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Trump „offen“ für Tomahawks?Moskau kontert Selenskyj mit Wutanfall – und liefert Vorlage für Wagenknecht

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Wolodymyr Selenskyj während einer Pressekonferenz. Der ukrainische Präsident hat mit Angriffen auf den Kreml in Moskau gedroht. (Archivbild)

Wolodymyr Selenskyj während einer Pressekonferenz. Der ukrainische Präsident hat mit Angriffen auf den Kreml in Moskau gedroht. (Archivbild)

Der Kreml kontert Kyjiw und Nato – und sieht Deutschlands Wirtschaft gefährdet. Wagenknecht äußert sich ähnlich. Selenskyj hofft derweil wohl auf US-Tomahawks. 

Nach der jüngsten Kehrtwende von US-Präsident Donald Trump im Umgang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine hat sich nun auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit deutlichen Worten geäußert – und eine schrille Reaktion aus Moskau damit provoziert. „Sie müssen wissen, wo die Luftschutzbunker sind“, erklärte Selenskyj am Donnerstag der US-Nachrichtenplattform „Axios“ unter Bezug auf Mitarbeiter des Kremls – und drohte damit indirekt mit ukrainischen Luftangriffen auf den russischen Regierungssitz.

Selenskyj äußerte außerdem die Hoffnung, dass sein Land von den USA wirksamere Waffen als bislang erhalten werde, mit denen Russland tief in seinem Territorium angegriffen werden könne. Bei seinem Treffen mit Trump am Dienstag am Rande der UN-Generaldebatte in New York habe er den Wunsch nach solchen Waffen vorgetragen, erklärte Selenskyj.

Moskau reagiert auf Drohung von Wolodymyr Selenskyj

Welche Waffensysteme damit konkret gemeint waren, erklärte der ukrainische Staatschef jedoch nicht. Gleichzeitig entwickelt die Ukraine auch eigene weitreichende Waffen, etwa den Flamingo-Marschflugkörper, der ebenfalls Ziele tief in Russland erreichen könnte und bald in die Massenproduktion gehen soll.

Vor den deutlichen Worten von Selenskyj hatte Trump einen drastischen Kurswechsel vollzogen – zumindest in seiner Rhetorik. Sogar die Rückeroberung aller von Russland besetzten Gebiete halte er für möglich, hatte der US-Präsident am Dienstag erklärt und damit scharfe Reaktionen aus Moskau provoziert. Selenskyjs Äußerungen blieben nun ebenfalls nicht unbemerkt in Russland.

Dmitri Medwedew poltert: „Was der Freak wissen muss“

Bereits kurz nach dem Erscheinen der bedrohlichen Worte aus Kyjiw lieferte der ehemalige Kremlchef Dmitri Medwedew, seit Kriegsbeginn für seine vulgären Wutausbrüche bekannt, eine erboste Reaktion auf der Plattform X ab.

Selenskyj sei ein „Drogenabhängiger“ polterte Medwedew los. „Was der Freak wissen muss, ist, dass Russland Waffen einsetzen kann, vor denen ein Luftschutzbunker keinen Schutz bietet“, schrieb der nunmehrige Vizechef des russischen Sicherheitsrates außerdem und fügte mit Blick auf Trumps Kurswechsel hinzu: „Auch die Amerikaner sollten das im Hinterkopf behalten.“

Kremlsprecher spricht von „unverantwortlicher“ Drohung

Kremlsprecher Dmitri Peskow wies die Drohung Selenskyjs unterdessen am Freitag als „unverantwortlich“ zurück. Der ukrainische Präsident stoße im Zuge seiner „verzweifelten Bemühungen“ ständig Drohungen aus, „was ziemlich unverantwortlich ist“, sagte Peskow bei einer Pressekonferenz in Moskau.

Mit ähnlichen Worten bedachte der Kremlsprecher die Warnung der Nato, dass russische Kampfflugzeuge und Drohnen in Zukunft abgeschossen werden könnten, wenn sie den Luftraum des Verteidigungsbündnisses erneut verletzen, wie es in den letzten Wochen mehrfach bereits der Fall gewesen ist.

Trump bekräftigt seinen Kurswechsel: „Ihre Wirtschaft fährt zur Hölle“

Dafür gebe es keine „überzeugenden Beweise“ behauptete Peskow nun und bezeichnete die Vorwürfe als „haltlos“. Moskau hat in der Vergangenheit jedoch immer wieder bewusste Falschangaben gemacht, angefangen bei der Versicherung, dass kein Angriff auf die Ukraine geplant sei. Wenige Tage nach dieser Behauptung des Kremls rollten russische Panzer über die Grenze. 

Donald Trump am Freitag (26. September) im Weißen Haus.

Donald Trump am Freitag (26. September) im Weißen Haus.

US-Präsident Trump bekräftigte unterdessen seinen Kurswechsel am Donnerstag erneut. „Ich bin sehr unzufrieden mit dem, was Russland und Präsident Putin tun“, sagte der Republikaner zu Reportern im Weißen Haus. „Es gefällt mir überhaupt nicht. Er tötet Menschen ohne jeden Grund“, fügte Trump an und warnte Moskau vor Konsequenzen.

