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Interview mit Amy Macdonald„Ich bin langweilig und stehe dazu“

Lesezeit 7 Minuten
Amy McDonald

"Mein Gott", sagt Amy Macdonald "ich war 19 beim ersten Album, und jetzt werde ich bald 30."

Besuch bei Amy Macdonald. Am Abend zuvor spielte die Schottin ein Konzert im "Old Fruitmarket" mitten in Glasgow, jetzt gastiert Amy im berühmtesten Club der Stadt. Im "King Tut's Wah Wah Hut" haben sie schon alle gespielt: Oasis, Blur, Radiohead, und das vor 300 Leuten, denn mehr passen in den mehrmals zum "Best British Music Venue" gekürten Club nicht rein. Amy hatte ihre King-Tut's-Premiere 2007. Die sympathisch Sängerin mit dem Faible für teure Autos ist seit zehn Jahren ein europaweiter Popstar, ihre drei bisherigen Alben voller unprätentiöser Pop-Rock-Songs ("This Is The Life", "Poison Prince") haben sich blendend verkauft, im Radio bleibt Macdonald Stammgast, und sogar Jogi Löw ist ein erklärter Fan. Nach vier Jahren Pause kommt am Freitag mit dem vierten Album "Under Stars" zurück.

Amy, haben Sie sich eigentlich mittlerweile ihr Traumauto, den Bugatti Veyron, gekauft?

Ach, eine betrübliche Sache. Bugatti baut den Veyron leider nicht mehr. Jetzt gibt es den Chiron. Der ist noch schneller und noch verrückter. Ich war vor kurzem im Hauptquartier von Bugatti in Molsheim im Elsass, der Chef persönlich hatte mich eingeladen und wollte mir den Chiron zeigen.

Sind Sie Probe gefahren?

Und ob! Das ist wirklich ein Superauto, aber es kostet unglaublich viel Geld. Zwei Millionen Euro. Um darüber überhaupt nachzudenken, muss sich das neue Album schon sehr, sehr gut verkaufen.

In einer englischen Zeitung stand neulich, für zwei Millionen Pfund Gage würden Sie sich ausziehen. Stimmt das?

Oh Gott, nein, das war ein Witz, der etwas außer Kontrolle geraten ist. Ich saß in einer Radioshow, der Moderator ist ein Freund von mir, und wir quatschten über Katy Perry, weil sie sich nackig gemacht hat, um so die Kampagne von Hillary Clinton zu unterstützen. Also fragte mein Kumpel mich, für welchen Zweck ich mich denn ausziehen würde?

Und?

Ich sagte, vergiss es, das will niemand sehen. Er: "Weltfrieden?" Ich: "Du bist bekloppt". So ging das ewig weiter, bis ich irgendwann sagte, "Okay, für zwei Millionen mache ich es". Damit endlich Ruhe ist. Nun ja, das Gegenteil ist dann passiert, die Medien haben sich auf die Geschichte gestürzt.

Fake News?

Haha. So werden halt Zeitungen verkauft.

Orientieren Sie sich denn an Kolleginnen wie Katy Perry?

Nein, für mich wäre es sinnlos, andere Künstlerinnen zu kopieren. Im Mittelpunkt meines Schaffens stehen gute Songs und eine positive Botschaft. Ich will Musik mit Substanz machen, die hoffentlich niemanden langweilt.

Denken Sie schon beim Schreiben über die Hit-Chancen ihrer Songs nach?

Nein. Ich weiß, dass viele Kollegen mit mehr Kalkül an ihre Musik herangehen, aber das ist noch nie meine Art gewesen. Sonst hätte ich mich jetzt mit irgendwelchen angesagten House-DJs umgeben, in den Charts ist ja alles nur noch Pop und Dance.

Was wollen Sie mit ihren Songs erreichen?

Mein Ziel ist es, Lieder zu schreiben, die die Leute ihr Leben lang nicht mehr aus dem Kopf bekommen (lacht). Und ich will, auch wenn sich das plump anhört, Musik für alle machen. Zu meinen Konzerten kommen zehnjährige Mädchen und, kein Witz, auch 80 Jahre alte Omas und Opas.

Sie leben immer noch in Glasgow. Kein Interesse, zum Beispiel nach London zu ziehen?

Ich mag es hier, ich möchte nicht woanders leben. Ich wohne in einem Vorort, meine ganze Familie ebenfalls, unser Verhältnis ist sehr eng. Eine halbe Stunde Fahrt, und ich bin entweder in der Großstadt oder in den Bergen. Ich bin viel draußen und treibe ständig Sport.

Bergsteigen auch?

Bergwandern. Mein Vater ist ein Experte, er war mal im Base Camp des Mount Everest, also auf über 5000 Meter Höhe. Ich bin mir sicher, dass ich das eines Tages auch machen werde.

Sind Ihre Eltern oft bei Konzerten dabei?

Ja. Sie reisen auch ganz gern, in Köln zum Beispiel sind wir vor einigen Jahren alle zusammen gewesen.

Arbeiten die Eltern noch?

Nein, sie haben sich vor einigen Jahren zur Ruhe gesetzt. Es war ja auch bizarr, wie gut mein erstes Album lief. Meine Eltern wollten eigentlich noch arbeiten, um mir das Studium zu finanzieren, das mussten sie dann nicht mehr.

