Alexander Sulzer im InterviewEx-Haie-Profi über die Krise des Eishockeys

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Ex-Haie-Profi Alexander Sulzer

  • Alexander Sulzer ist Geschäftsführer der neu gegründeten Spielergewerktschaft Eishockey (SVE).
  • Der ehemalige Verteider der Kölner Haie ist Ansprechpartner und Sprachrohr für die Profis der Deutschen Eishockey Liga (DEL).
  • Im Interview spricht er über die Lage des Eishockeys zu Corona-Zeiten.

Alexander Sulzer hat in der Coronakrise alle Hände voll zu tun. Als Geschäftsführer der neu gegründeten Spielergewerkschaft Eishockey (SVE) ist der ehemalige Verteidiger der Kölner Haie Ansprechpartner und Sprachrohr für die besorgten Profis der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Tobias Carspecken sprach mit ihm.

Zur Person

Alexander Sulzer (36) lief 131 Mal in der nordamerikanischen Eliteliga NHL für die Nashville Predators, Florida Panthers, Vancouver Canucks und Buffalo Sabres auf. Zudem brachte es der 64-malige Nationalverteidiger auf 451 Spiele in der Deutschen Eishockey Liga für die Hamburg Freezers, die Düsseldorfer EG, den ERC Ingolstadt und die Kölner Haie, denen er von 2014 bis 2019 angehörte. Im August 2019 war bei dem gebürtigen Kaufbeurer ein gutartiger Tumor an der Halswirbelsäule entdeckt worden. Nachdem Sulzer seine Karriere im vergangenen September für beendet erklärt hatte, wurde er Geschäftsführer der neu gegründeten Eishockey-Spielergewerkschaft SVE.

Herr Sulzer, Sie haben fünf Jahre lang für die Kölner Haie gespielt. Wie sehr bedrückt es Sie, dass das Fortbestehen des KEC corona-bedingt in akuter Gefahr schwebt?

Das ist keine schöne Situation. Ich hoffe sehr, dass die Haie all ihre Probleme geregelt bekommen und dass sie keine größeren Schäden davontragen. Das gilt natürlich für alle Vereine im Eishockey, aber auch für die Teams außerhalb meines Herzenssports. Alle, ob Handball, Basketball oder Volleyball, haben derzeit schwer zu kämpfen und ich hoffe sehr, dass die Vereine, ein wichtiger Bestandteil für unser gesellschaftliches Zusammenleben, durch die Krise kommen.

Hat Sie das Ausmaß der finanziellen Probleme der Haie überrascht?

Dass die Clubs in der DEL von Zuschauer-Einnahmen abhängig sind, dieses Bewusstsein war bereits vor Corona vorhanden. Die Stärke der Abhängigkeit, die erst durch den Ausbruch der Pandemie in vollem Umfang deutlich geworden ist, war dann allerdings schon überraschend. Wir spüren seit Monaten, dass es ein ungeheurer Kraftakt ist, das deutsche Eishockey am Leben zu halten, wenn gar keine Zuschauer erlaubt sind.

Zur Teilnahme an der neuen DEL-Saison benötigen die Haie eine Million Euro, die seit Mittwoch durch den Verkauf symbolischer Tickets generiert werden soll. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass das klappt?

Ich sehe gute Chancen. Köln verfügt über eine große Fanbase mit vielen positiv verrückten Anhängern, denen die Haie sehr am Herzen liegen.

Könnten Sie sich die DEL ohne den KEC überhaupt vorstellen?

Auf gar keinen Fall. Die Kölner Haie sind ein Traditionsclub. Sie gehören einfach dazu. Scheitert die Rettungsaktion des Profi-Teams, kann auch die erfolgreiche Nachwuchs-Abteilung der Haie nicht weiter existieren. Es ist leider bei vielen Clubs so, dass das Aus der Profi-Abteilung einen langen Rattenschwanz nach sich ziehen würde. Das wäre eine wahre Hiobsbotschaft und schlimm für die Perspektive.

Die Haie-Profis haben sich dazu bereiterklärt, auf bis zu 60 Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Wie bewerten Sie das?

Das ist ein riesiges Zeichen der Spieler an ihren Club und an das deutsche Eishockey. Ein großes Entgegenkommen, das man gar nicht hoch genug schätzen kann.

Neben den Haien sollen weitere DEL-Clubs in großen finanziellen Schwierigkeiten schweben. Wird die Liga im Dezember in gewohnter 14er-Stärke starten können?

