In der Kommunalpolitik stimmen Ehrenamtliche über die Zukunftsthemen der Städte und Gemeinden ab. Was treibt diese Menschen an, sich über Jahre freiwillig zu engagieren? Wir haben mit drei von ihnen gesprochen.
„Politik war meine zweite Familie“Drei Kommunalpolitiker blicken auf ihr Ehrenamt zurück

Kommunalpolitik spielt sich oft in Sitzungssälen wie diesem ab.
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Ein funktionaler Saal, Stuhlreihen mit Tischen, dazwischen Mikrofone: So sehen die Sitzungssäle der politischen Vertretungen in Städten und Gemeinden aus. In den sogenannten Räten, die an diesem Sonntag für fünf Jahre neu gewählt werden, wird alle paar Wochen oft stundenlang getagt. In den Sitzungen wird ein Thema nach dem anderen behandelt, es wird diskutiert und entschieden. Vorher haben sich bereits die Fraktionen und Einzelvertreter sowie die Verwaltung intensiv mit der Materie beschäftigt. Es sind etliche Hundert Seiten an Informationen, die für die verschiedenen Beschlussvorschläge in jeder Sitzung zusammenkommen. Sich durch diese Unterlagen zu wühlen, sie zu lesen und zu verstehen, um mit gutem Gewissen an der Abstimmung teilzunehmen, ist die Aufgabe der gewählten Politiker. Oft sind es im Durchschnitt mehr als 20 Stunden in der Woche, die sie für ihre Tätigkeiten aufwenden – ehrenamtlich, gegen eine nur geringe Aufwandsentschädigung.
„Demokratie lebt vom Mitmachen“
Einer von ihnen ist Daniel Klöpper aus Frechen-Königsdorf. Der 47-Jährige ist Mitglied des Stadtrates. Beruflich verdient er sein Geld als Regionalmanager in einem Versicherungskonzern. Er kommt aus einer politisch interessierten Familie, seine Mutter war früher Landtagsabgeordnete. Zwar fand er in jungen Jahren den Weg zur CDU, er wollte sich aber nie hauptberuflich der Politik widmen. „Demokratie lebt aber vom Mitmachen“, erklärt er seinen Beweggrund für das Engagement im Rat: „Und gerade das Konzept Stadt lebt vom Engagement der Einzelnen vor Ort.“

Daniel Klöpper
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Er gestalte gerne, wolle nicht nur der Kritiker von außen sein, sondern selbst etwas bewegen, sagt er im Gespräch mit der Rundschau. Seit dem Jahr 2009 ist er nun im Rat. Die Politik ist für ihn „eine Art zweite Familie“ geworden. Unzählige Sitzungen, Vorberatungen und interne Auseinandersetzungen hat er hinter sich. „Man muss sich auch durchsetzen können“, gibt er zu Protokoll. Seine ersten Erfahrungen damit hat er direkt zu Beginn seiner Tätigkeit als Volksvertreter gemacht.
Damals ging es darum, dass die Entscheidungsvorlagen nicht mehr auf Papier ausgeliefert, sondern digital zur Verfügung gestellt werden sollten. Es war einer seiner ersten Anträge im Rat. Das Thema Digitalisierung habe ihn stets angetrieben, erzählt Klöpper. Deshalb habe er sich auch für den Ausbau des Glasfasernetzes in Frechen eingesetzt. „Da sah ich durchaus viele Fragezeichen in den Gesichtern der Kolleginnen und Kollegen, auch aus der eigenen Partei“, erinnert er sich: „Ich musste viel Überzeugungsarbeit leisten.“
Es seien ansonsten „viele Kleinigkeiten“ gewesen, die er angestoßen habe, so Klöpper. Dabei sei es ihm immer wichtig gewesen, mit Bürgern im Gespräch zu sein und von ihnen Anregungen für die politische Arbeit mitzunehmen: „Deshalb macht man ja Kommunalpolitik.“
Familie mit Verständnis
Was ihn manchmal genervt habe, seien Sätze wie „Das ist eine Super-Idee, aber das geht gerade nicht.“ Das habe er bei seinen Vorschlägen beispielsweise von der Verwaltung gehört, und es habe ihn zermürbt. Grundsätzliche mache die Gemeindeverwaltung einen guten Job, aber vor allem bei schwierigen Vorgaben von Bundes- oder Landesebene sei es vor Ort zuweilen problematisch, die unterschiedlichen Anforderungen zusammenzubringen.
