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Flugzeug-SchmuggelWie der Iran den Westen austrickst

5 min
Uncredited/AP/dpa

Eine Boeing 777

Seit Jahren kommen die Mullahs wegen Sanktionen nur über kriminelle Umwege an moderne Flieger. Nun landeten fünf Boeing 777 im iranischen Besitz – dank offizieller Papiere aus Madagaskar. Dort fürchten sie nun die Wut von Donald Trump. Eine Spurensuche.

Der Mann, der Madagaskar angeblich zwischen die Fronten im Konflikt der USA mit dem Iran manövriert hat, weist jede Schuld von sich. „Ich war an keiner irregulären Aktivität beteiligt“, behauptet der vor einigen Tagen geschasste Verkehrsminister Valéry Ramonjavelo am Telefon. Mehr könne er aktuell nicht sagen, es laufen Ermittlungen einer Kommission.

Ramonjavelo wurde entlassen, weil er angeblich dem Iran bei der von Sanktionen erschwerten Aufstockung seiner Flugzeugflotte geholfen hat. Die seinem Ministerium unterstehende Luftfahrtbehörde (ACM) hatte im Januar eine vorläufige Registrierung für fünf Boeing-777-Flugzeuge ausgestellt, ihre indischen Besitzer wollten sie den Papieren zufolge in Kenia warten lassen. Stattdessen landeten die Flieger im Iran. Die ACM gab eine für drei Monate gültige Registrierung zu, behauptet aber, dass die Flugzeuge dank einer gefälschten Verlängerung der Papiere in den Iran gelangten.

Irans raffinierte Umgehung der Sanktionen

Die Mullahs haben jedenfalls inmitten des Konflikts mit den USA Flugzeuge eines amerikanischen Konzerns ins Land geschleust. Dort werden sie nun von der privaten Fluggesellschaft „Mahan Air“ betrieben. Ein klassischer Blutdruck-Treiber für US-Präsident Donald Trump.

Bis zur Islamischen Revolution im Jahr 1979 bestand die iranische Flotte fast ausschließlich aus Boeings, billig erworben von Schah Mohammad Reza Pahlavi, damals ein enger Verbündeter der USA. Seit dessen Sturz aber dürfen auch über Umwege keine strategisch wichtigen US-Güter in den Iran gebracht werden. Staaten, die dabei helfen, riskieren laut US-Gesetzen finanzielle und wirtschaftliche Sanktionen.

Sanktionen erschweren den Flugzeugerwerb für Iran

Auch europäische Länder verbieten derart sicherheitsrelevante Exporte. Entsprechend ist der Iran gezwungen, kreative Wege zu finden, um westliche Flugzeuge oder Ersatzteile zu erwerben. Im Jahr 2016 kaufte Iran Air nach der Lockerung der internationalen Sanktionen im Rahmen des Atomabkommens (JCPOA) 100 Flugzeuge des europäischen Konsortiums Airbus. Doch als die USA unter Trump 2018 aus dem Abkommen austraten und neue Sanktionen verhängten, wurden die Lieferungen gestoppt.

Um den Beschränkungen zu entgehen, griff der Iran zu immer raffinierteren Methoden. So wurden mehrere Airbus-Maschinen, die ursprünglich für Usbekistan bestimmt waren, 2022 nach Iran umgeleitet, indem die Transponder abgeschaltet wurden. Auch in anderen Fällen gelang es, Flugzeuge über Drittländer wie China zu erwerben. Und im vergangenen Jahr wurden zwei Airbus A340 über Gambia illegal eingeschleust.

Korruption in höchsten Regierungskreisen Madagaskars?

In einem Büro an einer belebten Straße in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo sitzt ein Mann, der keinen Zweifel daran hat, dass im aktuellen Fall Korruption bis in höchste Regierungskreise stattfand. Der Unternehmer Andry Raobelina besaß einst selbst eine Fluggesellschaft. Dann aber trat er als Berater eines politischen Rivalen von Präsident Andry Rajoelina auf, registrierte sich bei den letzten Wahlen selbst als Kandidat. „Seitdem bin ich meine Lizenz los“, sagt er. Es bleiben ihm seine drei Fernsehsender. Hinter dem Schreibtisch flimmert auf Bildschirmen das Programm.

