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Debatte zu Silvester-Krawallen eskaliertCDU will Vornamen der Tatverdächtigen wissen – und sorgt damit für Entsetzen

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Polizeibeamte stehen in der Silvesternacht in Berlin hinter explodierendem Feuerwerk.

Polizeibeamte stehen in der Silvesternacht in Berlin hinter explodierendem Feuerwerk.

Die Berliner CDU-Fraktion will die Vornamen der Silvester-Randalierer wissen. Der Aufschrei ist riesig, die SPD sieht eine „völkisch-rassistische Enthemmungswelle der CDU“.

Auch am fünften Tag des neuen Jahres steht die Aufarbeitung der Silvester-Ausschreitungen in Berlin und in vielen Städten NRWs noch am Anfang. Für Teile des konservativen Lagers scheint allerdings eine Sache ausgemacht: Vor allem die Migranten haben Schuld an den Krawallen.

Mitten in dieser laufenden Debatte sorgt nun ein Fragenkatalog der Berliner CDU im Rahmen der Aufarbeitung der Silvester-Krawalle für Aufsehen. Unter anderem wollen die Christdemokraten erfahren, welche Vornamen die Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit haben – offenbar, um aus den Namen einen möglichen Migrationshintergrund der Männer abzuleiten. Des Weiteren will die CDU-Fraktion im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses auch wissen, ob die tatverdächtigen Deutschen noch andere Staatsangehörigkeiten haben.

Berliner CDU will Vornamen der Silvester-Randalierer wissen

Vertreter anderer Parteien zeigten sich am Donnerstag angesichts dieses Fragenkataloges entsetzt. Teile der Ampelkoalition sehen die CDU angesichts solcher Handlungen auf AfD-Kurs. Innenpolitiker der Fraktionen von SPD, Grünen und Linke warfen der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Populismus vor.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Tom Schreiber, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die CDU lasse ihre Maske fallen und zeige ihren Rechtspopulismus. Vasili Franco von den Grünen pflichtete Schreiber bei und bezichtigte die Berliner CDU, sie würde „rassistischen Ressentiments“ verbreiten.

Politiker verschiedener Parteien angesichts des CDU-Kurses geschockt

Auch auf Twitter löste die Anfrage nach den Vornamen der Tatverdächtigen eine hitzige Debatte aus. Eröffnet hatte diese der innenpolitische Sprecher der Linken, Niklas Schrader, indem er einen Screenshot des Fragenkatalogs veröffentlichte, auf der die Frage nach den Vornamen markiert war.

„Die #CDU hat Fragen für den Innenausschuss zu #Silvester2022 eingereicht und fragt nach den Vornamen der deutschen Tatverdächtigen. Offenbar, um ihnen damit das Deutschsein abzusprechen“, schrieb Schrader am frühen Donnerstagnachmittag zu dem Beitrag.

Wenige Stunden später beherrscht das Thema die Twitter-Trends. Während die Ermittlung der Berliner Polizei weitergeht, ist in der Politik längst ein Streit um die Form der Aufarbeitung entbrannt.

Niklas Schrader kritisiert CDU nach Silvester-Ausschreitungen: „Kocht rassistisches Wahlkampfsüppchen“

In einem Interview mit der „taz“ legt Schrader am Nachmittag nach. Er finde es „schockierend“, wie schnell die Debatte „ins Rassistische gedreht wurde und auf einmal nur noch der Migrationshintergrund im Vordergrund steht. Die CDU hat sich mit ihrem Fragenkatalog an die Spitze gesetzt und kocht ein rassistisches Wahlkampfsüppchen. Sie hat die Methoden der AfD übernommen und betreibt deren Geschäft“, so Schrader, der der CDU vorwirft, gar kein Interesse an einer Aufklärung zu haben.

Die CDU hat sich mit ihrem Fragenkatalog an die Spitze gesetzt und kocht ein rassistisches Wahlkampfsüppchen. Sie hat die Methoden der AfD übernommen und betreibt deren Geschäft.
Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken

Ähnlich sieht das auch SPD-Politiker Helge Lindh. Ihm zufolge stehe Rassifizierung nach Namen in Deutschland in der Tradition der Namenspolitik der Nazis. „Wir werden Zeug*innen einer völkisch-rassistischen Enthemmungswelle der CDU“, so Lindh auf Twitter.

Noch am Mittwoch hatte Innenministerin Nancy Faeser davor gewarnt, in der Debatte rassistische Ressentiments zu schüren. „Wer die notwendige Debatte ausnutzt, um auszugrenzen, löst das Problem nicht, sondern verstärkt es“, so Faeser, die allerdings gleichzeitig von einem „großen Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund“ in deutschen Großstädten sprach.

NRW-Innenminister Herbert Reul warnte angesichts ähnlicher Vorfälle und daraus resultierender Debatten in NRW ebenfalls vor Schnellschüssen. „Wir müssen die Täter ermitteln und dann natürlich auch bestrafen. Aber erst mal ermitteln“, so Reul.

Rassistische Debatte nach Silvesternacht in vollem Gange

Ermittelt wird, die Debatte allerdings ist längst im Gange und wohl nicht mehr aufzuhalten, obwohl längst nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Für den CDU-Vizefraktionsvorsitzenden in NRW Gregor Golland steht jetzt schon fest, dass die Täter „Aggressive, nicht integrierte junge Männer“ seien, „die den Staat und die Gesellschaft ablehnen und einfach nur Lust auf Randale haben“. Ähnlich sieht es offenbar auch die Berliner CDU-Fraktion, behaupten Kritiker angesichts des öffentlich gewordenen Fragenkatalogs.

Nach bisherigen Angaben der Berliner Polizei waren unter den 145 festgenommenen Verdächtigen 45 Deutsche und 17 weitere Nationalitäten, darunter 27 Afghanen und 21 Syrer. 94 der 145 sind jünger als 25 Jahre, 27 minderjährig.

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