Israel will mit der neuen Militäroffensive die Geiseln freibekommen und die Hamas vollends zerschlagen. Der oberste UN-Menschenrechtler übt Kritik.
Kritik der UNIsraels Armee beginnt neue Großoffensive in Gaza – mehrere Tote

Israels Armee hat die erwartete Großoffensive im Gazastreifen begonnen. (Archivbild)
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Israels Armee hat nach eigenen Angaben die erwartete neue Großoffensive im Gazastreifen eingeleitet. Das teilte das Militär in der Nacht mit. Im Laufe des vergangenen Tages habe die Armee damit begonnen, „umfangreiche Angriffe durchzuführen und Truppen zu mobilisieren, um die operative Kontrolle in Gebieten des Gazastreifens zu erlangen“. Der nun laufende Militäreinsatz unter dem Namen „Gideon’s Chariots“ sei der Auftakt zur „Erreichung der Kriegsziele“ - einschließlich der Freilassung von Geiseln und der Zerschlagung der islamistischen Terrororganisation Hamas, hieß es.
Durch die Angriffe wurden nach palästinensischen Angaben mindestens zehn Menschen getötet. Bei Drohnenangriffen östlich der Stadt Chan Junis im Süden des Palästinensergebiets habe es drei Tote gegeben, teilte die von der radikalislamischen Hamas kontrollierte Zivilschutzbehörde mit. Drei weitere Menschen seien bei einem Angriff auf ein Haus in Dschabalija im Norden des Gazastreifens getötet worden.
Drei Tote habe es auch bei einem Angriff auf eine Wohnung nordwestlich von Chan Junis gegeben, teilte Zivilschutz-Sprecher Mahmud Bassal mit. Bei einem Angriff auf ein Zelt westlich der Stadt sei ein Mensch getötet worden.
Berichte über nächtliche Bombardierungen
Die israelische Nachrichtenseite „Ynet“ berichtete in der Nacht unter Berufung auf Quellen im Gazastreifen von neuen heftigen Explosionen im Norden des abgeriegelten Küstengebiets. Östlich der Stadt Gaza gebe es Berichte über Artilleriebeschuss durch die israelische Armee, hieß es. Demnach würden Wohngebäude bombardiert. Die israelische Regierung hatte jüngst angekündigt, den Militäreinsatz im Gazastreifen ausweiten zu wollen.

Es wird der Einmarsch weiterer Truppen in Gaza erwartet.
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Israelische Medien hatten berichtet, dies solle nach dem Ende der Nahostreise von US-Präsident Donald Trump passieren, sollte bis dahin kein neues Gaza-Abkommen erzielt werden. Inzwischen hat Trump seinen mehrtägigen Besuch in der Golfregion beendet. Ein neuer Deal für Gaza ist weiterhin nicht in Sicht.
UN-Hochkommissar: „Ethnische Säuberung“ im Gazastreifen
Bei den Angriffen der israelischen Armee waren nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza zuletzt rund 100 Menschen ums Leben gekommen. Die Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. „Ynet“ hatte unter Berufung auf Sicherheitsbeamte gemeldet, die Angriffe seien eine Vorbereitung auf den Einmarsch weiterer Truppen.
Der Chef des UN-Menschenrechtsbüros verurteilte Israels neue Offensive mit drastischen Worten. „Es sieht nach einem Vorstoß für eine dauerhafte Bevölkerungsverschiebung in Gaza aus, der das Völkerrecht missachtet und einer ethnischen Säuberung gleichkommt“, sagte Hochkommissar Volker Türk in Genf. Die Bombardements hätten zu weiteren Vertreibungen geführt.

Der Chef des UN-Menschenrechtsbüros verurteilt Israels massive Angriffe im Gazastreifen mit drastischen Worten. (Archivbild)
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Warnung vor Hungersnot in Gaza
Israels neue Militäroffensive dürfte die Notlage der palästinensischen Bevölkerung des dicht besiedelten und nach mehr als anderthalb Jahren Krieg großflächig zerstörten Gazastreifens weiter verschärfen. Die UN und Hilfsorganisationen warnen bereits vor einer Hungersnot. Israel lässt seit Anfang März keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen. Es wirft der Hamas vor, sie weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.
Israels Sicherheitskabinett beschloss zwar kürzlich, künftig wieder Lieferungen nach Gaza zu erlauben, aber mit einem anderen Mechanismus, sodass die Hamas nicht davon profitieren könne. Berichten zufolge sollen Güter nur noch von wenigen Standorten aus verteilt werden. Die UN übten Kritik daran: Zivilisten könnten auf dem Weg zu diesen Verteilungszentren ins Kreuzfeuer geraten.

Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot in Gaza (Archivbild)
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Trump: Gaza sollte „Freiheitszone“ werden
„Gaza ist ein scheußlicher Ort“, sagte US-Präsident Trump dem US-Sender Fox News und erhob erneut Anspruch auf das Küstengebiet. Es sollte eine „Freiheitszone“ werden, sagte er. Bereits Anfang Februar hatte Trump erklärt, die USA könnten Gaza übernehmen, neu aufbauen und in eine „Riviera des Nahen Ostens“ verwandeln. Die mehr als zwei Millionen palästinensischen Bewohner müssten dafür umgesiedelt werden.
Er gehe davon aus, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung den Gazastreifen verlassen würde, wenn entsprechende Ausreisemöglichkeiten bestünden, sagte kürzlich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Israel arbeite derzeit daran, Drittstaaten für eine Aufnahme der Menschen zu gewinnen. Eine Zwangsumsiedlung würde Experten zufolge gegen das Völkerrecht verstoßen.
Seit Beginn des Kriegs vor mehr als eineinhalb Jahren wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 53.100 Palästinenser im Gazastreifen getötet. Auslöser des Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. (dpa, afp)