Trumps Kurswechsel: Deutliche Worte, keine neuen Sanktionen

„Wenn man bedenkt, dass sie alles aufs Spiel gesetzt haben, geht es ihnen sehr schlecht. Ihre Wirtschaft fährt zur Hölle. Sie bombardieren alles massiv und gewinnen kaum Territorium“, führte der US-Präsident aus. „Ich denke, das ist sehr schlecht für den Ruf Russlands.“

Konkrete Maßnahmen hat Trump unterdessen auch in den letzten Tagen nicht gegenüber Russland unternommen. Seit seinem Amtsantritt hat der US-Präsident die von seinem Vorgänger Joe Biden verhängten Sanktionen gegen Russland nicht verschärft, gleichzeitig jedoch die Unterstützung für die Ukraine zurückgefahren. Ein klarer Kurs ist in Washington daher auch nun nicht erkennbar.

„Trump hat erkannt, dass Putin ihm keinen Erfolg bringen wird“

In der Ukraine wecken Trumps deutliche Worte jedoch Hoffnungen. So berichtete der britische „Telegraph“, dass der US-Präsident bei einem Gespräch mit Selenskyj in dieser Woche „offen“ für die Idee gewesen sei, der Ukraine amerikanische Tomahawk-Marschflugkörper zu liefern. Mit den weitreichenden Waffen könne Kremlchef Putin an den Verhandlungstisch gezwungen werden, soll Selenskyj demnach gegenüber Trump betont haben. 

„Trump hat erkannt, dass Putin ihm keinen Erfolg bringen wird“, erklärte Selenskyj unterdessen gegenüber Axios mit Blick auf den jüngsten Kurswechsel des US-Präsidenten. „Das amerikanische Volk vertraut Putin nicht. Und die Unterstützung des amerikanischen Volkes ist Trump sehr wichtig“, fügte der Ukrainer an. 

Zweifel an Trumps Kurswechsel bleiben

Trumps Kritiker zeigen sich derweil weniger zuversichtlich. Der US-Präsident habe zwar „seine Worte gegenüber Putin geändert, nicht aber seine Politik“, schrieb etwa Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Russland und Kritiker von Trumps Russland-Politik, auf X. „Bisher hat er weder neue Sanktionen gegen Russland verhängt noch den Kongress aufgefordert, neue Militärhilfe für die Ukraine zu genehmigen“, führte McFaul aus und fügte hinzu: „Ich hoffe, das wird sich ändern. Ich fürchte, das wird nicht der Fall sein.“

Kremlsprecher Peskow kommentierte Trumps aktuellen Kurs unterdessen nicht. Im russischen Staatsfernsehen war derweil zuletzt von „verletzenden“ Äußerungen des US-Präsidenten die Rede gewesen – aber auch die Propagandisten in Moskau zweifeln daran, dass der Kurswechsel in Washington Bestand haben wird. 

Kremlsprecher äußert sich zu deutscher Wirtschaft

Peskow nutzte seinen Auftritt am Freitag unterdessen für eine Botschaft an Deutschland und brachte eine Wiederinbetriebnahme der verbliebenen Nord-Stream-Pipeline ins Spiel. „Der verbleibende Strang der Nord Stream kann jederzeit in Betrieb genommen werden“, erklärte Peskow nach Angaben der Staatsagentur Tass.

Wenn das nicht geschehe, werde die deutsche Wirtschaft „weiterhin leiden“, behauptete der Kremlsprecher, der mit seinen Worten auch auf die deutsche Innenpolitik abgezielt haben dürfte. Dort fordert insbesondere das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) immer wieder die Rückkehr zum Gashandel mit Moskau, ungeachtet des Überfalls auf die Ukraine und russischer Kriegsverbrechen.

Wagenknecht äußert sich ähnlich wie Kremlsprecher Peskow

Bereits kurz nach Peskows jüngster Wortmeldung äußerte sich Parteichefin Sahra Wagenknecht dann auch am Freitag ganz ähnlich wie zuvor der Kreml. „Die Bundesregierung sollte sich dringend dafür einsetzen, dass wir über den verbliebenen Strang der Nord-Stream-Pipeline wieder günstiges Erdgas beziehen, und möglichst auch eine Wiederherstellung der zerstörten Stränge angehen“, schrieb Wagenknecht bei X und machte damit klar, dass sie bereit ist, die russische Staatskasse erneut zufüllen.

Die weitere Unterstützung der Ukraine erklärte Wagenknecht derweil für „bescheuert“, sollte sich bewahrheiten, dass das Land in die Zerstörung der russischen Pipeline nach Deutschland verwickelt gewesen sei. Wie zuvor bereits Peskow warnte schließlich auch die BSW-Chefin vor einem wirtschaftlichen Verfall Deutschlands. „Ohne eine deutliche Senkung der Energiepreise wird die Deindustrialisierung Deutschlands nicht zu stoppen sein“, schrieb Wagenknecht auf X.