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Rundschau-DebatteWas junge Menschen vom Rentensystem halten

5 min
Vielen sozialversicherungspflichtigen Vollbeschäftigten droht bei Beibehaltung des jetzigen Rentensystems im Alter eine Minirente.

Vielen sozialversicherungspflichtigen Vollbeschäftigten droht bei Beibehaltung des jetzigen Rentensystems im Alter eine Minirente.

Die Altersvorsorge der Deutschen hat immer stärkere Schlagseite. Ein junger Erwachsener und zwei Nachwuchs-Politiker sagen ihre Meinung.

Das Bundeskabinett hat vorige Woche das erste Rentenpaket der schwarz-roten Regierung auf den Weg gebracht. Junge Menschen wissen trotzdem schon heute, dass sie ohne grundlegende Reform viel ins Rentensystem einzahlen und wenig zurückerhalten werden. Wie sehen sie die Pläne der Bundesregierung?

Kaan spart fürs Alter – dabei hat er nicht mal angefangen zu arbeiten

Was den 18-Jährigen Duisburger an den Rentenplänen der Regierung am meisten stört.

„Ich habe den Glauben an das Rentensystem verloren. Es funktioniert schon jetzt nicht mehr und hat erst recht keine Zukunft. Der Staat muss Milliarden dazuzahlen, damit Rentnerinnen und Rentner ausreichend Geld bekommen. Und wir jungen Menschen werden unser Leben lang in die Rentenkasse einzahlen, ohne genügend zurückzubekommen. Das ist unfair.

Umso enttäuschter bin ich von der Politik. Die Bundesregierung hat zwar ein neues Rentenpaket beschlossen, aber wirklich neu ist daran nichts. Die Politikerinnen und Politiker müssten sich doch vielmehr mit dem Thema befassen und sich einmal ernsthaft die Frage stellen: Wie wird die staatliche Altersvorsorge in Zukunft aussehen? Bis in die 1990er mag das aktuelle System funktioniert haben. Da standen viele Beitragszahlende wenigen Rentnerinnen und Rentnern gegenüber. Heute ist das umgekehrt. Da ist es logisch, dass das nicht mehr funktioniert – und wir endlich neue Wege gehen müssen.

Andere Länder tun das längst und investieren zum Beispiel in Aktien. Das sollte Deutschland auch tun. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen hierzulande noch zu wenig über Finanzen wissen. Sie haben Angst, dass das alles hochrisikohafte Spekulationen seien. Dabei müssen wir über solche Ideen ernsthaft nachdenken, wenn wir noch eine staatliche Altersvorsorge haben wollen.

Frau mit Rollator bei Sommerhitze in der Stadt unterwegs. (Archivbild)

Jungen Menschen ist die Belastung durch den demografischen Wandel bewusst. (Archivbild)

Weil man sich darauf aber nicht verlassen kann, lege ich schon jetzt Geld fürs Alter zurück. Ich zahle jeden Monat einen kleinen Betrag in einen börsengehandelten Indexfonds, einen sogenannten ETF, ein. Der ist breit gestreut, man setzt also nicht nur darauf, dass ein Unternehmen Erfolg hat und geht dementsprechend weniger Risiko ein. Durch den Zinseszinseffekt hoffe ich, dass ich mir so bis zur Rente einiges zusammenspare. In der Schule habe ich leider nichts über das Investieren gelernt. Im Unterricht wird viel zu wenig über Geld gesprochen, finanzielle Bildung spielt kaum eine Rolle. Ich habe das meiste durch Youtube-Videos gelernt, zum Beispiel von den Expertinnen und Experten von ,Finanzfluss‘.

Viele meiner Freundinnen und Freunde machen es ähnlich. Uns alle treibt schließlich die Sorge um, wovon wir im Alter leben sollen. Dabei haben die meisten von uns noch nicht einmal angefangen, zu arbeiten. Aber man sieht ja schon heute die Rentnerinnen und Rentner, die Pfandflaschen sammeln müssen, weil das Geld nicht ausreicht.“

Kevin Gniosdorz wirft der Politik vor, sie ducke sich weg

Der Chef der Jungen Union in NRW sieht „Sicherheit für die Alten, Risiko für die Jungen“.

