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Bühnen in KölnBernd Fülle zum Interim bestellt – Kritik an Übergangslösung

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Sanierung der Bühnen. Kleiner Offenbachplatz.

 Sanierung der Bühnen. Kleiner Offenbachplatz.

Die Ernennung des 76-Jährigen sorgt im Stadtrat für Diskussionen. Viele vermissen einen zukunftsweisenden Neuanfang für die Bühnen Köln.

Über die Dringlichkeitsvorlage zur Bestellung des vorübergehenden Nachfolgers von Bühnenintendant Patrick Wasserbauer soll nichtöffentlich abgestimmt werden. Verkündet wurde die Personalie Bernd Fülle aber schon Anfang der Woche. Verwunderung stellt sich nun bei einigen Fraktionen des Kölner Rats ein, was Oberbürgermeisterin Henriette Reker in den letzten Wochen ihrer Amtszeit bezwecken will. CDU und Grüne stimmen Fülles Besetzung zu, ein endgültiger Beschluss ist aber noch nicht gefasst. An der Entscheidung für die Person des 76-Jährigen regt sich Kritik, offen bleibt, wie viel Handlungsspielraum es für die Politik noch gibt.

Nachfolge Wasserbauers verschlafen

„Es ist alles sehr spät“, sagt Brigitta von Bülow (Grüne). Zu viel Zeit sei in der Frage der Nachfolge Patrick Wasserbauers verstrichen. Aber es sei für die Übergabe nun wichtig, dass es einen Geschäftsführer im Interim gebe, wenn Wasserbauer als Geschäftsführender Direktor an die Bayrische Staatsoper gehe. „Die Bühnen haben die Chance verpasst, einen progressiven Vorschlag zu machen“, sagt Maria Helmis-Arend (SPD).

Fülle war ab 1986 schon einmal Geschäftsführer der Bühnen, als Günther Krämer Generalintendant war. Ein Zeitgenosse Fülles berichtet in einem Brief an Reker, der der Rundschau vorliegt, dass man parteiübergreifend froh gewesen sei, als er eine neue Aufgabe in einer anderen Stadt gefunden habe. Mehrfach habe der Kulturausschuss beraten, wie man sich von Fülle trennen könne, vertraglich sei er jedoch so abgesichert gewesen, dass eine Kündigung vor Gericht keinen Bestand gehabt hätte.

Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, dass er Freikarten vergeben habe, um die mauen Besucherzahlen bei den Bühnen aufzubessern. Die Bühnen hätten heute bei ihrer Rückkehr am Offenbachplatz einen besseren Neuanfang verdient. Zu lange sei die Nachfolge Wasserbauers verschlafen worden, um sie jetzt mit einer Dringlichkeit durchzusetzen. Einen anderen, jüngeren Kandidaten für das Interim soll es nach Information der Rundschau gegeben haben. „Womöglich war dieser aber zu fortschrittlich“, sagt Helmis-Arend. Und: „Wir fordern die Stadtspitze auf, uns einen Vorschlag zu machen.“

Wiederholt in Rente gegangen

Die Zeit des Interims sei für jemanden, der, so Helmis-Arend, „wiederholt in Rente gegangen ist, zu kurz, um dort für die Bühnen wertvolle Arbeit zu machen.“ Ralph Elster (CDU) stellt sich hinter Bernd Fülle. „Was soll das Theater? Man kann jeden kritisieren. An der Frankfurter Oper hat er fantastische Erfolge gefeiert. Und in Saarbrücken ist er erfolgreich in einer vergleichbaren Situation wie jetzt in Köln eingesprungen.“

Ein partizipatives Verfahren für die Besetzung wäre nach Ansicht Elsters nicht angebracht gewesen, da es nur um wenige Monate gehe. „In einem halben Jahr kann ein neuer Oberbürgermeister, eine neue Oberbürgermeisterin ein Verfahren aufsetzen und die Stelle ausschreiben. Die Stadt brauche jetzt jemanden, der verzugslos den Umzug in das große Haus am Offenbachplatz bewerkstellige. Fülle ist nach Ansicht Elsters dafür der richtige Mann. Und dass Wasserbauer in München anfange, spreche bei aller an ihm geübten Kritik – zuletzt wegen fehlender Jahresabschlüsse der Bühnen – auch für dessen Qualifikation.

Zukunftsfähige Aufstellung

Die FDP gibt zu bedenken, dass mit Bernd Fülle zwar ein sehr erfahrener Theatermanager vorgeschlagen werde, allerdings sei er mit 76 Jahren schon seit zehn Jahren im Ruhestand. Es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob eine interimistische Lösung überhaupt sinnvoll und notwendig sei. Lorenz Deutsch (FDP): „Die vorgeschlagene Lösung überzeugt mich nicht. Das liegt weniger an der Person von Bernd Fülle, der sicher große Kompetenz mitbringen würde. Vielmehr sollten wir unmittelbar in die Besetzung für eine zukunftsfähige Aufstellung der Bühnen gehen“, so Deutsch in einer Pressemitteilung der FDP.

„Es beginnen jetzt die Vorbereitungen für den Umzug an den Offenbachplatz. Da sollte das Team zeitgleich neu aufgestellt werden. Die Zeit, die dafür notwendig ist, kann von der eingespielten Mannschaft überbrückt werden, die sich sonst ja mit der Einarbeitung von Herrn Fülle beschäftigen müsste“, so Deutsch.

Entscheidung revidiert

Es falle schwer, sich vorzustellen, wie ein interimistischer Geschäftsführer in der kurzen Zeit einen guten Überblick und eigenständige Handlungsfähigkeit aufbauen solle. „Die erneut ausbleibende kommunikative Begleitung der Entscheidung durch das Kulturdezernat macht den Vorgang noch weniger verständlich.“ Andere Stimmen erinnern an Carl Philip von Maldeghem: Anfang 2019 gab die Stadt bekannt, dass von Maldeghem ab Sommer 2021 in der Nachfolge von Stefan Bachmann die Intendanz des Schauspiels Köln übernehmen wird.

Die Entscheidung für Maldeghem wurde von verschiedenen Kulturschaffenden kritisiert. Acht Tage nachdem Maldeghem seinen Wechsel nach Köln angekündigt hatte, revidierte er seine Entscheidung und gab bekannt, dass er sich für einen Verbleib am Salzburger Landestheater entschieden hat. Fülle war telefonisch trotz mehrfachen Versuchs nicht erreichbar.