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BundeswehrNach 41 Jahren: Warum Messechef Böse wieder als Reservesoldat dient

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Köln, RSK, Gerald Böse, Chef der KölnMesse

Gerald Böse ist Chef der Kölner Messe – und hat seinen Wehrdienst vor vier Jahrzehnten als Gebirgsjäger absolviert.

Die Bundeswehr setzt auf aktive Soldaten – und auf Reservisten. Einer von ihnen ist Kölns Messechef Gerald Böse (63). Er hat sich 41 Jahre nach seiner Bundeswehrzeit als Reservist zurückgemeldet. 

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre mehr als 40 Jahre zurückliegende Bundeswehrzeit, welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gemacht?

Meine Erinnerungen sind wesentlich geprägt durch die Standorte, an denen ich meine zweijährige Dienstzeit absolviert habe. Berchtesgaden, Bad Reichenhall sowie Mittenwald. Ich durchlief beim Gebirgsjägerbataillon 231 die Ausbildung zum Reserveoffizier und verließ die Bundeswehr als Leutnant. Es war ein klassisches Kampfbataillon, allerdings mit dem Einsatzschwerpunkt alpines Gelände. Wir waren zu 80 Prozent in der Natur unterwegs auf Truppenübungsplätzen im Hoch- oder Mittelgebirge. Am Berg, egal, ob im Sommer oder Winter, sind gegenseitige Unterstützung und Kameradschaft essenziell. Diese Einstellung ist bei den Gebirgsjägern besonders präsent, egal, woher man kommt und was man für einen Dienstgrad hat. So habe ich es auch erlebt und an das werde ich mich immer sehr positiv erinnern.

Wie kam es 41 Jahre später zu Ihrem freiwilligen Reservedienst? War das ein Spezialprogramm für Manager oder waren alle gleich, egal aus welchem Berufsumfeld?

Auslöser dafür waren zwei Dinge. Zuallererst die russische Invasion in die Ukraine, zum anderen über den Kontakt zu meinem rotarischen Freund, General Martin Schelleis. Er war Inspekteur der Streitkräftebasis mit Sitz in Bonn zu der Zeit und hielt Vorträge zur neuen Sicherheitslage im Rotary Club, aber auch bei Veranstaltungen in der Kaserne Köln-Wahn. Dabei wurde mir klar, wie ernst die Lage ist und welche enormen Anstrengungen unternommen werden müssen, um unsere Freiheit und Werte verteidigen zu können. Eine Frage lag da nahe: Wie und was kann jede und jeder dazu persönlich beitragen? Was kann ich persönlich beitragen? Wir haben uns zusammengesetzt, Erwartungen und Erfahrungen ausgetauscht und so kam es zu meiner Reserveübung. In meiner vergangenen soldatischen Ausbildung als Gebirgsjäger war ich natürlich nicht mehr verwendungsfähig. Es ging also bei der ersten Übung darum, in kurzer Zeit einen Überblick zu erhalten, was die verschiedenen Truppenteile innerhalb der Streitkräftebasis tun und welche operativen Ziele verfolgt werden. Eine Art „Executive Traineeprogramm“ mit theoretischen Vortragsteilen, aber auch praktischen, militärischen Präsentationen. Ich wurde dem Referat „Innere Führung“ zugeordnet, welches sich sehr professionell um mein Programm gekümmert hat. Zusammen mit fünf weiteren Reservisten und Soldaten haben wir das durchlaufen. Ich wurde sehr herzlich und auf Augenhöhe empfangen, von der Einkleidung bis zu den jeweiligen Ausbildungsstationen.

Wie schauen Sie auf die personellen und finanziellen Herausforderungen der Bundeswehr – vor dem Hintergrund der   veränderten aktuellen politischen Weltlage?

Mit allerhöchstem Respekt vor der Größe und Dringlichkeit der Aufgabe. Die Bundeswehr darf aber damit nicht alleine gelassen werden. Es geht nicht nur um militärische Abschreckung, auch in Zivil- und Katastrophenschutz muss massiv investiert werden. Es ist der Mehrheit der deutschen Bevölkerung noch immer nicht klar, dass Deutschland im Rahmen des Nato-Operationsplans die zentrale logistische Drehscheibe für Truppenbewegungen, Nachschub und Versorgung der potenziellen Verteidigungslinien sein wird. Dafür müssen schnell die Voraussetzungen geschaffen werden. Auf ein verpflichtendes Dienstjahr für Männer und Frauen werden wir mittelfristig nicht verzichten können, um den nötigen Personalbedarf der Streitkräfte auch nur annähernd decken zu können.

