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„Kulturetat von der Instandhaltung trennen“Kay Voges will für das Kölner Schauspiel kämpfen

6 min
19.08.2025
Köln, NRW
Interview mit Kay Voges Intendant des Schauspiel Köln
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Kay Voges zu Gast bei der Kölnischen Rundschau.

Beim Redaktionsbesuch bei der Kölnischen Rundschau stellt der neue Intendant Kay Voges seine Ideen und Ziele für das Schauspiel Köln vor. 

Im Spielzeitheft listen Sie Thesen auf, eine lautet „Wir kommen nicht, um liebgehabt zu werden“. Aber eigentlich müssten Sie doch „liebgehabt“ werden, damit die Leute kommen und letztlich auch das Haus am Offenbachplatz gefüllt werden kann.

Liebgehabt zu werden, ist keine gute Motivation. Da ist man nicht bei sich, sondern eigentlich immer nur bei der Wirkung, die man erzielen möchte. Wir wollen relevantes Theater machen, lustvoll sinnliches Theater und ein mutiges Theater. Und der Mut verlässt einen relativ schnell, wenn man nur danach guckt, liebgehabt zu werden.

Vom jüngst verstorbenen Claus Peymann stammt der Satz „Das Theater ist der Dorn im Arsch der Mächtigen“. Das ist ein sehr typischer Peymann. Zwischendurch werden wir diskursiv, aber auch mal ein bisschen skandalös. Und das wird auch nicht immer allen gefallen.

Wie stellen Sie sich Ihr Publikum vor? Ein Vertreter einer anderen großen Kulturinstitution hat zuletzt gesagt: „Ich mache mein Programm nicht für Bildungsbürger.“

Wir machen Theater für ganz Köln, für links- und rechtsrheinisch, für Arm und Reich, für Jung und Alt. Wenn man das Programm sich anschaut, sieht man, da ist Experimentelles, Klassisches und Komödiantisches neben politisch Diskursivem. Es gibt schon eine Palette, die wir anbieten, die verschiedene Sehnsüchte von Abendunterhaltung versucht zu erfüllen, ohne dabei wie ein Kessel Buntes zu werden. Denn allem zugrunde liegt die Frage nach gegenwärtigem Kunstverständnis, nach gegenwärtiger Erzählung über unsere Zeit.

Wie würden Sie einem potenziellen Publikum den Unterschied erklären zwischen dem, was Stefan Bachmann und Rafael Sanchez gemacht haben und dem, was Sie planen?

Es wird sicherlich politischer, gegenwärtiger. Wir kommen aber auch mit Tschechows „Onkel Wanja“, mit „Faust“ oder „Der Orestie“ mit großen Titeln der Theatergeschichte, die neben einer Unzahl von Uraufführungen stehen. Im Laufe der Zeit müssen dann andere sagen, was der Unterschied ist.

Eine andere These lautet „Bühnen sind Maschinen“. Die am Offenbachplatz werden Sie zunächst nicht nutzen können. Wie ist Ihr Gefühl: Bleiben Sie nur eine Spielzeit im Interim?

Meine letzte Begehung vor vier, fünf Wochen war eine mutmachende. Zwischen meinem ersten Besuch vor zwei Jahren und dem ein Jahr später war nicht so viel Fortschritt zu erkennen. Jetzt sieht man, da tut sich was. Und ich bin hoffnungsfroh, dass im September eine klare Aussage gemacht wird und die Fertigstellung wie versprochen im vierten Quartal ist. Das glaube ich jetzt erst einmal. Bis ich vom Gegenteil überzeugt werde.

Das Schauspielhaus hat mit seinem sehr langen Zuschauerraum vom Hochparkett bis zur Bühne eine besondere Form, das ist eine große Distanz.

