Ruth Dieckmann ist seit gut 25 Jahren Zoopädagogin – Nachhaltigkeit und Artenschutz stehen bei ihr im Fokus. Dem Bild vom Zoo als Tiergefängnis widerspricht sie vehement.
Von der Tafel zum Zoo-to-goWas eine Pädagogin im Kölner Zoo so macht
Ein Hauch Harry Potter ist dabei, wenn Ruth Dieckmann erzählt. Dann erscheint der Zoochef als Hologramm in einer Grotte, ein animierter schneeweißer Balistar führt die Besucher durch den dichten Regenwald. Ihre Zukunftsvision spielt da, wo vor gut 25 Jahren alles begann. Denn das pädagogische Konzept des Tropenhauses war der erste große Job der neuen Zoopädagogin. Oder besser: der ersten. Denn das, was die damals 27-Jährige machen sollte, gab es vorher nicht.
Bis dahin verlief die Wissensvermittlung an den Tiergehegen noch in schlichten Bahnen. Mit rotem Permanentstift Schablonen ausmalen. Das ist eine der frühesten Erinnerungen, die die 53-Jährige an ihre Arbeit hat. Damit übertrug sie die Verbreitungsgebiete der Zootiere auf die Infotafeln, Din-A-4-Blätter unter Plexiglas. So erfuhren die Besucher alles über Tragzeit, Gewicht, Größe und Nahrung der gezeigte Tiere. „Ab und zu war auch ein Hinweis drauf, dass eine Art im Bestand gefährdet ist“, sagt Dieckmann. Was Randnotiz war, sei heute die zentrale Botschaft und zugleich Existenzberechtigung von Zoos: der Schutz bedrohter Arten.
Der stand vor 25 Jahren im pädagogischen Bereich des damals neuen Tropenhauses erstmals in großem Stil im Focus. Neben dem damaligen Zoochef Gunter Nogge habe eine NGO dazu den Anstoß gegeben, erinnert sich Ruth Dieckmann. Die gemeinnützige Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz hatte das Projekt mit einer halben Stelle unterstützt. „Wir haben da vieles durch Anschauungsmaterial vermittelt. Etwa, wie sich der private Konsum auf Lebensräume in den Tropen auswirkt. Und spannende Geschichten an Telefonstationen erzählt. Die waren bei Kinder und Jugendlichen unglaublich beliebt. Und dann auch häufiger mal kaputt“, erzählt sie schmunzelnd.
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Mit dem Großprojekt kam die Lehrerin für Biologie und Deutsch so langsam an im Zoo, „einer ganz eigenen Welt, die man erstmal verstehen muss“. Und in der sich der neue Ansatz von Pädagogik außerhalb der seit 1964 bestehenden Zooschule erstmal etablieren musste.
In einem nächsten Schritt wurden die Infotafeln an den Gehegen größer, bunte Zeichnungen zeigten die Tiere in Aktion.
Tropenhauspädagogik wird ganz neu gestaltet
„Das hat Interesse und Empathie geweckt“, sagt die Zoopädagogin – die Voraussetzung, sich auf komplexere Zusammenhänge einzulassen. Später kamen Inszenierungen dazu. So faszinieren im Hippodom Flußpferd-stapfen in Beton ebenso wie das in die Wand eingelassenen riesige Skelett eines Urkrokodils. Digitale Vermittlung wird im pädagogischen Bereich des Tropenhauses, der nach dem Brand im Vorjahr völlig neu gestaltet wird, eine wichtige Rolle spielen – um Wissen attraktiv zu präsentieren und zu vertiefen. Deshalb ist das Haus ab September erneut geschlossen.
Der Zoo im Wandel muss sich auch neuen Herausforderungen stellen. „Kritik an Zoos gab es schon immer. Aber seit einiger Zeit verbreiten Influencer vor allem bei jungen Menschen ein sehr negatives Bild vom Zoo als Tiergefängnis“, sagt Ruth Dieckmann. Um hier gegenhalten zu können, holt sich das Team auch schon mal Tipps bei Vertriebsprofis, wie in einem Workshop mit der Marketingabteilung des Süßwarenherstellers Ferrero. Die Botschaft der Profis: das, was der Zoo für den Artenschutz macht, müsse überall im Zoo und auch in den sozialen Medien sichtbar sein. Und der Zoo am besten gleich in „Artenschutzzentrum“ umbenannt werden.
„Die Umbenennung in Artenschutz-Zoo würde ich gerne noch erleben“, sagt Dieckman und lacht. Bis dahin orientiert sie sich am Vorbild des englischen Chester-Zoo, der 20 Zoopädagogen beschäftigt. Er arbeite an allen Tier-Stationen mit einem einprägsamen Dreiklang: Das ist das Problem. Das macht der Zoo. Du kannst auch mithelfen. „Wer sich etwa am Schutz der Lebensräume bedrohter Arten beteiligen möchte, weiß direkt, was er tun kann. So werden wir auch den neuen Madagaskarbereich im Aquarium gestalten “, erklärt die Zoopädagogin.
Schon jetzt ist das Thema Artenschutz an zahlreichen Stellen präsent. Für Tagungsteilnehmer im Gastrobereich und bei Zoo-Zeltlagern gibt es Rallyes zum Artenschutz. Auf den aktuellen Infotafel der Gehege zeigt das rote Signet der Weltnaturschutzunion den Gefährdungsstatus der Art an. Und der Mensch-Tier-Konflikt, ein wichtiger Artenschutzfaktor in den Herkunftsländern, wird etwa im geplanten Giraffenhaus thematisiert. Als neue Bewohner sollen Nacktmulle ins Haus einziehen. „Die kann man ganz nah in den Gängen eines Hügels beobachten, ohne sie zu stören“, sagt Dieckmann.
Das unmittelbare Erleben von Tieren sei noch immer der wirksamste Weg, Menschen zu begeistern und sie für die Notlage bedrohter Arten zu interessieren. Das hätten Befragungen der Uni Bonn ergeben, die erforsche, wie Artenschutz im Zoo wahrgenommen werde. „Viele Besucher des Arnulf-und-Elizabeth-Reichert-Hauses sind glücklich, wenn sie aus dem Haus kommen, weil sie hier den Tieren so nahe kommen konnten“, sagt Dieckmann. „Die QR-Codes im Haus nutzt dagegen kaum jemand.“ Deshalb seien auch Tierpfleger und -pflegerinnen eigentlich alle Pädagogen, so Dieckmann. „Sie ermöglichen bei Fütterungen und Keeper-Talks intensive Begegnungen und beantworten jede Menge Fragen.“
Zoo „to go“
Digitale Angebote werden vor allem von jüngeren Besuchern gut angenommen. Eine interaktive digitale Station gibt es im „Frogs & Friends“-Bereich des Aquariums. Um zu lernen besucht ein Zooteam das Romantikmuseum und das Jüdische Museum in Frankfurt. Hier wird die Idee des Museums-to-go umgesetzt. Wer möchte, kann sich Höhepunkte seines Besuches abspeichern. Und vielleicht in Zukunft auch auch Tipps, was jeder im Alltag für den Schutz bedrohter Arten tun kann, ganz einfach mit nach Hause nehmen.