Drohnenüberflüge, Cyberattacken und Luftraumverletzungen – Russlands Provokationen gegenüber Europa nehmen immer weiter zu.
Russland bedroht EuropaMacron warnt vor „Geheimarmee“ und argumentiert mit Bettwanzenplage

Russische Wehrpflichtige stehen in Simferopol am Sammelpunkt, bevor sie zum Militärdienst aufbrechen. (Symbolbild)
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Der französische Staatschef Emmanuel Macron hat in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eindringlich vor der zunehmenden Gefährdung Europas durch Russland gewarnt. Er bezeichnete Russland neben dem Terrorismus als die „größte strukturelle Bedrohung für die Europäerinnen und Europäer“.
Das Land gefährde die kollektive Sicherheit durch Eingriffe in Wahlkämpfe, Cyberattacken und die Ermordung von Oppositionellen. Zudem setze es Migrationsströme als Druckmittel ein, teste die Luftabwehr europäischer Staaten und habe seine Nukleardoktrin geändert.
Macron: Bettwanzenplage in Frankreich durch Russland fingiert
Laut Macron werde unterschätzt, wie stark die russische Regierung die öffentliche Meinung durch die Verbreitung von Falschinformationen beeinflusse. Als Beispiel nannte er „die Geschichten über eine Bettwanzenplage in Frankreich“. Damit spielt Macron auf ein Problem an, das in Frankreich 2023 zum Politikum wurde und bis heute Thema ist. Damals machten Berichte über eine Bettwanzenplage in Frankreich schnell die Runde, die kleinen Insekten sollten unter anderem Kinos, Züge und die Pariser Métro befallen haben. Untersuchungen zeigten, die Histerie war übertrieben. „Keiner der Fälle, die dort in den vergangenen Tagen gemeldet wurden, hat sich als wirklicher Bettwanzen-Befall bestätigt“, sagte etwa Verkehrsminister Clément Beaune im Oktober 2023.
In der Folge gab es eine Welle von Desinformation und übertriebenen Darstellungen in den sozialen Medien, die von vielen als gezielte russische Destabilisierungsstrategie gegen Frankreich eingestuft wurde. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hätten russische Destabilisierungsversuche in Frankreich zugenommen, sagte der französische Europaminister Jean-Noël Barrot Anfang März 2024. „Unsere offenen Gesellschaften sind anfällig für Informationskriege“, befindet auch Präsident Macron.
Russlands „Geheimarmee“ bereitet Macron Sorgen
„Wir sind naiv, wenn wir verkennen, dass sich die russische Geheimarmee in unseren Demokratien ausbreitet. Sie besteht aus diesen kleinen, gesichtslosen Kriegerinnen und Kriegern, die man digitale Bots nennt“, so Macron weiter. Diese würden die Demokratie in Frankreich, Deutschland und ganz Europa manipulieren.

Generalleutnant Alfons Mais, aufgenommen während eines Interviews mit der in seinem Arbeitszimmer in der Bundeswehr-Kaserne in Strausberg. (Archivbild)
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Ähnliche Worte fand am Mittwoch auch der langjährige Heeres-Inspekteur Alfons Mais. „Wir sind möglicherweise noch nicht in einem Krieg, aber wir sind auch nicht mehr so richtig im Frieden. Das sehen wir durch die hybriden Bedrohungen und die Ereignisse der letzten Tage und Wochen, Drohnenüberflüge, Cyberattacken und Luftraumverletzungen“, sagte Mais der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Da entsteht ein riesiger Handlungsdruck.“
Deutscher Generalleutnant fordert Schnelligkeit bei Aufwuchs der Bundeswehr
Der Generalleutnant, der zum Jahresende in den Ruhestand geht, hat angesichts der Bedrohungslage erhebliche Zweifel an einem ausreichend schnellen Aufwuchs der Bundeswehr mit dem geplanten freiwilligen Wehrdienst. „Angesichts der Lage ist die aktuelle Planung mit Sicherheit kein ‚Game Changer‘ und die Waage neigt sich zunehmend in Richtung eines verpflichtenden Dienstes. Das Gottvertrauen auf genügend Freiwillige wird schon bald nicht mehr ausreichen“, sagte Mais.
Zum Jahresende 2024 gab es rund 181.150 aktive Soldaten in der Bundeswehr. Erklärtes Ziel sind auf Grundlage neuer Nato-Planungen rund 260.000 Männer und Frauen in der stehenden Truppe sowie 200.000 Reservisten, deren Zahl vor allem mit dem neuen Wehrdienst gesteigert werden soll.

Russlands Armee erleidet im Krieg gegen die Ukraine nach wie vor Verluste, deswegen rekrutiert Wladimir Putin immer mehr Männern zum Wehrdienst.
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Der russische Präsident Wladimir Putin hatte in dieser Woche per Dekret die Einberufung von 135.000 Männern zum Wehrdienst angeordnet. Zuletzt ordnete Putin im vergangenen Herbst die Erhöhung der Sollstärke auf 2,4 Millionen Militärangehörige an – davon 1,5 Millionen Soldaten. Wiederholt haben Politiker und Militärs erklärt, ab 2029 könne Russland zu einem Angriff auf Nato-Gebiet gerüstet sein.
Emmanuel Macron weiß um die Militärstärke Russland. Obwohl das Land wirtschaftlich schwächer als Europa sei, seine Bevölkerung schrumpfe und die Industrie wenig innovativ sei, produziere es „viel mehr Waffen, und das auch noch schneller.“ Er fügte hinzu: „Wir befinden uns dauerhaft in einer Konfrontation.“
Auf die Frage, ob er den Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs bei unerlaubtem Eindringen in den europäischen Luftraum befürworten würde, antwortete Macron ausweichend. Gemäß der Doktrin der „strategischen Ambiguität“ könne er sagen, dass „nichts ausgeschlossen ist“, um Kremlchef Wladimir Putin in Unsicherheit zu wiegen. (pst/dpa)