Ich hoffe das natürlich sehr. Die Tatsache, dass mehrere Clubs ihre Teilnahme am MagentaSport Cup (Vorbereitungsturnier auf die DEL-Saison, Anm. d. Red.) abgesagt haben, zeigt jedoch, dass es an verschiedenen Eishockey-Standorten derzeit große Probleme gibt.

Welche Folgen hätte eine Komplettabsage der DEL-Saison?

Das wäre fatal. Es ist existenziell wichtig, dass die Saison stattfindet – für die Zukunft des deutschen Eishockeys und für jeden einzelnen Spieler. Sollte der Spielbetrieb der DEL anderthalb Jahre lang auf Eis liegen, wäre es für alle Spieler schwierig, nach so einer langen Pause wieder reinzukommen. Das würde auch für die Nationalmannschaft eine herbe Schwächung bedeuten. Der Nachwuchs wäre ebenfalls betroffen.

Sie sind seit September Geschäftsführer der neuen Spielergewerkschaft SVE, die von den DEL-Profis Moritz Müller und Patrick Reimer gegründet wurde. Was reizt Sie an dem Amt?

Die Gründung einer Organisation, die den Spielern eine Stimme verleiht, war ein wichtiger, längst überfälliger Schritt. Das haben die vergangenen Monate noch einmal deutlich gezeigt. Das zeigen die Beitritte zur SVE, das zeigt das Feedback der Fans, das spüren wir in den sozialen Medien. Corona war in dieser Hinsicht eine Art Beschleuniger für die SVE. Ich fühle mich sehr geehrt, dass mich die Gründungsmitglieder der SVE für die Position des Geschäftsführers ausgeguckt haben.

Welche Aufgaben übernehmen Sie?

Ich bin Ansprechpartner für alle Spieler und externen Kontakte und stehe im Austausch mit der DEL und dem Verband. Unser Ziel ist es, den Spielern eine starke Stimme zu verleihen. Wir möchten ein gebündeltes Sprachrohr sein. Darüber hinaus gibt es Aufgaben, zu denen sich der Verein per Satzung verpflichtet hat.

Das fängt bei Themen wie Karrieretipps und Beratungsangebote für Nachwuchstalente ab, geht bei der Unterstützung der Selbstvermarktung der Spieler weiter und endet dem großen Themen Karriere nach der Karriere. Die SVE ist keine Eintagsfliege, sondern ein langfristig angelegtes Projekt zur Weiterentwicklung und Professionalisierung des Eishockeys in Deutschland.

Welche Stimmung spüren Sie bei den Gesprächen mit den Spielern?

Den Spielern geht es wie allen Bürgern in Deutschland zurzeit. Es prasseln ja beinahe täglich neue Meldungen auf uns ein, dementsprechend ist auch die Gefühlslage bei Spielern ein sich ständig verändernder Prozess. Aber eines zeigt die Krise derzeit ganz besonders: Nur gemeinsam sind wir stark. Jedes Gespräch gibt Kraft, Hoffnung und Perspektive.

Sie betreiben seit kurzem außerdem ein Eishockey-Camp für Kinder und Jugendliche. Wie kam es dazu?

Zum einen arbeite ich sehr gerne mit jungen Menschen zusammen. Mein Sohn spielt selbst Eishockey in der U9. Auf die Idee gebracht hat mich auch die sehr begrenzte Anzahl an Eiszeiten in den Vereinen durch den Mangel an Eisflächen.

Zahlreiche aktuelle und ehemalige Profis geben sich ein Stelldichein. Spüren Sie darin auch eine persönliche Wertschätzung?

Es ist einfach schön, so viele Zusagen von aktuellen und ehemaligen Weggefährten zu erhalten, die den Kids gemeinsam mit mir eine tolle Zeit bereiten wollen. Da gibt es kein Zögern, da kommt kein Nein.

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Im August 2019 wurde bei Ihnen ein gutartiger Tumor an der Halswirbelsäule entdeckt. Wie geht es Ihnen inzwischen?

Ich bin voll genesen und das blühende Leben. Bei der Diagnose hatte ich Glück im Unglück. Der Tumor war relativ groß und hatte bereits recht viel vom Rückenmark gequetscht. Anderthalb Jahre später hätte die Gefahr einer Querschnittslähmung bestanden. Ich hatte eine große, aufwendige Operation. Nach einer langen Heilungsphase gehört diese Sache nun der Vergangenheit an.

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