„Das Vertrauen junger Menschen in die gesetzliche Rente ist auf einem historischen Tiefpunkt. Seit Jahrzehnten haben es alle politischen Lager versäumt, das System demografiefest zu machen – auch meine eigene Partei. Dieses Wegducken muss ein Ende haben. Wir brauchen jetzt eine Rentenkommission, die nicht nur Kosmetik betreibt, sondern den Mut hat, das System generationengerecht und demografiefest zu machen. Diese Kommission darf nicht im Arbeitsministerium von Bärbel Bas verortet werden, sondern muss unabhängig arbeiten können.

Die aktuelle Rentenpolitik verteilt Sicherheit an die Älteren und Risiken an die Jüngeren. Unser Ziel muss sein, beide Seiten fair zu behandeln. Wir brauchen Reformen, die Beitrags- und Steuerlasten langfristig begrenzen. Ein erster sinnvoller Schritt wäre es, die Rente nicht mehr an die Lohnentwicklung zu koppeln, sondern an die Inflation.

Wir brauchen eine Rentenpolitik, die nicht nur bis zur nächsten Wahl reicht, sondern bis zur nächsten und übernächsten Generation. Das heißt: eine stärkere Förderung privater Vorsorge, Kopplung von Beiträgen und Leistungen, mehr kapitalmarktorientierte Elemente zur Renditesteigerung, klare Rücklagenbildung auf Seiten des Staates in guten Jahren und eine langfristige Stabilisierung des Beitragssatzes – damit Sicherheit im Alter nicht zulasten der jungen Generation geht.“

Anmerkung der Redaktion: In ihrem Koalitionsvertrag auf Bundesebene haben sich Union und SPD auf die Einführung einer sogenannten „Frühstart-Rente“ geeinigt: Für jedes Kind zwischen sechs und 18 Jahren sollen nach diesem Modell zehn Euro im Monat in ein Altersvorsorgedepot eingezahlt werden. Anschließendes privates Weitersparen ist möglich. Die Junge Union NRW schlägt vor, das System zu erweitern. So sollte nach ihrer Ansicht die „Frühstart-Rente“ ab dem 25. Lebensjahr in ein steuerfreies Altersvorsorgedepot überführt werden. Auch Erwachsene sollten weitgehend steuerfrei fürs Alter sparen können.

Nina Gaedike fordert mehr Gerechtigkeit bei der Rente

Die Juso-Vorsitzende in NRW findet: „Fair würde heißen: Alle zahlen ein.“

„Was junge Menschen sich wünschen, ist einfach: ins Arbeitsleben starten mit der Gewissheit, dass es ein faires System gibt. Und ohne Angst vor Altersarmut. Fair würde heißen: Alle zahlen gemäß ihrem Einkommen in ein System ein, egal ob Bundestagsabgeordnete, Selbstständige oder Angestellte.

Fair heißt auch: Arbeitgeber übernehmen auch Verantwortung für ihre Beschäftigten und bieten eine betriebliche Altersvorsorge an. Auch hier ist die SPD mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz dran, aber da geht noch mehr. Privat vorsorgen kann man dazu natürlich auch noch, ein allgemeines Rentensystem wird allerdings durch Spekulation mit Aktien nicht sicherer.

,Wir müssen länger arbeiten‘ ist ein Satz, den man aktuell oft hört, jedoch fast nie aus dem Mund von Leuten, die körperlich arbeiten, sei es auf dem Bau oder in der Pflege. Wer – wie die Junge Union – das Renteneintrittsalter an die durchschnittliche Lebenserwartung koppeln will, der nimmt denen ihre Rente, die sich wortwörtlich ,kaputtarbeiten‘ und vielleicht nicht 90 Jahre alt werden.

Es ist richtig, dass Bärbel Bas am Renteneintrittsalter festhält und das Rentenniveau sichert, ohne dass der Rentenbeitragssatz zu stark steigt. Das ist über Beiträge allein nicht zu stemmen, da fließen viele Steuermittel. Und da stelle ich – auch in Richtung Union – die Frage zur Gegenfinanzierung: Warum lassen wir zu, dass Kapitalerträge weiterhin weniger besteuert werden als Arbeit? Warum schonen wir reiche Erbinnen und Erben, während wieder junge und alte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeneinander ausgespielt werden?“

Aufgezeichnet von Matthias Korfmann und Sophie Sommer