Die Ehrenfelder Fotografin Ute Behrend dokumentiert über zehn Jahre hinweg das Phänomen Cowboy – von deutschen Karnevalisten über spanische Filmkulissen bis zu echten Ranchern in den USA.
Kölner Fotografin Ute Behrend„Der Cowboy ist eine Kunstfigur und jeder kann ihn interpretieren“

Das Foto „Fünf Cowboys betrachten den Klimawandel“ entstand während der Waldbrände in Los Angeles.
Copyright: Ute Behrend
Wenn Ute Behrend als Kind Cowboy spielen wollte, durfte sie allenfalls die Blätter vor dem Tipi fegen. Doch im Kopf der Fotografin setzte sich eine Idee fest, für die sie jahrelang durch die Prärie zog. Herausgekommen ist ein Cowboy-Buch. Jan Sting sprach mit ihr über Kühe, Kerle und Klischees.
Sie haben gut zehn Jahre die Fotos für Ihr Buch „Cowboys“ gemacht. Was war der Auslöser für das Langzeitprojekt?
Vor vielen Jahren habe ich an einem Gruppenprojekt zum Thema Karneval teilgenommen. Ich habe als Ärzte verkleidete Karnevalisten fotografiert und dann als Gegenüberstellung dazu die Dekoration in den Krankenhäusern an Karneval. An Karneval wird es in den Krankenhäusern sehr voll, die Tragen mit den Alkoholkranken liegen auf den Fluren. Die Deko hilft vielleicht ein wenig, trotzdem die gute Laune zu behalten. Für Ärzte, Ärztinnen, Pflegepersonal und auch für als Ärzte verkleidete Patienten. Nachdem das Projekt beendet war, überlegte ich, was ich in der kommenden Session fotografieren könnte. Ein Kostüm, was banal genug ist, um etwas über die Welt zu erzählen. Die Cowboys passten gut zu meinen Arbeiten über Geschlechteridentitäten.
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War es das coole Männerbild, mit dem sich die Cowboy-Idee so bei Ihnen festsetzte?
Ich fand das Spektrum im Karneval ziemlich groß. Die Figur des Cowboys ist über die letzten 100 Jahre sehr verschieden interpretiert worden. Vom Camp-Cowboy aus der queeren Szene bis zu stahlharten Rächern die ideologischen Ziele verfolgen ist alles dabei. Das macht es auch so interessant. Der Cowboy ist eine Kunstfigur und jeder Karnevalist kann ihn auf seine Weise interpretieren. Dabei geht es natürlich auch um Frauen – und wie man sie beeindruckt. Welche Art Mann will ich sein? Welche Frauen spreche ich damit an? Alkohol ist da natürlich auch ein großes Thema. In fast jedem Western wird irgendwann Alkohol getrunken. Aber ganz sicher gibt es auch in irgendeinem Western einen Cowboy, der abstinent ist.
Aber Sie haben ja nicht nur im Karneval fotografiert. Wie sind Sie vorgegangen?
Zuerst habe ich mir die Westernveranstaltungen in Deutschland vorgenommen und viel in Freizeitparks und bei Vereinen fotografiert. Es gibt in Deutschland, auch durch Karl-May, eine große Community. Manchmal bauen Vereine ein Westerndorf, in dem sie feiern und sich über ihr Hobby austauschen. Das waren aber oft ältere Menschen, die mit viel Leidenschaft versuchten, eine vergangene Zeit auf einem anderen Kontinent nachzubilden. Die Vereine haben Nachwuchsprobleme und Männer, die dem Klischee des Cowboys entsprachen, waren dort eher selten anzutreffen.

Cowboy auf der Couch
Copyright: Ute Behrend
Klingt ziemlich abgegrast. Die Colts verrauchten schon wieder?
Ich bin schließlich in die spanische Sierra Nevada, der einzigen Wüste Europas, gereist. Es gibt dort zwei Filmsets, die in den 70er Jahren entstanden sind. In dieser Zeit wurden auch die ersten europäischen Western gedreht (Spaghettiwestern). Die Regisseure hatten kein Geld, um ihre Filme in den USA zu produzieren. Die Sierra Nevada war ideal für sie. Heute werden diese Kulissen als Freizeitpark für Touristen vermarktet. Die Shows, die dort stattfinden, sind mit ausgebildeten Schauspielern besetzt und dementsprechend gut. Die Kostüme waren toll, es gab richtige Pferde und die Kulissen hat wahrscheinlich jeder schon einmal in einem Western gesehen. Das Realitätsversprechen konnte also auch über die Erinnerung eingelöst werden.
Und die haben sich einfach so fotografieren lassen?
Als Fotografin ist es mein Job, die Leute so in Szene zu setzen, wie ich sie haben will. Manchmal hat es länger gedauert jemanden davon zu überzeugen, dass er jetzt zum Beispiel wirklich böse gucken soll. Ich war mit den Bildern sehr zufrieden, aber merkte auch, dass da auf jeden Fall noch mehr drinsteckt und bin dann mithilfe eines Stipendiums der Stiftung Kunstfond in die USA gereist. Ich habe dort viele wichtige Spots der amerikanischen Western und Cowboykultur besucht – unter anderem auch den Geburtsort von „Buffalo Bill“, alias William Frederick Cody.
Buffalo Bill, der Mann der den Wilden Westen erfand.
Ja, ohne ihn würden die Kinder in Deutschland nicht seit 1890 Cowboys und Indianer spielen.
