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Lehrerin 16 Jahre krankgeschriebenWarum landen Beamte mit Langzeiterkrankung nicht öfter beim Amtsarzt?

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Eine Lehrerin bei der Arbeit (Symbolbild)

Eine Lehrerin bei der Arbeit (Symbolbild). Eine 16 Jahre krankgeschriebene Beamtin hatte eine Debatte ausgelöst.

Eine neue Statistik zeigt, dass viele langzeiterkrankte Beamte in NRW nicht ausreichend amtsärztlich untersucht werden. Kritiker verlangen schnellere Amtsarzttermine.

Ist die Landesregierung zu nachgiebig mit Beamten, die über sechs Monate und manchmal mehrere Jahre nicht zum Dienst erscheinen? Eine neue Statistik des NRW-Innenministeriums zu langzeiterkrankten Staatsdienern lässt aufhorchen: Exakt 2777 Landesbeamte fehlen aktuell mindestens sechs Monate, die Mehrzahl davon (1411) sogar mehr als ein Jahr. Gemessen an der Gesamtzahl von rund 280.000 Landesbeamten erscheint das zwar nicht viel, doch nur bei 55 Prozent der Langzeiterkrankten (1552) kommt es zu einer amtsärztlichen Untersuchung.

FDP kritisiert fehlende Strategie bei Langzeiterkrankungen

FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel, der die Erhebung für den Unterausschuss Personal des Landtags angefordert hat, beklagt eine fehlende Strategie im Umgang mit Langzeiterkrankungen. „Jahrelange Dienstabwesenheit beim Land ist zu oft folgenlos geblieben“, sagte Witzel. Amtsarzttermine müssten deutlich schneller und häufiger absolviert werden. „Gerade hier kann der Steuerzahler eine personelle Verstärkung erwarten, damit Dauerabwesenheit glaubwürdig als notwendig attestiert wird.“

Die Hälfte der Langzeiterkrankungen (1388) entfällt auf das Schulressort. Das ist zwar statistisch erklärbar, weil allein gut 170.000 der Landesbeamten als Lehrkraft arbeiten. Doch gerade hier wird der Ausfall für viele sicht- und spürbar, weil im Zweifel Unterricht gestrichen oder vertreten werden muss.

Fall der kranken Lehrerin erregt öffentliche Aufmerksamkeit

Das Schulressort steht überdies spätestens seit August unter besonderer Beobachtung. Damals hatte der Fall einer seit fast 16 Jahren bei vollen Bezügen krankgeschriebenen Lehrerin des Berufskollegs Wesel bundesweit Empörung hervorgerufen. Die aus Duisburg stammende Frau war zwischen 2003 und 2009 als Lehrerin tätig, meldete sich danach aber dauerhaft krank.

Offenbar genügte es, immer wieder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen eines psychischen Leidens beim Dienstherrn einzureichen. Das soll die Frau aber nicht an einer Nebentätigkeit als Heilpraktikerin gehindert haben. Dabei sind Nebentätigkeiten bei vorliegender Erkrankung zu untersagen, wie der Bericht des Innenministeriums jetzt noch einmal klarstellt.

Völlig überlastete Amtsärzte in Nordrhein-Westfalen

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hatte erklärt, es gebe „keine Hinweise auf ein systemisches Problem, sondern es handelt sich um gravierendes Fehlverhalten innerhalb der Bezirksregierung Düsseldorf“. Gegen die Lehrkraft und den zuständigen Sachbearbeiter bei der Bezirksregierung wurden Disziplinarverfahren eingeleitet.

Eigentlich ist die Rechtslage klar: Fehlt ein Landesbeamter langfristig, muss er in der Regel zum Amtsarzt, um die Dienstunfähigkeit feststellen zu lassen. Es gibt Ausnahmen wie ein klar umrissener Behandlungsplan etwa bei Krebserkrankungen oder eine schwere Verletzung im Dienst, die keine baldige Rückkehr an den Arbeitsplatz erwarten lassen.

Vergleich: Angestellte spüren schnellere Konsequenzen

In der Regel ist jedoch die amtsärztliche Feststellung der Dienstunfähigkeit wichtig, da sie eine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand bei reduzierten Versorgungsbezügen oder eine Teildienstunfähigkeit mit geringerer Bezahlung und gekürzter Pension nach sich ziehen kann. Zum Vergleich: Angestellte im öffentlichen Dienst spüren die Folgen von Langzeiterkrankungen viel früher, weil für sie die Regeln jedes Arbeitnehmers aus der Privatwirtschaft gelten. Nach der sechswöchigen Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers gibt es nur noch Krankengeld von der Kasse.

Allein im Schulbereich wurden nur 772 von 1338 dauerkranken beamteten Lehrern zum Amtsarzt geschickt. Warum? In anderen Geschäftsbereichen der Landesregierung ist man da deutlich strenger. Es könne verschiedene Gründe dafür geben, dass die Prüfung und Durchführung einer Wiedereingliederung bzw. Weiterverwendung in anderer Funktion mehr Zeit in Anspruch nehme als üblich, erklärt das Schulministerium. Zum Beispiel „lange Wartezeiten sowohl auf Termine für amtsärztliche Untersuchungen als auch auf deren Ergebnisse“. Auch rechtliche Schritte der Beamten könnten zu Verzögerungen führen.

FDP-Mann Witzel überzeugt das nicht. Das Land müsse schon aus Gründen der Gerechtigkeit Sorge tragen, dass in jedem Ressort gleich mit Langzeiterkrankten umgegangen werde und eine entsprechende Infrastruktur an Amts- und Vertrauensärzten vorgehalten werde: „Bevor jahrelang auf jede Arbeitsleistung verzichtet wird, sollte verstärkt ein Einsatz bei anderen, leichteren Tätigkeiten erfolgen.“

Kritik aus den eigenen Reihen der Lehrkräfte

Auch in vielen Lehrerkollegien selbst und gerade bei den deutlich weniger privilegierten angestellten Lehrkräften ist immer wieder zu hören, dass sich einzelne Beamte zu Lasten anderer permanent krankmeldeten und der Dienstherr bloß zuschaue.

Von völlig überlasteten Amtsärzten ist derweil hinter vorgehaltener Hand zu hören, dass der Terminvorlauf tatsächlich oft etliche Monate in Anspruch nehme. Beamte, die nicht erscheinen wollen, meldeten sich einfach am Untersuchungstag krank und hätten dann wieder sechs Monate gewonnen bis zum neuen Termin.

Das Schulministerium verspricht: Die Landesregierung werde die jüngsten Debatten zum Anlass nehmen, „zu prüfen, inwieweit die Abläufe und Verfahrensweisen im Umgang mit langzeiterkrankten Beamtinnen und Beamten im Interesse aller Beteiligten optimiert werden können“.