Wie schätzen Sie in dem Zusammenhang den Stellenwert von Reservediensten ein?

Enorm hoch. Zu meiner aktiven Zeit Anfang der 80er Jahre gab es mehr als 500.000 Reservisten, die gut ausgebildet waren und jederzeit einberufen werden konnten. Für die müssen jedoch auch Waffen, Ausrüstung und Kasernen da sein und vorgehalten werden. Diese Kapazitäten sind alle abgebaut worden in den letzten zwei Jahrzehnten.

Welche Eigenschaften und welcher Grad an Fitness, denken Sie, sind für einen Reservedienst nötig?

Das kommt ganz auf das Einsatzfeld an. Die Möglichkeiten im Reservedienst sind enorm vielfältig, um entsprechend seinen Fähigkeiten und Voraussetzungen eine passende Verwendung zu erhalten.

Wenn man schon so lange nicht mehr dabei war, wird man vor dem Einsatz untersucht oder muss man einen Fitnesstest absolvieren?

Ich musste vorab eine medizinische Eignungsprüfung machen.

Wie war es mit Auffrischungstrainings bei zentralen Kenntnissen wie Umgang mit Schusswaffen, die ja mutmaßlich andere sind als die, die Sie vom Wehrdienst kennen, mit Erster Hilfe, Bewegen im Gelände, Verhalten bei Gefahrensituationen, korrektes Grüßen? Kannten Sie das alles noch?

In der Tat stand auf meinem Dienstplan auch das Schießen mit Handwaffen. Das wurde aber in einem digitalen Schießstand mit Maschinengewehr auf Lafette gegen Hubschrauber, G36-Gewehr und Pistole gegen Bodenziele geübt. Größe und Gewicht der Waffen, Magazinwechsel sowie die Geräuschkulisse entsprachen jedoch der Realität.

Sie haben ja dann einen Job im Innendienst gemacht. Konnten Sie von zu Hause aus zur Übung fahren oder waren Sie in einer Kaserne untergebracht?

Ich war „Heimschläfer“, so konnte ich abends zu Hause die aufgelaufenen beruflichen Aufgaben des Tages erledigen. Tagsüber haben wir meistens verschiedene Truppenteile besucht – in NRW, aber auch Baden-Württemberg.

Wir alle haben uns an den Frieden in Europa gewöhnt, hätten jedoch spätestens 2014 aufwachen müssen, als Russland die Krim völkerrechtswidrig annektierte.
Gerald Böse

Dienst in einer Armee – das bedeutet auch Bewusstmachung eines möglichen Ernstfalls. Welche Gedanken oder Gefühle ruft das in Ihnen hervor?

Wir alle haben uns an den Frieden in Europa gewöhnt, hätten jedoch spätestens 2014 aufwachen müssen, als Russland die Krim völkerrechtswidrig annektierte. Abschaffung der Wehrpflicht, Rückbau der militärischen Infrastruktur und Ausrüstung, eine pazifistische Grundhaltung der Gesellschaft und der Politik, all das macht die Zeitenwende jetzt umso schwieriger. Die Staatsbürger in Uniform, wie wir sie kannten, waren aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt worden. Es ist jedoch alternativlos, unsere Armee zu ertüchtigen, wenn wir unsere Art zu leben in Europa beibehalten möchten. Deutschland wird nie wieder kriegstreiberisch agieren, aber es muss die Stärke haben, potenzielle Aggressoren abzuschrecken. Sich daran zu beteiligen, egal ob jung oder alt, Mann oder Frau, im aktiven oder freiwilligen Reservedienst, das vermittelt ein gutes Gefühl.

Sie haben Ihren erneuten Einsatz für die Bundeswehr auch als Post in Sozialen Medien geteilt und darin empfohlen, jeder möge über seinen persönlichen Beitrag nachdenken. Wie waren die Reaktionen?

Überwiegend positiv, viele waren überrascht, fragten aber auch, wo man sich informieren kann, wenn man „üben“ möchte.

Nachdem Sie inzwischen zweimal als Reservist im Einsatz waren: Werden Sie weitermachen?

Ich werde weitermachen, bis ich die Altersgrenze erreicht habe.

Was hat Ihnen daran am besten gefallen, was hat Ihnen missfallen?

Imponiert hat mir die Einstellung der Soldaten und Soldatinnen, die trotz vieler Herausforderungen mit hoher Motivation ihren Job machen. Ebenso das Fachwissen und die hohe Qualifizierung bei Spezialaufgaben im In- und Ausland, die von dem damaligen Kommando Streitkräftebasis und nun dem Unterstützungskommando der Bundeswehr übernommen werden.