Intendant Kay Voges holt für sein Ensemble viele neue Gesichter ans Schauspiel Köln. Einige von ihnen stellen wir Ihnen in den kommenden Wochen in loser Folge vor. Wir starten mit Steffen Siegmund.
Neu im Schauspiel KölnSteffen Siegmund über Neuanfang und Theaterzauber

Steffen Siegmund Ensemblemitglied Schauspiel Köln
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Das Japanische Kulturinstitut am Aachener Weiher und das benachbarte Museum für Ostasiatische Kunst sind ganz neu für Steffen Siegmund, wie noch so ziemlich alles in Köln. Aber zur japanischen Kultur hat er seit seiner Zusammenarbeit mit dem Regisseur Toshiki Okada am Thalia Theater eine ganz besondere Beziehung.
Dessen Herangehensweise, bei der es um die Nähe zum Ritual, zur Folklore gehe, hatte der Schauspieler schätzen gelernt. „In Japan gibt es zum Beispiel diesen Shinto-Schrein, der alle 20 Jahre ab- und wieder neu aufgebaut wird“, erklärt Siegmund. „Am Theater läuft es im Grunde ähnlich: Wir bringen immer wieder Klassiker auf die Bühne, aber natürlich verändern wir sie dabei auch.“
Kein Platz für eine „weiße Kartoffel“
Steffen Siegmund gehört zu den vielen neuen Gesichtern im Ensemble des Schauspiel Köln, die mit dem Intendanten Kay Voges in die Spielzeit 2025/2026 starten. Nach 13 Jahren am Thalia Theater in Hamburg sei es für ihn an der Zeit gewesen, das Engagement zu wechseln, so Siegmund. Weil dort ebenfalls eine neue Intendantin die Leitung übernimmt, sei ihm auch kaum etwas anderes übrig geblieben, erklärt der 33-Jährige lachend: „Das Ensemble soll diverser werden, was ich sehr richtig finde. Für noch eine männliche weiße Kartoffel ist dann folgerichtig kein Platz.“
Vor allem aber hält Siegmund Kay Voges für „einen der spannendsten Theatermacher“ hierzulande. Aber auch Köln selbst habe einen guten Ruf in Theaterkreisen. „Wenn es darum geht, Intendanzen an großen Theatern neu zu besetzen, werden immer wieder Namen aus Köln genannt, das fällt schon auf.“
„Als Schauspieler sterben wir und stehen im Anschluss direkt wieder auf, nur um in der nächsten Vorstellung wieder zu sterben. Wir lernen, damit umzugehen.“
In seinen ersten Wochen in der Domstadt habe er jedenfalls eine „große Liebe zum Schauspiel“ gespürt: „Die erkennt man auch daran, dass die Kölner so viel Geduld mit der Sanierung ihrer Bühnen haben.“ Damit erntet er allerdings verwunderte Blicke in der näheren Umgebung.
Steffen Siegmund hat kürzlich nach langer Suche mit seiner Partnerin eine Wohnung in Buchheim gefunden. Köln gefalle ihm auch, weil es eine „Stadt in Bewegung“ sei, eine junge, queere Hochburg, die offen ist: „Hamburg dagegen ist schon sehr gesetzt.“
Diese Neugier, die Bereitschaft zur Öffnung, passe zum Konzept von Kay Voges, das werde man schon beim Auftakt mit „Imagine“ am 26. September spüren, einem Stück, in dem es um Krieg und Frieden gehe und das fast ohne Dialog auskomme: „Ein Großteil des neuen Ensembles macht mit. So können wir uns als Truppe dem Publikum vorstellen, das ist eine gute Idee.“
Siegmund verrät auch, dass er ab Ende Oktober bei einem Stück mit ganz anderem Charakter auf der Bühne stehen wird, „Rabatz!“ unter der Regie von Thomas Fritsch. Es ist als „ein Krawall, ein Donnerhall der Unvernunft, ein Orkan der hemmungslosen Ausrastkunst“ angekündigt und hat seine Wurzeln im Dadaismus. „So ist man als Schauspieler nicht so festgelegt, man kann ganz unterschiedliche Dinge anzapfen. Aber ich weiß noch gar nicht, was Herbert Fritsch so vorhat. Das wird spannend.“
Spannender Schwerpunkt: „Theater und Journalismus“
Diese Möglichkeit haben die Mitglieder des Ensembles auch, weil Kay Voges und Dramaturg Alexander Kerlin die geplanten Inszenierungen Anfang des Jahres auf einer Zoom-Sitzung grob vorstellten. Die Schauspieler konnten angeben, bei welchen Stücken sie gern mitmachen würden, darauf soll nun nach Möglichkeit Rücksicht genommen werden. „Das ist ein Vertrauensvorschuss, echte Partizipation“, lobt Siegmund die Vorgehensweise.
Wie seine Kollegen, aber auch das Publikum, ist er gespannt auf die Umsetzung des Schwerpunkts „Theater und Journalismus“. 2015 etwa habe es in vielen Theatern den Reflex gegeben, die Geflüchteten einfach auf die Bühne zu stellen und erzählen zu lassen: „Das war gut gemeint und als symbolischer Akt sicher richtig. Aber sie waren mit der Situation oft völlig überfordert, das sollte man nicht so Eins zu Eins machen. Vielleicht wären wir da heute schlauer.“
Theater mit Haltung
Da müsse man sich andere Formen der Vermittlung überlegen. Angesichts der Lügen, die der „orangene Irre“ und viele andere derzeit verbreiteten, sei es aber dringend notwendig, dass sich das Theater dieser Herausforderung stelle und Haltung zeige: „Bei mir überwiegt jedenfalls die Vorfreude, dass man sich das traut.“
Das hat auch mit seinen ganz frühen Theater-Erfahrungen zu tun: Als elfjähriger Knirps hatte Steffen Siegmund, der später ein Schauspielstudium in Leipzig absolvierte und 2017 den Boy-Gobert-Preis für herausragende Nachwuchsschauspieler erhielt, bei einer Aufführung des Mecklenburgischen Staatstheaters in Parchim mitgewirkt und dabei eine andere Welt kennengelernt. Einen Gegenentwurf zu seinem Umfeld: eine Gesellschaft, in der damals gefühlt 90 Prozent der Menschen mit der NPD sympathisierten und Hass, Angst und Lügen verbreiteten.
Diese andere Welt, die Utopie, so Siegmund, erschaffe man in magischen Momenten beim gemeinsamen Spiel auf der Bühne und könne dabei sogar dem Tod ein Schnippchen schlagen: „Als Schauspieler sterben wir und stehen im Anschluss direkt wieder auf, nur um in der nächsten Vorstellung wieder zu sterben. Wir lernen, damit umzugehen.“