„Wie sind denn Cowboys heute denn so? Sind das wirklich noch harte Jungs, die mit dem Lasso hinter Rinderherden her sind, oder mehr so pfiffige Typen wie Lucky Luke?“
Die Interpretation des Cowboys funktioniert auf verschiedenen Ebenen: Ein Mann darf sich Cowboy nennen, wenn er mit Tieren arbeitet, vorzugsweise Rindern, oder eine Farm besitzt, wo er Rinder züchtet. Dann gibt es das soziale Bild des Cowboys, der einem ungeschriebenem Ehrenkodex folgt, der ihm Respekt und Anerkennung einbringt. Da gibt es zehn Regeln, die sich immer wieder unterscheiden können, aber vom Grundsatz her den gleichen Typ Mann beschreiben. Zum Beispiel: Sei stolz auf Deine Arbeit. Tue, was getan werden muss. Wenn Du etwas versprichst, halte Dich daran. Sei freundlich, höflich und hilfsbereit zu Frauen und Kindern. Schieße niemals zuerst. In diesem Kontext ist es aber auch wichtig, die Rodeoreiter zu erwähnen. Es sind junge Männer, die sich beweisen wollen oder Leistungssportler, die schon als Kinder angefangen haben zu trainieren. Mit Bull-Riding kann man viel Geld verdienen. Es ist aber auch ein sehr harter Sport, bei dem man Behinderungen riskiert oder auch den Tod.
Dabei haben Sie in Belgien auch zwei Teenager fotografiert. Die Kulturwissenschaftlerin Anja Schürmann schreibt im Nachwort zu Ihrem Buch, die Tragik liege darin, dass die beiden Jungs schlicht zu jung seien, um einlösen zu können, was sie von sich behaupten.
Ja, das stimmt. Anja Schürmann ist eine wunderbare Autorin. Es lohnt sich, den Text im Buch zu lesen. Sie hat die Komplexität und die Absurdität des Themas toll beschrieben.
Auch die „Cowboys for Trump“ waren unter dem wilden Mob, der am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmte.
Ja, man muss sagen, dass die Szene sehr rechts ist. Die Vorstellung und das Versprechen von Freiheit ist halt ziemlich interpretativ. Allerdings sind Cowboys auch der Natur verbunden. Der Klimawandel wird in den USA aber oft geleugnet. In den USA habe ich mit einigen jungen Männern gesprochen, die sagten „unser Präsident“ und meinten Trump als er eben kein Präsident mehr war.
Klingt sehr konservativ. Wie kamen Sie damit klar?
Die Menschen dort sind wahnsinnig freundlich. Wenn man einige Zeit mit Ihnen verbringt, versteht man ihren Punkt. Da geht es viel um Identifikation in der Tradition. Familie hat einen sehr hohen Stellenwert. Die Leute leben auf dem Land, teilweise kommt kilometerweit kein anderes Haus. Wilde oder verletzte Tiere muss man eben manchmal erschießen. Teilweise können sie sich gar nicht vorstellen, dass man hier in Deutschland keine Waffe hat. Die Farmer machen sich Gedanken, wie sie ihre Tiere gesund mit Bio ernähren, – und fragt man, ob sie Trump wählen würden, biegen sie sich und wollen es nicht sagen. Oft leben sie am Existenzminimum und müssen schauen, was die jeweiligen Kandidaten versprechen, um ihre Situation zu verbessern. Da spielt es eben manchmal keine Rolle, wie hirnverbrannt eine kranke Persönlichkeit sich inszeniert. Er ist eben der Kandidat, der ihnen etwas verspricht.
Ein einziges Foto hat es in Ihrem mitreißenden Buch auf eine Doppelseite gebracht. „Fünf Cowboys betrachten den Klimawandel“. Sie visieren die Waldbrände bei Los Angeles an. Wie ist das Bild entstanden?
Wir waren Richtung Kalifornien unterwegs und hatten die Nachrichten nicht verfolgt. Hinter uns war auf einmal kein Auto mehr zu sehen. Autos kamen uns nur noch entgegen. Im Radio wurde dann gesagt, dass vor uns ein riesiges Feuer ist. An einer Tankstelle meinte eine Frau, das sei ganz normal, wir könnten ruhig weiterfahren. Wir haben dann lieber eine andere Route gewählt und auf einem riesigen Camping-Platz im Yosemite-Nationalpark übernachtet. Der Campingplatz war ganz unten im Tal und in der Nacht senkten sich die Rauchschwaden ab, so dass man kaum noch Luft bekam. Wir sind morgens weitergefahren und die Touristen im Park haben im dicksten Qualm gefrühstückt, als ob nichts wäre. Der Park war ja geöffnet, also konnte es nicht so schlimm sein und Feuer gab es ja in jedem Jahr. Den Rangern dort war bewusst, dass der Zustand im Camp stark gesundheitsgefährdend war, befolgten aber die Anweisungen des Staates. Es war ihr Job. 600 Kilometer weiter war dann eine Veranstaltung, bei der Kühe mit Brandzeichen versehen wurden. Dort habe ich dieses Bild gemacht. Der Rauch war immer noch so stark, dass verschiedene Leute mit ihren Tiertransportern nicht anreisen konnten. Die Cowboys dort nahmen das schon ernst, zuckten aber mit den Schultern, wenn man sie dazu befragte. „Was soll man machen?“