Sie waren früh ein Star. Haben Sie sich verändert?

Ich glaube nicht. Ich war immer ein bodenständiger Mensch. Mein Gott, ich war 19 beim ersten Album, und jetzt werde ich bald 30.

Finden Sie es schlimm, bald runden Geburtstag zu feiern?

Ich habe keinen Bammel vor der Zahl 30. Älterwerden ist doch cool. Und ich habe meine Zwanziger wirklich bis zum Äußersten ausgelebt.

Worum geht es in der Single "Dream On"?

Um eine Freundin. Ihre Mutter wurde schwer krank, sie selbst verlor ihre Arbeitsstelle. Alles ging schief. Ich fühlte mich so hilflos.

Und dann schrieben Sie "Dream On"?

Ja, um sie aufzubauen. Viele Menschen reagieren positiv auf diesen Song, wahrscheinlich auch, weil wir alle unsere Phasen haben, in denen das Leben nicht nach Plan läuft. Mittlerweile hat sie einen großartigen neuen Job gefunden.

Spielen Sie im Text von "Under Stars" mit dem Gedanken, nach New York auszuwandern?

Nein, den habe ich für meine andere beste Freundin geschrieben, wir sind drei Mädels und kennen uns seit der Schulzeit. Sie ist Wissenschaftlerin und bekam einen Job in New York angeboten, den sie nicht absagen konnte. New York ist eine geile Stadt.

Aber?

Sie war einsam, hatte anfangs furchtbares Heimweh. Also kam ich sie spontan besuchen, wir hatten eine tolle Woche zusammen. Als ich wieder heimflog, guckte ich auf die Lichter und hoffte, dass es ihr gut geht, da kam mir die Idee zum Song.

Gibt es auf dem Album auch einen Amy-Song?

Ich sitze oft im Café, schaue mir die Leute an und denke mir Geschichten zu ihnen aus. Über mich schreibe ich nicht. Wen interessiert das denn schon?

Erleben Sie denn nichts Spannendes?

Ich bin langweilig und stehe dazu. Wenn ich zu Hause bin, gucke ich meistens Fernsehen. Oder koche mit meinem Freund. Wir sind beide viel unterwegs, er ist Fußballprofi. In unserer Freizeit brauchen wir keine Action.

Gibt es Hochzeitspläne mit Ihrem Verlobten Richard Foster?

Wenn wir heiraten, kündigen wir das nicht groß an. Eine schöne, kleine Feier irgendwo im Warmen könnte ich mir gut vorstellen.

Stimmt es, dass Sie den Songtext zu "4th Of July", in dem es auch um Ihre Liebe zu den USA geht, wegen Donald Trump verändert haben?

Nein, das war nur ein Scherz von mir. So wichtig ist mir Trump dann doch nicht. Aber schon schlimm, was da passiert. Ich war immer interessiert an Politik, die Brexit-Nacht habe ich mir um die Ohren gehauen, und die US-Wahlnacht auch. Bis sieben Uhr in der Früh starrte ich auf den Fernseher und bewegte mich kaum noch vor Schreck.

Was sagen Sie zum Brexit?

Ein Wahnsinn. Die Leute haben gegen ein System gestimmt, das sie nicht mögen, aber die meisten haben nicht verstanden, worum es geht. Kein Politiker konnte es ihnen vernünftig erklären. In Schottland hat jede Region für den Verbleib in der EU gestimmt. Es wäre sehr unfair, wenn wir jetzt mit rausgekickt würden aus der EU. Es funktioniert einfach nicht mit den Engländern. Schottland sollte in Schottland regiert werden.

Seit wann sind Sie eigentlich so stark tätowiert?

Hiermit fing es an (zeigt auf einen Schmetterling am Arm, darunter steht "Free Scotland"). Das haben wir uns vor dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 stechen lassen. Wir alle in der Familie, auch meine Eltern. Und dann ging es weiter. Vielleicht auch, weil mein Freund voll mit Tattoos ist und ich das schön finde.

Zurück zu Ihrem Fuhrpark. Welche Angeber-Autos nennen Sie denn aktuell ihr Eigen?

Na ja, ich habe einen Audi und einen Range Rover, das ist die praktische Abteilung. Und dann noch zwei Ferraris, den 458 Speciale und den 488 GTB.

Reicht nicht ein Ferrari?

Kein Ferrari würde auch reichen! Doch sie sind beide einfach wunderschön.

Zur Person

Geboren am 25. August 1987 im schottischen Bishopbriggs. Mit 12 Jahren lernt sich Gitarre. 2007 fällt sie mit dem Song "Mr. Rock & Roll" auf, geht mit Paul Weller auf Tournee. Ein Jahr später gelingt ihr der Durchbruch mit dem Debütalbum: "This Is The Life" und auch ihre nächsten beiden Alben erreichen in Deutschland Platz 1. 2009 und 2011 wird sie mit dem Echo ausgezeichnet.

Konzerte: Das Gastspiel in Köln (8. März, E-Werk) ist ausverkauft. Nach Bonn kommt sie am 25. Juli (19 Uhr, Gronau, Kunst!Rasen)

Nach einer Clubtour gibt Amy Macdonald im Sommer ein Konzert in Bonn. Steffen Rüth traf die 29-jährige Künstlerin in ihrer Heimatstadt Glasgow.