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Kommentar

Genozid-Vorwurf
Wie Israel die Täterrolle zugewiesen wird

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Massive Vorwürfe gegen Israel: Navi Pillay, südafrikanische Juristin, leitete eine vom UN-Menschenrechtsrat bestellte Untersuchungskommission.

Massive Vorwürfe gegen Israel: Navi Pillay, südafrikanische Juristin, leitete eine vom UN-Menschenrechtsrat bestellte Untersuchungskommission.

Ein UN-Bericht wirft Israel Genozid im Gazastreifen vor. Sind die Argumente dafür nachvollziehbar? Und wenn nicht, ist Israel dann entlastet? Anmerkungen zu einer Situation, in der es keine guten Optionen gibt.

Politisches Desaster für Israel: Zwei Jahre nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober haben antiisraelische Inszenierungen das Radrennen Vuelta in Spanien überschattet. EU-Staaten beugen sich den Protesten und debattieren über Strafmaßnahmen gegen das Land, das vor zwei Jahren den größten Massenmord an Juden seit 1945 erleben musste. Der wird in einem vom UN-Menschenrechtsrat bestellten Bericht nur am Rande erwähnt: Man behält sich die Untersuchung der damaligen „Verstöße“ („violations“) vor. Dagegen unterstellt das Papier Israel einen Genozid an Palästinensern. Kurz: Die Mörder des 7. Oktober haben es geschafft, Israel öffentlich die Täterrolle zuzuweisen.

Der UN-Bericht ist von zynischer Einseitigkeit und rückt Zitate etwa von Staatspräsident Jizchak Herzog in einen falschen Zusammenhang. Hauptautorin Navi Pillay agitiert seit vielen Jahren gegen Israel und ist gegenüber dem Verhalten der Hamas blind. Die Terrorgruppe, die bewusst zivile Opfer in Kauf nimmt, kommt in dem Bericht nicht als Akteur vor.

Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht

Nur ist unabhängig davon nicht zu bestreiten, dass Israels Vorgehen häufig gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. Der Internationale Strafgerichtshof braucht keine Genozid-Vorwürfe zu konstruieren, um gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Joav Gallant zu ermitteln.

Bei der aktuell so umstrittenen Offensive gegen Gaza-Stadt ist allerdings einzuräumen, dass es keine wirklich guten Optionen gibt: Lässt man die Hamas-Terroristen davonkommen, dann werden sie erneut nach Kontrolle über das ganze Territorium streben. Rückt man auf die Stadt vor, dann riskiert man eine unverhältnismäßig hohe Zahl ziviler Opfer – und zerstört zwar die militärische Infrastruktur der Hamas, aber noch lange nicht ihre Ideologie.

Die USA haben ihren früher mäßigenden Einfluss auf Israel verloren, und die Europäer müssen sich erst einmal einigen, was sie wollen. Die einzig erfolgversprechende Perspektive böte eine robuste internationale Friedenstruppe. Aber kein westlicher und kein arabischer Staat gibt sich dafür her. Daher wird der Kampf gegen die Hamas Israel weiter prägen, selbst wenn die Wähler Netanjahu – hoffentlich – nächstes Jahr nach Hause schicken sollten. Auch eine gemäßigte Regierung wird immer wieder in Gefahr geraten, bei der Abwehr terroristischer Angriffe gegen die Grundwerte des eigenen demokratischen Rechtsstaats zu verstoßen. Das ist die eigentliche Tragödie Israels.