Erdogan brüskiert EUTürkischer Staatschef verbannt von der Leyen aufs Sofa

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von der leyen erdogan

Am Katzentisch: Ursula von der Leyen sitzt auf dem Sofa, während Charles Michel und Recep Tayyip Erdogan (rechts) auf den „Gesprächssesseln“ Platz nehmen.

Istanbul – Ursula von der Leyen hebt die Arme, halb überrascht, halb ratlos. „Ähm“, entfährt es der EU-Kommissionspräsidentin in einem Saal des türkischen Präsidentenpalastes. Als Chefin der Exekutive eines der mächtigsten Staatenbündnisse der Welt genießt Leyen bei Besuchen im Ausland normalerweise die höchsten protokollarischen Ehren. In Ankara ist das anders: Nachdem Leyen am Dienstagabend mit Ratspräsident Charles Michel und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan den Saal betritt, nehmen Michel und Erdogan auf weißen Sesseln vor den Fahnen Platz. Für Leyen ist kein Sessel da. Sie muss auf ein Sofa ein paar Meter von den Herren entfernt ausweichen – gegenüber dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu, der protokollarisch deutlich unter ihr steht.

Demütigung war kein Versehen

Die Demütigung für Leyen, per Video festgehalten und von dem deutschen Grünen-Europapolitiker Sergey Lagodinsky verbreitet, war wohl kein Versehen. Andere Europapolitiker wiesen gestern darauf hin, dass Erdogans Treffen mit der Doppelspitze der EU stets im Dreier-Format abliefen, solange Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker im Amt war. Dass in Ankara ausgerechnet die Frau an der Spitze der EU an den Rand gedrängt wurde, gehörte zu den Botschaften der Türkei an Europa. Im Gespräch mit den Gästen aus Brüssel wies Erdogan die Kritik an seinem Ausstieg aus der Europa-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt zurück.

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Als Leyen und Michel vor die Presse traten, verbreiteten sie dennoch Optimismus. Ziel sei ein „positives und für beide Seiten vorteilhaftes Verhältnis zur Türkei“, sagte Michel. Die angedrohten EU-Sanktionen wegen des Gasstreits im Mittelmeer bleiben vorerst in der Schublade – dies könnte sich im Fall neuer Konfrontationen durch die Türkei aber wieder ändern.

Diese sanfte Warnung war das Maximum an Kritik beim ersten persönlichen Gespräch der EU-Führung mit Erdogan seit einem Jahr. Leyen und Michel verzichteten auf Treffen mit Oppositionsvertretern oder Repräsentanten der Zivilgesellschaft. Für Erdogan war der Besuch deshalb ein Erfolg. Selbstbewusst forderte der türkische Präsident von der EU „konkrete Schritte“, um die Beziehungen zu verbessern.

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