Nach jüngsten Attacken auf Justiz und Medien sind die USA so polarisiert, dass Kritiker offenbar Angst haben. Chuck Schumer warnt vor einer Diktatur.
Klima der AngstFührender Demokrat warnt vor „Diktatur“ in den USA nach Trump-Angriff auf Justiz

US-Präsident Donald Trump nach der Trauerfeier für Charlie Kirk
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Nach der Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk ist das politische Klima in den USA so aufgeheizt wie selten zuvor. Das Trump-Lager und seine noch radikaleren Anhänger schieben die Schuld am Attentat auf den Gründer der „Turning Point“-Bewegung Linksradikalen in die Schuhe und behaupten, deren Rhetorik habe zu einer Verrohung der Gesellschaft geführt. Der vielfach gewaltverherrlichende Aktivismus in radikalen rechten Kreisen wird dabei bewusst unter den Tisch gekehrt.
Donald Trump goss zuletzt bei der Trauerfeier für Charlie Kirk am Sonntag in Arizona weiter Öl ins Feuer, indem er den Attentäter als „kaltblütiges Monster“ bezeichnete und sogar entgegen der Worte der Witwe, die dem Mörder vergab, vom „Hass“ auf seine politischen Gegner sprach. Während Kirk mit seinen rassistischen und hetzerischen Thesen, die er gegen Schwarze oder trans Menschen verbreitete, zum Märtyrer stilisiert wird, fährt Trump eine massive Einschüchterungskampagne gegen seine Kritiker.
Das Trump-Lager belässt es aber nicht bei verbalen Angriffen. Missliebige Stimmen sollen zum Schweigen gebracht werden, und der Fall Kirk spielt Trump dabei in die Karten. So wurde die Show von Entertainer Jimmy Kimmel, zu dessen beliebtesten Satire-Zielen Donald Trump gehört, auf Druck des US-Präsidenten abgesetzt. Kimmel hatte genau die Methoden der MAGA-Bewegung (Trump und seine „Make America Great Again“-Anhänger) aufs Korn genommen und in einem Einspieler enthüllt, dass es Trump offenbar wenig um das persönliche Schicksal Kirks ging.
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Trump geht gegen Medien vor und erhöht Druck auf Justiz
Die Absetzung von Kimmel ist beileibe nicht der erste Schlag Trumps gegen kritische Medien. Der US-Präsident schloss Reporter von Pressekonferenzen aus und überzog zuletzt die „New York Times“mit einer Milliardenklage. Die Befürchtung ist, dass Trump die Medienaufsichtsbehörde FCC weiter nutzen wird, um Sender auf Kurs zu bringen. Der Vorsitzende der FCC, Brendan Carr, wurde von Trump nominiert. Die Behörde könnte, so die konkrete Drohung, Lizenzen entziehen.
Nicht nur mit seinem Vorgehen gegen Medien versucht Trump nach Meinung seiner Kritiker, gegen politische Feinde vorzugehen. Zuvor hatte Trump den Druck auf die Justiz erhöht, gegen seine Gegner vorzugehen. In einem Posting in den Sozialen Medien forderte er am Wochenende Justizministerin Pam Bondi auf, Ermittlungen gegen seine politischen Widersacher voranzutreiben.
Er nannte dabei den demokratischen Senator Adam Schiff aus Kalifornien und die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James, gegen die rechtlich vorgegangen werden müsse. Es geht dabei um angeblich gefälschte Hypothekenanträge. „Wir können nicht länger warten, das zerstört unseren Ruf und unsere Glaubwürdigkeit“, schrieb der Präsident. Er führte an, was er offenbar als Untätigkeit gegenüber seinen Kritikern ansieht und nannte dabei auch die Amtsenthebungsverfahren und Anklagen gegen sich. „Wegen nichts“, schrieb er dazu. „Der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden, jetzt!!!“
Der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Repräsentantenhaus Chuck Schumer äußerte sich auf diese aktuellen Entwicklungen hin in ungewöhnlich deutlicher Form und warnte vor einer Diktatur.
Trump verwandele das Justizministerium „in ein Instrument, das seine Feinde verfolgt, egal ob sie schuldig sind oder nicht“, sagte der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, am Sonntag dem Sender CNN: „Das tun Diktaturen.“
Trump setze „die ganze Macht der Regierung, der Medienaufsichtsbehörde FCC und des Justizministeriums ein, um alle seine politischen Feinde zu bestrafen, einzusperren und vom Sender zu nehmen“, sagte der demokratische Senator Chris Murphy aus Connecticut dem Sender ABC. Es handele sich um einen der „gefährlichsten Augenblicke“ in der Geschichte der USA: „Wir verwandeln uns rasch in eine Bananenrepublik“, warnte Murphy.
ZDF-Korrespondentin berichtet von Klima der Angst nach Kirk-Attentat
Auch im Trump-Lager gab es vereinzelt Warnungen, nicht zu weit zu gehen. Nach der vom Präsidenten gefeierten Absetzung der Kimmel-Show und Trumps Drohung mit einem Lizenzentzug meldete sich Senator Ted Cruz von den Republikanern zu Wort: Das Vorgehen erinnere ihn an den Mafia-Film „Der Pate“, sagte er. „Der Mafioso kommt in eine Bar und sagt, ‚Schöne Bar, die Sie hier haben. Es wäre schade, wenn etwas damit passieren würde‘.“ Allerdings ging der Republikaner nicht so weit, Trump selbst zu kritisieren. Stattdessen rügte er Brendan Carr.
Insgesamt herrscht in den USA offenbar unter Anhängern der Demokraten und in liberalen Kreisen teilweise ein Klima der Angst. Dies wurde am Sonntagabend auch im „heute journal“ des ZDF deutlich. Nach einem Berichte der US-Korrespondentin Nicola Albrecht über die bevorstehende Trauerfeier für Charlie Kirk sagte die Journalistin, sie habe versucht, kritische Historiker oder Politikwissenschaftler vor die Kamera zu bekommen.
Es sei ihr nicht gelungen, Interviewpartner zu bekommen, die den Moment der Kirk-Trauerfeier und die Stimmung im Land einordnen, so die ZDF-Reporterin, die aus New York zugeschaltet wurde. „Renommierte Professoren sagen ab, zensieren sich selbst“, wird die 50-Jährige deutlich. „Menschen, die Kirks Thesen scharf kritisiert haben, haben auf Geheiß der Regierung ihren Job verloren“, erklärt Albrecht. Auch im privaten Umfeld bekomme sie mittlerweile auf Fragen nach Kirk die Antwort: „Darüber möchte ich lieber nicht reden.“
Es dominiert in den USA das öffentliche Narrativ des Attentatsopfers als Märtyrer. Selbst der New Yorker Kardinal und frühere Erzbischof von Milwaukee, Timothy Dolan, hatte Kirk in einer TV-Sendung beim Sender Fox mit einem „modernen Heiligen Paulus“ verglichen. „Er war ein Missionar, er ist ein Evangelist, er ist ein Held“, sagte Dolan. (mit afp)