Seine Frau habe stets Verständnis für ein kommunalpolitisches Engagement gehabt, erzählt Daniel Klöpper. Urlaubspläne hätten sich nach den Terminen der Ratssitzungen richten müssen, für Sitzungen, Gespräche und das Lesen der Unterlagen sei unheimlich viel Zeit nötig gewesen. Künftig wolle er mehr Zeit für Familie und Beruf aufwenden, sagt er, denn er kandidiert nicht erneut für den Rat: „Ich steige nicht aus, weil ich keine Lust mehr habe.“ Mit inzwischen zwei kleinen Kindern könne er sich nicht mehr so zeitintensiv und leidenschaftlich der Politik widmen. Sie werde ihm aber auch fehlen.
Ähnlich geht es Helga Auerswald, die für die SPD im Stadtrat in Gummersbach sitzt. 73 Jahre ist sie alt, ist zusätzlich noch Vize-Bürgermeisterin. Seit mehr als zwei Jahrzehnten vertritt sie ihren Wahlkreis ehrenamtlich, vorher hatte sie sich schon als sogenannte Sachkundige Einwohnerin engagiert. Das „nähere Umfeld“ sei ihr stets wichtig gewesen, berichtet sie. Konkret meint sie damit, dass es ausreichend bezahlbaren Wohnraum gibt und dass neue Quartiere auch eine ordentliche Infrastruktur haben – einen Spielplatz vor Ort beispielsweise und neben Straßen auch gute Fuß- und Radwege. „Deshalb bin ich früh in den Planungsausschuss gegangen“, erzählt sie: „Das war für Frauen in der damaligen Zeit noch ungewöhnlich.“ Als in Gummersbach ein eigenständiges Jugendamt gegründet wurde, widmete sie sich zusätzlich dem Schwerpunkt der Jugendpolitik.

Helga Auerswald veu euber Ausstellung im Rathaus-Foyer
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„Ich bin früh Mutter geworden und habe meinen beruflichen Werdegang unterbrechen müssen, weil Betreuungsmöglichkeiten fehlten“, erinnert sich die frühere kaufmännische Angestellte. Das habe sie auch dazu angetrieben, sich politisch für den Ausbau solcher Angebote einzusetzen. Eine Herausforderung sei es gewesen, als Industriebetriebe die Region verließen und Brachen entstanden sind. Es sei spannend gewesen, die Entwicklung dieser Flächen mit bestimmen zu dürfen.
„Jede und jeder kann etwas bewegen“
„Wer merkt, dass im Ort etwas nicht stimmt, sollte den Hintern hochkriegen und selbst etwas verändern“, wirbt Auerswald für kommunalpolitisches Engagement: „Es ist müßig, immer nur von denen da oben zu sprechen. In einer Demokratie kann jede und jeder etwas bewegen.“ Natürlich habe das viel Zeit gekostet, das Privatleben habe darunter all die Jahre durchaus gelitten: „Die Familie muss sowas mittragen, das ist die wichtigste Voraussetzung für so ein ausuferndes Mandat.“ Oft hätten ihre Angehörigen auf sie verzichten müssen, weil sie auch abends und am Wochenende noch politische Termine zu absolvieren hatte: „Die haben das nur mitgemacht, weil sie wussten, dass das für mich eine Herzenssache war.“ Nun freut sie sich darauf, dass sie freier ihre Urlaube planen und sich mehr Zeit für private Gespräche nehmen kann.
Vor der vergangenen Kommunalwahl im Jahr 2020 hatte sie das eigentlich schon einmal vorgehabt. Ihre Partei, die SPD, habe sie aber gebeten, noch einmal weiterzumachen. Nun seien ihr Mann und sie längst in Rente, das sei der richtige Zeitpunkt für einen Generationswechsel im Rat.
