Lit.CologneDeborah Feldman über ihr neues Buch „Judenfetisch“ und Philosemitismus

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Autorin Deborah Feldman sitzt auf einem Stuhl im WDR-Funkhaus

Deborah Feldman auf der lit.cologne

Bestsellerautorin Deborah Feldman („Unorthodox“) sprach auf der Lit.Cologne im WDR-Funkhaus über ihr neustes Buch und warum die jüdische Gemeinde nicht so homogen ist, wie es scheint. 

Damit hatten offenbar selbst die Veranstalter nicht gerechnet. Als auch eine gute halbe Stunde nach Lesungsende die Schlange vor dem Signiertisch nicht kürzer wurde, stand dem Ordnungspersonal sichtlich der Schweiß auf der Stirn angesichts der Herausforderung, das WDR-Funkhaus noch rechtzeitig vor der Folgeveranstaltung mit Stefanie Sargnagel leer zu kriegen.

Deborah Feldman ließ sich indes von Stress und Zeitdruck nicht aus der Ruhe bringen. Geduldig signierte sie eine Unmenge von Exemplaren ihres Buches „Judenfetisch“ und nahm sich zwischendurch immer wieder Zeit für Smalltalk. So ganz überraschend war das überbordende Interesse an dem lit.Cologne-Abend dann aber auch nicht, und das aus gleich zwei Gründen. Zum einen kam mit Feldman eine Autorin nach Köln, für deren Erstling „Unorthodox“ immer wieder das Etikett „Weltbestseller“ bemüht wird.

Aus dem Essay wird ein ganzes Buch

Zum anderen, so Ludwig Lohrmann vom Veranstaltungsteam in seiner Begrüßung, weil das Thema „aktuell wie kaum eine andere Lesung im diesjährigen Programm“ sei. „Judenfetisch“ lautet der Titel von Feldmans neuem Buch und war zunächst als Essay gedacht, den sie noch schnell schreiben wollte, bevor sie sich einem schon länger geplanten Romanprojekt widmete. Heraus kam am Ende ein fast 270 Seiten starkes Werk (Luchterhand, 24 Euro).

Begonnen, so die Autorin im Gespräch mit Shelly Kupferberg, habe sie mit dem Schreiben bereits im Mai 2022 – also lange vor dem Angriff durch die Hamas, dafür aber in zeitlicher Nähe zu einem anderen Ereignis, das für „Judenfetisch“ von großer Bedeutung sein sollte. Ebenfalls im Frühjahr 2022 drangen Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen den Rabbiner Walter Homolka — der im Buch ebenfalls eine Rolle spielt — an die Öffentlichkeit.

Im Zuge dessen kam auch heraus, dass der christlich erzogene Konvertit sich zeitweise mit einer jüdischen Herkunft „geschmückt“ hatte, die jedoch der näheren Überprüfung nicht standhielt. Diesem Phänomen widmet sich auch „Judenfetisch“ — und zeigt, dass der Titel, wenn auch etwas provokant, doch berechtigt ist: Es geht um das Selbstverständnis jüdischer Menschen, beziehungsweise darum, dass laut Feldman die jüdische Bevölkerung keineswegs so homogen ist, wie es scheinen mag.

Da gibt es das Phänomen des „Philosemitismus“, also die geradezu romantische Überhöhung alles Jüdischen und eine daraus resultierende wachsende Gruppe von Konvertiten. Sie selbst, so Feldman, fühle sich dadurch manchmal regelrecht „fetischisiert“. Dabei war sie ursprünglich nach Berlin gezogen, um die ständige Frage der jüdischen Identität hinter sich zu lassen und einfach nur „Mensch unter Menschen“, beziehungsweise „Berlinerin unter Berlinern“ zu sein.

Mit dem Buch will sie diesen Philosemitismus aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten „und sogar bloßstellen“. Doch auch unter den Menschen mit langer jüdischer Tradition bestehen laut Feldman große Unterschiede. So gebe es durchaus jüdische Antizionisten, für die die Existenz des Staates Israel ein Widerspruch in sich sei, da er laut ihrer Glaubensauslegung erst mit der Ankunft des Erlösers möglich sei.

Shelly Kupferberg lenkte ruhig, interessiert und so sachlich wie möglich durch die sensiblen Themen, die an diesem Abend zur Sprache kamen. Doch ganz unerwähnt konnte natürlich nicht bleiben, was sich seit dem 7. Oktober in Israel und dem Gazastreifen abspielt. Auf die Rolle der Hamas angesprochen, äußerte Feldman: „Die wären bereit, die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens zu opfern. Denen geht es nur um ideologische Ziele und nicht um die Bevölkerung.“

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