Verglichen mit dem Volkstheater in Wien ist es doch ein sehr überschaubares Haus. Aber ich glaube, dass jede Bühne ihre Herausforderungen hat. Ich stelle im Depot gerade fest: Weil die Bühne so breit und die Wege so lang sind, ist man gefühlt eine Minute unterwegs, bis man beim Auftritt von rechts in der Mitte angekommen ist. Wie bekommen wir da Dynamik rein? Und wie fesseln wir den Blick des Publikums, wenn sie im Theater oftmals so sitzen (ahmt die typischen Tennis-Match-Kopfbewegungen nach)?

Dann hört man plötzlich Flugzeuglärm, und es heißt vom Team: Das sind die Umgebungsgeräusche hier auf dem Carlswerkgelände. Und ich dachte, es war wie ein Déjà-vu, du bist wie schon 2015 in Dortmund wieder in einer Lagerhalle gelandet. Deshalb ziehe ich meinen Hut vor den Kolleginnen und Kollegen, wie sie damit in den letzten 13 Jahren umgegangen sind.

Weitere Thesen im Spielzeitheft positionieren das Schauspiel Köln als „antifaschistisch“ und gleichzeitig als Ort für die „Vielzahl der Stimmen“. Wie sollen Sie die ins Haus locken, die ihr Kreuzchen eher am rechten Rand machen? Oder soll es in erster Linie Zufluchtsort sein für die, die anderes denken?

Ich würde mir wünschen, dass wir nicht nur ein Theater für eine kleine, intellektuelle Bubble sind, sondern uns wirklich der Stadt öffnen. Wenn wir etwa vom „Aufstieg und Fall des René Benko“ erzählen, geht es auch um Galeria Karstadt Kaufhof. Jeder, der dort einkauft oder arbeitet, kennt diesen Ort. Jeder, der Steuern zahlt, weiß, dass seine Steuern teilweise zum Erhalt von Galeria ausgegeben worden sind und nach diesem Abend wird man ein bisschen verstehen, wo sie hingegangen sind, und welche Tricks angewendet wurden.

Oder der Abend „Dat Wasser vun Kölle es jot“: Er erzählt über unseren Fluss und eine spannende Kriminalgeschichte.

Und wenn man einfach mal nur unterhalten werden will?

Herbert Fritsch, der Meister des Nonsens, des virtuosen Blödsinns, macht „Rabatz“. Gut, es könnte schon sein, dass man aus Versehen ein bisschen mehr mitnimmt als bloße Unterhaltung (grinst). Aber ich stehe für ein leidenschaftliches, sinnliches Theater und nicht für theoretisches Büßertheater.

Wir stehen mitten im Wahlkampf und es ist eine kleine Schlammschlacht um die Bühnenbaustelle geworden. Was macht das mit Ihnen?

Ich kann nur sagen, dass ich diese Idee eines sofortigen Baustopps für die kontraproduktivste Idee von allen halte. Denn damit wird alles nur teurer. Generell müssen wir in dieser Stadt anfangen, den Kulturetat zu trennen von dem für Instandhaltung der Kulturbauten. Und ich werde es sicher nicht schaffen, am Offenbachplatz eine Eröffnungsproduktion zu machen, die dann der Frage standhält: Ist das 800 Millionen Euro wert?

Schon in Ihrem Vorbereitungsjahr mussten Sie in den Kampfmodus gehen: Das Interim wurde verlängert, eine auch das Schauspiel betreffende Neustrukturierung des Depots anberaumt, der Tanzsparte wurde eine vorläufige Absage erteilt. Wenn man Sie aus der Ferne in Wien beobachtet hat, konnte man den Eindruck gewinnen, mit Ihnen ist nicht immer gut Kirschenessen. Stichwort „Wir kommen nicht, um liebgehabt zu werden“: Müssen sich die Kölner Politik und Verwaltung nach den eher diplomatischen Schweizern Bachmann und Sanchez ein bisschen wärmer anziehen?