„Ich werde meiner Partei gerne erhalten bleiben“, verspricht sie: „Wenn ich mal Fehler gemacht habe, habe ich daraus gelernt. Ich möchte diese Erfahrungen gerne weitergeben und dabei helfen, dass andere nicht dieselben Fehler machen.“ Langeweile werde bei ihr „ganz bestimmt“ nicht aufkommen. Sie werde sich weiter sozial engagieren, intensiver um Haus und Garten kümmern und endlich Zeit und Muße zum Lesen nehmen: „Wenn man ständig so viele Unterlagen für die Ratsarbeit lesen muss, bleibt nicht so viel Muße für Unterhaltsames.“
Das kennt auch Ralf Unna, der in Köln für die Grünen im Stadtrat sitzt. Bei der Kommunalwahl im Jahr 2010 hatte der heute 58-Jährige erstmals kandidiert, war aber knapp gescheitert. 2011 kam er als Nachrücker in den Rat. Zuvor hatte er sich bereits im Parteivorstand der Grünen engagiert und dort nach eigenen Angaben die erste Kooperation zwischen CDU und Grünen in der Kölner Bezirksvertretung Lindenthal auf den Weg gebracht. So war er später auch im Rat dafür prädestiniert, ein Bündnis der beiden Parteien mit vorzubereiten.
„Reich wird man nicht“
Politischer Schwerpunkt von Ralf Unna ist die Gesundheitspolitik, in der nun zu Ende gehenden Wahlperiode ist er Vorsitzender des entsprechenden Ausschusses im Stadtrat. Das passt eigentlich ganz gut, denn er ist promovierter Arzt – allerdings für Tiere. Gemeinsam mit einer Kollegin betreibt er in der Kölner Südstadt eine florierende Praxis, ist Vizepräsident des Tierschutzverbandes NRW und eben seit 14 Jahren im Stadtrat. Zusätzlich vertritt er ehrenamtlich die Stadtpolitik in den Aufsichtsräten des Zoos und der städtischen Kliniken. Da kam stets einiges an Arbeit zusammen – gegen geringe Aufwandsentschädigungen. „Reich wird man mit kommunalpolitischem Engagement garantiert nicht“, sagt Unna: „Aber wem das nicht passt, der kann ja zurücktreten.“

Ralf Unna, Grüne Köln
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An Sätzen wie diesen merkt man, dass Ralf Unna eine zuweilen sehr deutliche Ausdrucksweise hat – was einerseits als rheinische Frohnatur ausgelegt wird, andererseits eckt er damit aber auch an. Genau deshalb fühlt er sich bei den Grünen wohl, wurde von Parteifreunden schonmal mit dem Kosenamen „Pitbull“ bezeichnet. Heute ist er eher der Meinung, dass sein zuspitzender Stil weniger gefragt ist – mit einer der Gründe, weshalb er nun nicht wieder für ein Mandat kandidiert.
Dabei hat ihm seine standfeste Positionierung genauso wie seine pointierte Ausdrucksweise an vielen Stellen des kommunalpolitischen Engagements durchaus geholfen. Als die städtischen Kliniken vor der Pleite standen, gab es im Rat Politiker, die einen Verkauf prüfen wollten. „Ich bin aber davon überzeugt, dass wir einen gemeinwohlorientierten Komplettversorger in der Stadt brauchen“, führt Unna aus: „Deshalb sehe ich es als meinen größten Erfolg, die Krankenhäuser erhalten zu haben.“ Gleichwohl werden aus Kostengründen nun Standorte zusammengelegt, was der Politik Proteste und ihm persönlich teils heftige Anfeindungen einbrachte.
Weitere Wegmarken seines Engagements waren der frühzeitige Einsatz für einen Drogenkonsumraum in der Kölner Innenstadt oder die Verhinderung einer Station für Rettungshubschrauber im rechtsrheinischen Stadtteil Kalk.
Frustriert ist Ralf Unna, dass es ihm in den Jahren nicht gelungen ist, auf Landesebene erfolgreich für eine Professionalisierung des Kölner Rates zu werben: „Eine Millionenstadt kann man eigentlich nicht wie eine kleine Gemeinde nach Feierabend regieren.“ Seine Idee ist, den Rat auf bis zu ein Drittel zu verkleinern und die Ratsmitglieder ordentlich zu bezahlen.
In der gewonnenen Freizeit will sich Ralf Unna verstärkt um seine Praxis und seine Familie mit vier Kindern kümmern. Politisch bleibt auch er interessiert – aber eher fernab von funktionalen Sälen, unzähligen Unterlagen und zeitraubenden Sitzungen.