Köln-Zollstock – Veedel im WandelViele Neubauten, doch wenig Raum für Normalbürger

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An der Willigstraße saniert die GAG ihre Bestandswohnungen. 

Zollstock – „Bodenständig“ nennen viele Zollstocker selbst ihr vormals als Arbeiter- und Beamtenviertel bekanntes Veedel. In den letzten zehn Jahren hat sich der Stadtteil allerdings extrem verändert. Die Verschiebung lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Zum einen ist Zollstock immer noch bezahlbarer als andere Viertel. „Und es ist viel hübscher geworden“, meint Horst Werner. Der Vorstandsvorsitzende der Wohnungsgenossenschaft Köln-Süd eG nennt dafür vor allem zwei Gründe: Sanierung und Neubau.

Neubau auf dem DuPont-Gelände

Ein Beispiel: Das ehemalige DuPont-Gelände am Zollstockgürtel. Nördlich und südlich der Fritz-Hecker-Straße ist in den vergangenen Jahren bereits umfangreicher Wohnungsbau entstanden. „Es konnten bereits circa 600 Wohneinheiten im Segment Geschosswohnungsbau realisiert werden“, bestätigte die Stadt. Im vorderen Bereich, den so genannten „Vorgebirgsgärten“, entstehen derzeit weitere 206 Neubauwohnungen, 72 davon sind öffentlich gefördert und liegen damit im Zugriff der Genossenschaften.

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Großbaustelle Zollstockgärten am Gürtel: Hier entstehen insgesamt 206 Neubauwohnungen, 72 davon sind öffentlich gefördert.

Bereits 2010, so Werner, habe man Zollstock eine „mittlere bis gute Wohnlage“ zugestanden. In Zahlen hieß das: 7,50 bis 8,50 Euro Miete pro Quadratmeter auf dem freien Markt, das entsprach für Eigentum rund 1200 Euro pro Quadratmeter. Doch nicht nur Wohnungspreise ziehen an, die Stadt breitet sich immer mehr in die Randgebiete aus, etwa durch Neubaugebiete wie das Sürther Feld oder Rondorf Nord-West. „Zollstock ist heute fast Innenstadt und damit der neue Kölner Süden“, so der Vorsitzende. Das hat Folgen. Laut Werner liegen die Quadratmeterpreise in der ehemals „mittleren bis guten Wohnlage“ jetzt im frei finanzierten Wohnungssektor bei rund 6500 Euro.

Für Normalbürger zu teuer

Auch für seinen Kollegen Stefan Hofius eine irritierende Entwicklung: „Die Stadt baut am Markt vorbei, Normalbürger können sich das nicht mehr leisten“, erklärt das Vorstandsmitglied. Doch Projektentwickler wollen nach Meinung der Wohnungsgenossenschaften nicht für „normale Menschen“ bauen. Der öffentlich geförderte Wohnungsbau bei Neubauten beträgt lediglich 30 Prozent.

Dementsprechend groß sei der Run auf die geförderten Mietwohnungen. Das konnte auch die GAG bestätigen, die derzeit 15 000 Wohnungssuchende verzeichnet.  Für Jörg Fleischer von der GAG sind dies allerdings nicht nur Zahlen: „Das sind Biografien, Menschen, Einzelschicksale. Es gibt auch keine wirkliche Entwicklung, die Suche ist nahezu ein Dauerzustand“.

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Und diese gehe quer durch alle Schichten, von Jung bis Alt, Studenten, Paaren, Singles bis hin zu Familien. Für die öffentlich geförderten Wohnungen der Genossenschaften brauchen Mieter einen Wohnungsberechtigungsschein (WBS). Die GAG hatte Ende Dezember 803 Wohnungen im Bestand, darunter 554 frei finanzierte Wohnungen, 201 öffentlich geförderte und 48 MwE-Wohnungen (Mieter werden Eigentümer).

Die Köln-Süd eG hatte im gleichen Zeitfenster von 2286 Wohnungen rund 4,6 Prozent (104 Wohnungen) in der Preisbindung. Einen WBS haben derzeit nach Schätzung der Köln-Süd etwa acht bis neun Prozent aller Bürgerinnen und Bürger – mehr Wohnungen gibt es einfach nicht. „Über 40 Prozent könnten aber einen WBS erhalten, doch das nützt gar nichts bei diesem Missverhältnis“, weiß Werner, der die Stadt am Zug sieht.

GAG saniert Wohnungen in Köln-Zollstock

Sein Argument: Würde die Stadt den Genossenschaften mehr bezahlbare Grundstücke zur Verfügung stellen, wäre die Situation einfacher. Denn: „Auf teurem Grund wachsen keine preiswerten Mieten“, so Werner. Auf dem Sürther Feld habe man erst gar nicht zugeschlagen, da ein Mietpreis unter 13 Euro für die Weitergabe an interessierte Mieter nicht realistisch war.

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Viele Neubauten verändern das Stadtbild wie etwa hier an der Landskronstraße, Ecke Fritz-Hecker Straße. 

Der aktuelle Mietpreis bei den 1465 Mietern liegt bei der Köln-Süd bei rund acht bis neun Euro. Im frei finanzierten Wohnungssektor in den Neubauten wird die Elf-Euro-Marke erreicht. Das deckt sich mit Angaben der GAG. Bei den öffentlich geförderten Wohnungen lag die Durchschnittsmiete bei 7,43 Euro, maximal werden hier 11,04 Euro bezahlt.  

Zollstock in Zahlen

Die Anzahl der  Einwohnerinnen und Einwohner in Zollstock hat sich zwischen 2010 und 2019 um rund 2300 erhöht. Das entspricht einer Zahl von  916 Haushalten, die es  mehr gibt im Veedel.  Neben Rodenkirchen (1679 Menschen über 80 Jahre) ist Zollstock mit 1447 Menschen der Stadtteil mit den meisten Menschen über 80 Jahren im Bezirk Rodenkirchen. Spitzenreiter ist Zollstock allerdings auch im unteren Bereich: Hier lebten 2019  mit 219 Pänz die meisten Unter-Zweijährigen im Bezirk. 

Die GAG sanierte 247 Wohnungen mit 15 141 Quadratmetern Wohnfläche am Höninger Weg und am Zollstockgürtel. Die Köln-Süd eG saniert derzeit das Karree zwischen Gottesweg und Höninger Weg. Rund 400 Wohneinheiten erhalten hier mineralische Wärmedämmung, neue Fenster nach Denkmalschutzauflagen, außerdem werden Balkone angebracht und nachträglich Tiefgaragen gebaut. Die Arbeiten werden nach Aussage der Genossenschaft noch weit bis in das Ende des Jahrzehnts andauern. Das alles trägt zur positiven Entwicklung des Veedels bei, doch es fehlt an weiteren Entwicklungsperspektiven. Denn nach Meinung der Genossenschaft sind die Grundstücke im Süden dann ausgeschöpft. Die Stadt sieht noch Potenzial: Nach Angabe der städtischen Pressestelle laufen aktuell planungsrechtliche Verfahren für Grundstücke in den Bereichen Marienhof und Kalscheurer Weg für Geschosswohnungsbau mit einem Anteil öffentlich geförderter Wohnungen. Eine weitere „Potenzialfläche“, also mögliche Neubaufläche, auf der rund 20 Wohneinheiten geschaffen werden können, befindet sich im Bereich des Gotteswegs.

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