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Kölner StraßenreinigungVom jahrelangen Kampf gegen doppelt gezahlte Gebühren

Lesezeit 5 Minuten
Josef Mittler

Josef Mittler mit  dem Plan seines Grundstücks. Entlang der gelb markierten Linie  kassierte die Stadt zu Unrecht ein zweites Mal die Straßenreinigungsgebühren.

Köln – Stellen Sie sich vor, Sie sollen der Stadt Köln Gebühren für die Reinigung einer Straße bezahlen, die es gar nicht gibt. Als Sie sich bei der Verwaltung darüber beschweren, erklärt man Ihnen, alles habe seine Richtigkeit. Erst als Sie einen Rechtsanwalt einschalten, kommt Bewegung in die Sache. Und auf einmal ist die Stadt doch bereit, Ihren Gebührenbescheid zu korrigieren.

So hat es Josef Mittler (82) aus Kalk erlebt. Er hat 1973 ein Wohn- und Geschäftshaus an der Kalk-Mülheimer Straße gebaut. Seitdem zahlt er Reinigungsgebühren für den Bürgersteig und die Straße, die im Norden an sein Gebäude angrenzen. Und zwar gleich doppelt. Einmal rechnet die Stadt 28 Frontmeter ab, und zusätzlich noch mal 29 Frontmeter. Dabei gibt es nachweislich nur eine Straße und einen Bürgersteig.

„Da muss ein Fehler vorliegen“, denkt sich Mittler und meldet sich bei der Stadt. Doch im Amt winkt man ab. „Man hat mir erklärt, das sei alles richtig, der Stadtrat habe das so beschlossen“, erinnert er sich. Der Hauseigentümer akzeptiert den Bescheid und bezahlt die Forderung. Jahr für Jahr berappt er mehr, als er für angemessen hält, zuletzt über 900 Euro.

Mehrfach fragt Mittler nach, immer wieder erhält er dieselbe Antwort. Irgendwann reicht es ihm. Er nimmt den Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie auf und beauftragt einen Anwalt, sich der Sache anzunehmen. . Der stellt fest: Das Grundstück, auf dem Mittler sein Haus gebaut hat, besteht im Grundbuch aus zwei Flurstücken. Das eine davon – Nummer 509 – ist nur ein schmaler Streifen neben dem besagten Bürgersteig und der Straße, für deren Reinigung er zahlt. Das andere, größere Flurstück – Nummer 1037/103 – liegt südlich daneben. Schnell wird klar: Die Stadt erhebt für beide Flurstücke Straßenreinigungsgebühren. Offenkundig hat sie nur nach Aktenlage entschieden, kennt die Verhältnisse vor Ort gar nicht. Für die real existierende Grundstücksgrenze an der Nordseite von Flurstück 509 berechnet sie 28 Frontmeter. Und dann noch mal 29 Frontmeter für die Nordseite des Flurstücks 1037/103.

Auch „Hinterlieger“ sollen für Straßenreinigung zahlen

Dass diese 29 Meter nur eine Linie auf dem Papier im Grundbuch sind, dass diese Linie mitten durchs Gebäude verläuft und es dort folglich weder Wege, noch Bürgersteige oder Straßen gibt, lässt die Stadt außer Acht. Die Differenz von einem Meter erklärt sich dabei aus dem Umstand, dass das Grundstück an einer Seite schräg zuläuft.

Mittlers Anwalt Kay-Oliver Hübner legt Widerspruch gegen die Gebührenbescheide aus 2017 und den Folgejahren ein. Zuvor lässt er die beiden Flurstücke 509 und 1037/103 im Grundbuch zu einem Grundstück vereinigen.

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Doch die Stadt lenkt nicht ein. Sie beharrt darauf, dass auch so genannte „Hinterlieger“ Straßenreinigungsgebühren bezahlen müssen. Gemeint sind Grundstücke, die nicht direkt an der Straße, sondern dahinter liegen. Eine Gebührenpflicht gilt aber nur, wenn diese Grundstücke von der Straße aus erschlossen und erreichbar sind – etwa über einen Weg, einen Platz oder eine Privatstraße.

Beim Haus von Josef Mittler ist das nachweislich nicht der Fall. Sein Gebäude reicht ringsum bis zum Bürgersteig an der Grundstücksgrenze. Es gibt dort keine Wege, sondern nur Mauern.

Doch die Stadt scheint das nicht zu interessieren. Also klagt Mittler, es kommt zum Prozess. Im Februar gibt ihm das Verwaltungsgericht Köln recht, es spricht von Mängeln in der Straßenreinigungssatzung, sieht Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Stadt hebt die Bescheide auf und kündigt eine Neuberechnung an.

Straßenreinigungssatzung muss nun korrigiert werden

Auf Nachfrage der Rundschau räumt die Verwaltung ein, dass in Folge der Klage die Straßenreinigungssatzung korrigiert werden muss – und zwar rückwirkend ab 2012. In der Antwort heißt es: „Da sich das Verwaltungsgericht Köln nicht von der Sichtweise der Stadt Köln überzeugen ließ und aufgrund der Äußerungen des Verwaltungsgerichts Köln rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit der Straßenreinigungssatzung anzunehmen sind“, habe die Stadt die Gebührenbescheide im Fall Mittler und weiteren sieben Streitfällen aufgehoben. „Es ist beabsichtigt, die Straßenreinigungssatzung ab 2012 rückwirkend entsprechend redaktionell anzupassen.“ Der Stadtrat solle die Änderungen am 6. Mai beschließen.

Auf erneute Nachfrage, ob die Zeit der doppelten Abrechnung für Mittler vorbei sei, erklärt die Verwaltung: „Grundsätzlich veranlagen wir das Buchgrundstück.“ Die beiden Flurstücke seien jetzt unter einer Nummer im Grundbuch eingetragen. „Nach derzeitigem Stand wird bei einer Neuveranlagung die Verschmelzung ab dem 1. April 2017 berücksichtigt.“ Im Klartext: Ab dann kassiert die Stadt nur noch einmal.

Mittler: „Die haben mich auflaufen lassen“

Anwalt Hübner hat die Erstattung der zu viel berechneten Gebühren aus den Jahren 2017 und folgende gefordert. Alles was davor war, muss Josef Mittler abhaken. Es ist „verjährt“. „Das ist sehr ärgerlich“, findet der Unternehmer. „Bei meinen früheren Reklamationen hat die Stadt kein Wort davon gesagt, dass ich nur einmal zahlen müsste, wenn die beiden Flurstücke vereinigt wären. Die haben mich auflaufen lassen. Wer weiß, wie viele Hausbesitzer noch davon betroffen sind?“

Anwalt Kay-Oliver Hübner hält diese Darstellung der Stadt ohnehin für falsch. „Das Flurstück 1037/103 war nie von der Straße aus erschlossen und hätte daher nie für Straßenreinigungsgebühren veranlagt werden dürfen.“ Josef Mittler hofft nun auf baldige Rückerstattung. Es scheint, als habe er seinen Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie nach Jahrzehnten doch noch gewonnen.