Interview zur Asylpolitik„Regierung verweigert sich realistischer Politik“

Lesezeit 3 Minuten
Joachim Herrmann steht vor einer blauen Wand.

Joachim Herrmann (CSU), Innenminister von Bayern

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärt im Interview, was sich in der deutschen Asylpolitik ändern muss und wie der Kanzler seiner Meinung nach auf Tauchstation geht.

Herr Herrmann, Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD hat gerade gesagt, dass wir eine bessere Registrierung und Verteilung von Flüchtlingen in Europa brauchen – sonst seien die offenen Binnengrenzen in Gefahr. Ist das der richtige Weg?

So einfach ist es sicher nicht. Das Flüchtlingsproblem lässt sich nicht allein durch eine bessere Verteilung lösen. Was Frau Faeser sagt, ist eine typische Beschönigung, auch wenn eine bessere Verteilung längst überfällig ist.

Was wäre denn notwendig aus Ihrer Sicht?

Alles zum Thema Europäische Union

Wir brauchen lückenlose Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen. Das ist leider derzeit nicht der Fall. Im vergangenen Jahr sind rund zwei Drittel der Asylbewerber zuerst in andere EU-Länder eingereist und von dort aus nach Deutschland gekommen, ohne dass sie zuvor registriert wurden. Das ist völlig indiskutabel. Die Bundesregierung müsste in der EU darauf drängen, aber sie drückt sich darum.

Wie erklären Sie sich die Politik der Ampel-Koalition?

Die Bundesregierung ist aus ideologischen Gründen sehr stur. Ministerin Faeser ist bei diesem Thema ignorant, genauso wie Bundeskanzler Olaf Scholz, der auf Tauchstation geht. Die Regierung verweigert sich einer realistischen Politik.

Was würden solche Kontrollen denn ändern?

Wenn ein Migrant etwa an der türkisch-bulgarischen Grenze ankommt und in Europa Asyl beantragen will, muss das dort an der Grenze geprüft werden. Wird er abgelehnt, muss er zurückgeschickt werden. Genauso in Spanien oder Italien. Nur die, die wirklich schutzberechtigt sind, können in Europa verteilt werden.

Viele Flüchtlinge haben kein Anrecht auf Asyl. Wird das Asylrecht missbraucht?

Mindestens die Hälfte der Menschen, die kommen, haben keinen Asylanspruch. Wir stellen das Asylrecht nicht infrage, denn es hat seine guten Gründe. Aber es muss konsequent durchgezogen werden. Wenn wir die zurückschicken, die zu Unrecht hier sind, könnten wir die Zahl der Asylbewerber auf einen Schlag halbieren.

Aber das ist doch eine Scheindebatte. Denn zwei von drei Abschiebungen scheitern in der Praxis…

Es gibt ja Möglichkeiten, die Herkunftsländer dazu zu bringen, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen. Wenn afrikanische Länder Millionen an Entwicklungshilfe von Deutschland und anderen EU-Staaten bekommen, müssen sie sich auch bei der Rücknahme kooperativ zeigen – sonst gibt es Konsequenzen.

Wäre es besser, wenn Flüchtlinge ihren Wohnsitz frei wählen könnten, statt in Massenunterkünften wohnen zu müssen?

Nein. Denn dann gäbe es schnell eine starke Konzentration auf Großstädte, und diese Kommunen wären dann völlig überlastet. Zudem haben wir in Großstädten eh schon große Probleme mit der Wohnungsversorgung bei der eigenen Bevölkerung.

Rund 40 Prozent der Sozialhilfe gehen an Migranten. In Zeiten klammer Kassen ist auch das ein Thema…

Deutschland zahlt im europäischen Vergleich die höchsten Sozialleistungen an Asylbewerber. Gleichzeitig ist die Neuverschuldung wegen der Energiekrise und des Ukraine-Krieges höher. Wir müssen mal ernsthaft darüber nachdenken, ob wir uns das auf Dauer leisten können. Das ist ein Anziehungseffekt, über den man reden muss.

Rundschau abonnieren