gefunden und nicht durch Zufallsfunde, etwa von Baggerfahrern.

Weltkriegsbomben: 31 Funde im Jahr 2024

Wie hoch die Belastung für die Bürger und auch für die Einsatzkräfte ist, zeigt die Bilanz aus dem Jahr 2024. Im vergangenen Jahr wurden im Stadtgebiet insgesamt 31 Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Von den 17 Evakuierungen waren mehr als 36.000 Bürger betroffen, teilte die Stadt in ihrer Bilanz mit. Die meisten, rund 7800 Anwohner, mussten ihr Heim im August 2024 für die Entschärfung im Bereich der Gereon-Kaserne in Porz-Westhoven verlassen. Die wenigsten Kölner waren im Oktober 2024 am Ensener Weg in Weiß (Weißer Bogen) betroffen – und zwar niemand. Am längsten dauerte die Evakuierung im Dezember 2024 an der Greinstraße in Sülz. Von der Alarmierung bis zum Einsatzende vergingen elfeinhalb Stunden. Es waren zwar „nur“ 3100 Anwohner betroffen, darunter aber das Unicenter, diverse Gebäude der Universität sowie rund 300 Personen, die über 75 Jahre alt waren. Immer wieder kommt es auch vor, dass Mieter sich weigern, ihre Wohnungen zu verlassen und von den Einsatzkräften aufgefordert werden müssen. Unlängst bestellte sogar ein Anwohner Pizza in den Sperrbezirk. Der größte Blindgänger war eine amerikanische 20-Zentner-Bombe, die im Bereich der Gereon-Kaserne in Porz-Westhoven im August 2024 gefunden wurde. Außerdem wurden entdeckt: Fünf Zehn-Zentner-Bomben, 13 Fünf-Zentner-Bomben, eine Zweieinhalb-Zentner-Bombe und eine Bombe mit nicht mehr identifizierbarem Kaliber.