Ich habe diese Aufgabe anvertraut bekommen, Intendant des Schauspiel Köln zu sein. Und dafür werde ich kämpfen. Dass ich mich mit Haut und Haaren für das Wohl dieses Theaters einsetzen werde. Da kann ich auch streiten. Und das werde ich auch tun. Diese Leidenschaft, mit der ich versuche, diesen Job zu machen, wird vielleicht auch ein Argument sein dafür, dass man die Finger von irgendwelchen Gedanken lässt, dass man doch vielleicht auch mit weniger Geld gute Kunst machen kann.

Sie eröffnen die Spielzeit am 26. und 27. September mit zwei eigenen Inszenierungen sicher, um direkt Ihre eigene Handschrift zu zeigen?

Ich glaube, dass das wichtig ist. „Imagine“ wird ein großer, poetischer und visueller Bilderreigen, in dem direkt zwei Drittel des Ensembles mitspielen. „Der Name“ des Literaturnobelpreisträgers Jon Fosse ist dagegen ein richtiges Stück gegenwärtiger Dramatik mit einem kleinen Ensemble.

Insgesamt stehen 29 Premieren in dieser Spielzeit an ...

...und es kommen noch tagesaktuell entwickelte Stücke dazu.

Es ist ein wenig wie beim Theaterdirektor im Vorspiel zu „Faust“: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen?

Ja, sicher, wir fahren da sicher etwas hoch. Aber ich kann noch nicht schätzen, wie lang die Haltbarkeit einer Produktion ist. Kann ich sie sieben Mal spielen oder 15?

Aus Wien kommend: Wie erleben Sie die Infrastruktur der Stadt?

Ich bin irritiert, was generell in Deutschland passiert ist in den fünf Jahren, die ich nicht hier war. Es ist nicht gewachsen, nur maroder geworden. Es hat alles gelitten. Hier funktioniert eine Menge nicht. Auch in Köln. Und diese Armut hat mich erschreckt.

Wien hat sich eher das Bewusstsein erhalten, wie machen wir das Leben für die Menschen, die hier wohnen, lebenswert. Da kostet zum Beispiel der Eintritt fürs Schwimmbad zwei Euro. Als ich jetzt mit meinem Enkel schwimmen war, habe ich mich gefragt, kann sich das jede Familie erlauben, wenn es doch eigentlich selbstverständlich sein sollte, dass jeder ins Schwimmbad kommt. Nun wollen wir am Theater einen Basar der Ideen aufmachen, um zu gucken, wo die Ideen sind, die uns nach vorne bringen.

Haben Sie dennoch auch die Muße gehabt, neue oder alte Lieblingsorte zu entdecken?

Ich habe dieses Jahr Sommerferien in Köln gemacht, und ich bin ganz verliebt. Ich war jetzt das erste Mal in meinem Leben an der kölschen Riviera und dachte, ach Mensch, das ist aber schön. Und dann war ich wieder im Museum Ludwig und erinnerte mich, wie es für mich mit 16 oder 17 so eine Offenbarung war, dieses Museum zu sehen und dann zum ersten Mal Andy Warhol und Picasso. Am Wochenende war ich auf dem Straßenfest im Agnesviertel, wo ich wohne, und diese Lust zu feiern, macht schon Freude. Und es ist egal, ob ich bei den AWB oder ob ich Neurochirurgin bin: Wir stehen an der Bierbude und schunkeln.

Gutes Stichwort: Haben Sie schon ein Karnevalskostüm für die nächste Session?

Ich beschäftige mich gerade mit der Kölner Geschichte, und meine Frau und ich lesen jeden Morgen aus dem tollen Buch „Köln: Geschichte einer europäischen Stadt" von Barbara und Christoph Driessen ein Kapitel. Gerade sind wir bei den Bischöfen, und ich dachte, das könnte doch ein cleveres Kostüm sein: Ein großes Ding, unter das man dann etwas anziehen kann, je nachdem, ob es warm oder nicht so warm ist.