Früher beantragte er solche Papiere selbst. „Unseren Gesetzen zufolge hätten vorher die Wartungsstätten in Kenia geprüft werden müssen“, sagt er, „das war nicht der Fall, für mich ist Korruption die einzige Erklärung.“ Der Präsident segne schon den Kauf jedes einzelnen Autos für die Regierung ab. „Und da will er nichts von einem so bedeutenden Vorgang gewusst haben? Ich bitte Sie, das ist doch unmöglich.“

Madagaskars fragwürdige Beziehungen zum Iran

Das jährliche Handelsvolumen des zu 90 Prozent von Christen bewohnten Madagaskars mit dem Iran erreicht nicht einmal eine Million Dollar. Umso überraschender erschien es im vergangenen Jahr, als Präsident Rajoelina seinen Vertrauten Joël Randriamandranto nach Teheran schickte, dem Leiter der Organisation, die für die Registrierung von Flugzeugen zuständig ist. In Antananarivo wird gemunkelt, dass sich der US-Auslandsgeheimdienst CIA mit dem Vorgang befasst – und der Frage, ob die Flugzeuge womöglich sogar mit Waffen beladen waren.

Drohende Sanktionen gegen Madagaskar

Schon in den vergangenen Jahren ist die Kritik der Europäischen Union an Madagaskar spürbar schärfer geworden. Vor allem der Ablauf der Präsidentschaftswahl 2023 sorgte für Unmut in Brüssel, die EU-Wahlbeobachter rügten den Missbrauch staatlicher Ressourcen. Auch die mangelhafte Unabhängigkeit der Justiz und der eingeschränkte Raum für zivilgesellschaftliche Akteure wurden zunehmend zum Thema.

Nach Informationen dieser Redaktion drohte die EU intern schon vor dem aktuellen Skandal mit einer Reduzierung der erheblichen Budgethilfe. Eine Stellungnahme der USA steht noch aus. Gerade erst waren die Importzölle für Produkte aus Madagaskar in die USA von den im Februar verkündeten 47 Prozent auf halbwegs erträgliche 15 Prozent reduziert worden. Bis zur Trump-Präsidentschaft exportierte Madagaskar weitgehend zollfrei in die USA.

Korruptionsvorwürfe weiten sich aus

Auch Mialisoa Randriamampianina, Direktorin des madagassischen Büros der Anti-Korruptionsorganisation „Transparency International“, glaubt an eine politische Verwicklung. „Es wurde vor einigen Tagen ein pakistanischer Geschäftsmann verhaftet, der offizieller Berater des Senatspräsidenten war“, sagt sie, „wir haben gemeinsame Fotos der beiden bei offiziellen Terminen vorliegen.“

Die Lieferung der Boeings in den Iran sei „einer der größten Skandale der vergangenen zehn Jahre – aber längst nicht der einzige“. Es habe eine ganze Reihe von Korruptionsfällen gegeben. Im Index der Organisation zur Wahrnehmung von Korruption im öffentlichen Sektor ist das Land auf Rang 142 von 180 untersuchten Ländern abgerutscht. Kürzlich seien zudem ein unliebsamer Journalist und ein Oppositionspolitiker verhaftet worden. „Der Raum für die Zivilgesellschaft sinkt kontinuierlich“, sagt Randriamampianina.

Politische Turbulenzen und oppositionelle Reaktionen

Für die Opposition ist der Fall jedenfalls ein gefundenes Fressen. Im Hauptquartier eines Bündnisses mehrerer Oppositionsparteien in Antananarivo bauen Dutzende Journalisten ihre Kameras vor Madagaskars ehemaligen Präsidenten Marc Ravalomanana auf.

Der Politiker bezichtigt seinen Nachfolger des „Hochverrats“ und der Korruption, „ein Zeichen für tiefere institutionelle Mängel und Korruption auf höchster Ebene“. Zu möglichen Reaktionen aus Washington sagt er gegenüber dieser Redaktion: „Wir hoffen, dass es keine Kollektstrafen gibt, wie etwa eine Anhebung der Importzölle. Sanktionen sollten sich individuell gegen die beteiligten Personen richten.“ Mit Flugzeug-Skandalen kennt er sich bestens aus. Der Erwerb eines sündhaft teuren Präsidentenjets trug im Jahr 2009 zu Unruhen bei – und letztlich seinem Sturz. Der Hersteller der 60-Millionen-Dollar-Maschine: Boeing.