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Pädokriminelle überführt und bestraftHaftstrafe für Kölner Amateur-Detektiv

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Köln – Er wollte nicht weniger, als den „pädophilen Sumpf trocken legen, Täter dingfest machen“. Wie ein digitaler Partisan hatte sich ein 33-Jähriger im Instant-Messenger-Dienst „Kik“ als Kind getarnt und Pädokriminelle in Hinterhalte gelockt. Rund ein Dutzend pädophile Tatverdächtige konnte er so der Polizei liefern. Sein Lohn? Ein Jahr Haft auf Bewährung und die Zahlung von 600 Euro an eine gemeinnützige Organisation.

Amateur-Detektiv nahm Kontakt mit Pädophilen auf

Es war ein kurioser Prozess, der das Amtsgericht just einen Tag nach der Auflösung der Ermittlungsgruppe „Berg“ beschäftigte, die den größten Komplex um sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland seit Oktober 2019 aufgeklärt hatten. Hunderte Tatverdächtigen waren ermittelt worden, 65 Kinder aus den Fängen ihrer Peiniger befreit werden. Und vor dem Amtsgericht stand nun dieser Amateur-Detektiv, von dem schnell klar war, dass er kein „gewöhnlicher“ Pädophiler ist. Die 302 Bilder und Videos im Besitz des Lager-Logistikers aus dem Kölner Norden, die laut Anklage schwere sexuelle Gewalttaten gegen Kinder darstellten, sind im Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen eine geringe Menge. Nicht selten horten Täter Kinderpornografie gleich terabyte-weise, kommentieren und teilen das Material mit Gleichgesinnten auf Messengerdiensten wie Telegram, Threema oder eben dem Kik-Messenger. Kik sei besonders bei Kindern beliebt, weshalb er Pädophile anziehe wie Licht die Motten.

Rechtslage

Nach Neufassung des Paragraf 184b des Strafgesetzbuches werden Verbreitung, Erwerb oder Besitz kinderpornografischer Inhalte mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Eine Ausnahme gilt für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

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Amtsrichter Karl-Heinz Seidel bemerkte in der Urteilsbegründung: „Sie hätten Polizist werden sollen.“ Der bloße Aufklärungswille im Rahmen eigenmächtigen Handelns führt nicht zu einer Straffreiheit. (bks)

Mit Fake-Accounts, in denen sie sich selbst als Kinder ausgäben, knüpften sie Kontakt zu ahnungslosen potenziellen Opfern, erklärte der Angeklagte. Der 33-Jährige schilderte als Beispiel einen Kontakt zu einem „Marco aus Bayern“. „Der wollte Sex mit Kindern“, erklärte der 33-Jährige. Sieben- bis achtjährige Mädchen habe Marco versucht dahingehend zu manipulieren, „dass es normal ist, wenn sie Sex mit einem Erwachsenen haben“. Um das zu untermauern habe Marco auch Kinderpornos mit seinen minderjährigen Chatpartnern geteilt. „Nach dem Motto: Das ist das Normalste von der Welt.“

Chat-Daten bei der Kölner Polizei abgegeben

Die in Chats wie mit Marco gesicherten Dateien hatte er am 4. August 2021 bei der Polizei abgegeben. Der Beamte hatte sofort eine Anzeige gegen ihn geschrieben. Er hatte keine andere Wahl. Der Besitz von Kinderpornografie ist generell strafbar. „Ehrenvolle Motive“, wie sie Verteidigerin Monika Troll ins Feld führte, spielen keine Rolle.

Trotz der Ermittlungserfolge des Angeklagten zeigte sich die Staatsanwältin wenig amüsiert: „Wenn Sie da mitmischen, behindern Sie Polizeiarbeit.“ Und weiter: „Leute wie Sie werfen Nebelkerzen, verdammt noch mal.“ Sie plädierte auf 16 Monate Haft, obwohl sie ihm das ehrenwerte Motiv abnahm. Belegt wurde es durch ein gleich gelagertes Verfahren, das im Januar 2021 ohne Auflagen eingestellt worden war. „Damals schon hatten die Beamten mir gesagt, ich soll aufhören, ich mache mich nur strafbar“, so der 33-Jährige.

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Eine neuerliche Einstellung kam nicht mehr in Frage. Am 1. Juli 2021 war eine Gesetzesverschärfung in Kraft getreten, die den Besitz von Kinderpornografie nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen einstuft. Mindeststrafe: ein Jahr Haft — ohne wenn und aber. Strafmildernde Gründe sind nicht vorgesehen. Einer „kreativen Lösung“, auf die Verteidigerin Troll gehofft hatte, war der Weg verbaut. Amtsrichter Karl-Heinz Seidel: „Wir sind ans Gesetz gebunden.“

Die Verurteilung nahm der Angeklagte sportlich. In seinem letzten Wort begrüßte er die Strafverschärfung. Zudem freute er sich auf einige Reisen in naher Zukunft zu Gerichtsprozessen nach Hamburg und Magdeburg. Dort sind einige von ihm überführte Tatverdächtige angeklagt und der 33-Jährige ist als Zeuge geladen: „Ich freue mich darauf, diesen Verbrechern in die Augen zu sehen.“