Auf einem abgelegenen Hof kämpfen die Figuren in Tschechows „Onkel Wanja“ mit unglücklichen Beziehungen und enttäuschten Hoffnungen
Schauspiel KölnHoffnungslosigkeit und Humor: „Onkel Wanja“ im Depot 2

Onkel Wanja (Andreas Beck, l.) und Astrow (Frank Genser) in "Onkel Wanja" im Schauspiel Köln
Copyright: Marcel Urlaub
„Bist du glücklich?“, fragt Sonja ihre Stiefmutter Elena. Die Antwort kommt prompt: „Nein“. So wie Elena geht es ausnahmslos jedem in Anton Tschechows 1899 uraufgeführter Tragikomödie „Onkel Wanja“, die in der Inszenierung des israelischen Regisseurs Itay Tiran nun auf der Bühne des Depot 2 Premiere feierte.
Als Feel-Good-Stück kann man sie wahrlich nicht bezeichnen. Trotzdem schafft es das Ensemble immer wieder, für Momente der Verbundenheit, der Hoffnung und des Humors in der Tristesse zu sorgen. Obwohl er die titelgebende Figur ist, steht Wanja (gespielt von Andreas Beck, der herrlich grummelig in Birkenstock-Sandalen durch die Szenerie stapft) oft nicht im Fokus des Stückes.
Seine Leidensgenossinnen und -genossen bekommen mindestens ebensoviel Raum, mit sich selbst und untereinander über gescheiterte Träume, depressive Verstimmungen und enttäuschte Hoffnungen zu hadern.
Enttäuschte Hoffnungen in „Onkel Wanja“
Da ist zunächst Wanjas Nichte Sonja (Lavinia Nowak), die nicht nur die Hauptlast bei der Bewirtschaftung des familiären Landguts trägt, sondern auch unglücklich in den Arzt Astrow (Frank Genser) verliebt ist. Der wiederum hat gar nichts für Sonja, dafür aber umso mehr für Alkohol und einen aussichtslosen Kampf gegen die voranschreitende Umweltzerstörung übrig.
Nur noch schlimmer wird alles, als Sonjas Vater und Wanjas Schwager, der alternde Professor Alexander (Uwe Rohbeck), mit seiner hübschen jungen Frau Elena (Birgit Unterweger) das Gut besucht. Die beiden bringen nicht nur den Tagesablauf der Bewohner durcheinander, sondern auch das ohnehin schon komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen ihnen.
So bandelt Elena bald mit Astrow an, was ihr angespanntes Verhältnis zu Stieftochter Sonja weiter verschärft. Der hypochondrisch veranlagte Alexander liegt währenddessen nicht nur im Dauerclinch mit dem missmutigen Wanja, sondern spielt bald auch mit dem Gedanken, das nicht mehr profitable Landgut – das eigentlich zu Tochter Sonjas Existenzsicherung dienen soll – zu verkaufen. Ungeachtet dessen, was dann mit den dort Lebenden passiert.
Niemand ist auch nur ansatzweise zufrieden mit seiner Situation. Das spiegelt sich auch im Bühnenbild der kammerspielartigen Inszenierung: Ort des Geschehens ist der familiäre Hof auf dem Land mitten im Hochsommer, doch nach frischen grünen Wiesen, Bäumen und Feldern sucht man vergeblich.
Die minimalistisch gehaltene Szenerie (von Michael Sieberock-Serafimowitsch, der auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet) besteht aus quadratisch angeordneten schwarzen Holzbänken, die von einem Wassergraben umgeben sind. Alles schwarz, alles düster, alles trist. Da wirkt der Regenguss, der im letzten Drittel des Stücks niederprasselt und die Bühne überflutet, beinahe reinigend.
Dass man als Zuschauer angesichts von so viel Weltschmerz nicht selbst verzweifelt, liegt vor allem daran, dass das sensibel agierende Ensemble es immer wieder schafft, die Traurigkeit des tschechow’schen Stoffs zu durchbrechen. Etwa durch die Fürsorglichkeit der Kinderfrau Marina (Uwe Schmieder), die als Stimme der Vernunft zwischen den Streithähnen agiert und Lindenblütentee als Heilmittel für jeden Herzschmerz anpreist.
Oder während Sonjas Schlussmonolog, in dem sie ihrem lebensmüden Onkel Wanja beschwörend versichert, dass sie sich irgendwann ausruhen können. Ohnehin spielt Lavinia Nowak als von ihrem Angebeteten verschmähte, aber dennoch unbeugsame junge Frau beeindruckend auf. Sogar komödiantisch wird es an einigen Stellen – zwar ist auch der Humor meist schwarz, aber es reicht für einige herzliche Lacher.
So zum Beispiel, als Andreas Beck seine Version von „Do You Really Want to Hurt Me“ zum Besten gibt oder Elena auf Sonjas Vorschlag, sie könne doch auch mal was für die anderen tun, mit einem schlichten „Das kann ich nicht“ antwortet. Genau diese Momente braucht das Stück, um in der Düsternis ein bisschen Hoffnung leuchten zu lassen.
90 Minuten ohne Pause, wieder am 15., 22., 29.10. jeweils 20 Uhr. Schanzenstraße 6-20, Karten-Tel. 0221/ 221 28400