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Ukraine-Gipfel in WashingtonTrump unterbricht Sitzung, um 40 Minuten mit Putin zu telefonieren

5 min
dpatopbilder - 19.08.2025, USA, Washington: US-Präsident Donald Trump (M) nimmt an einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte (l-r), dem britischen Premierminister Keir Starmer, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der finnische Präsident Alexander Stubb, Italiens Premierministerin Giorgia Meloni, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, im Weißen Hauses teil. Foto: Alex Brandon/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

US-Präsident Donald Trump (M) nimmt an einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte (l-r), dem britischen Premierminister Keir Starmer, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der finnische Präsident Alexander Stubb, Italiens Premierministerin Giorgia Meloni, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, im Weißen Hauses teil.

Dann nahm plötzlich doch wieder Donald Trump das Heft des Handelns in die Hand.

Dieses Mal war Wolodymyr Selenskyj auf alles vorbereitet. Noch während der Begrüßung in dem mit goldenem Tand überladenen Oval Office sagte der ukrainische Präsident ein Dutzend Mal „Thank you“. Dann überreichte er dem Gastgeber einen Brief seiner Ehefrau für die First Lady Melania Trump. Vor allem hatte er sich eine blazerähnliche schwarze Jacke angezogen.

Geduldig ließ der Gast eine halbstündigen Suada des US-Präsidenten über den  „korrupten Joe Biden“, die amerikanischen Briefwahlen und Restaurant-Besuche in Washington über sich ergehen. Selbst auf das sarkastische Lob des rechten Pseudo-Reporters Brian Glenn für sein elegantes Outfit war Selenskyj gefasst: „Sie haben denselben Anzug an wie letztes Mal. Ich habe ihn gewechselt“, konterte er. Da musste Trump kräftig lachen.

Trump beeindruckt von „so vielen europäischen Anführern zur selben Zeit“

Damit war der Ton gesetzt für eine Begegnung, die ganz anders verlief als der letzte Besuch vor einem halben Jahr, der mit dem Rauswurf des angeblich respektlosen Ukrainers endete. Auch um die Wiederholung eines solchen Eklats zu verhindern, waren gemeinsam mit Selenskyj die Regierungschefs von Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien und Italien sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Mark Rutte angereist, was Donald Trump sichtlich beeindruckte: „Noch nie waren hier so viele europäische Anführer zur selben Zeit“, postete er in seinem Online-Dienst.

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Das Ziel der eilig organisierten diplomatischen Großoffensive von der anderen Seite des Atlantiks war klar: Die verheerenden Bilder des Alaska-Gipfels zu kontern, wo Trump vor vier Tagen Kreml-Chef Wladimir Putin den roten Teppich ausgerollt hatte, und zu verhindern, dass Täter und Opfer des Ukrainekrieges in der Darstellung des US-Präsidenten weiter vertauscht werden. Die Bemühungen um Frieden in der Ukraine sollten vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

Trump spricht von einem „sehr erfolgreichen Tag“

Das ist kein einfaches Unterfangen bei Trump, der offensichtlich von Putin fasziniert ist und noch am Montagmorgen gepostet hatte, der Ukrainer Selenskyj könne „den Krieg mit Russland jederzeit beenden“. Doch nach fünf intensiven und streckenweise chaotischen Stunden im Weißen Haus zeigten sich die Teilnehmer am Montagabend hochzufrieden. „Ich hatte ein sehr gutes Treffen mit angesehenen Gästen“, berichtete Trump. „Das war ein sehr erfolgreicher Tag“, schwärmte Nato-Chef Rutte: „Präsident Trump ist ein pragmatischer Friedensstifter.“

US-Präsident Donald Trump (r), Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, und Wolodymyr Selenskyj (vorne), Präsident der Ukraine, sprechen bei einem Treffen im Weißen Haus.

US-Präsident Donald Trump (r), Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, und Wolodymyr Selenskyj (vorne), Präsident der Ukraine, sprechen bei einem Treffen im Weißen Haus.

Der dank seines sauerländischen Naturells etwas nüchternere Kanzler Friedrich Merz sprach von „sehr intensiven Beratungen“ in „guter, sehr konstruktiver Atmosphäre“ und setzte hinzu: „Das hätte auch anders laufen können.“ Seine Berater hatten durchblicken lassen, dass Merz die Szenen in Alaska schwer erträglich fand. Auch fürchtete der Kanzler, dass sich Trump von Putin an der Nase herumführen lässt. Nun aber sagte er: „Meine Erwartungen sind übertroffen worden.“

Trump übertrifft Erwartungen aus Europa

Vergessen schienen in diesem Moment die Zweifel, ob man Trump mit Schmeicheleien und homöopathisch verabreichten Wahrheiten tatsächlich wieder auf einen gemeinsamen westlichen Kurs lenken kann. Vor dem Besuch in Washington hatten die europäischen Politiker eine Strategie verabredet, die auf die Betonung des humanitären Leids im Krieg setzt und die Debatte über mögliche Gebietsabtretungen der Ukraine auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt.

Ihren Auftritt im East Room des Weißen Hauses, wo sie gemeinsam mit Trump um einen großen Holztisch mit blau-gelben Blumengestecken saßen, hatten die Europäer vorher genau durchchoreographiert. Rutte und von der Leyen überschlugen sich in Lobeshymnen auf den Präsidenten, während Merz und der französische Präsident Emmanuel Macron höflich ihre Skepsis gegenüber Trumps Plan zum Ausdruck brachten, einen Friedensschluss ohne vorhergehenden Waffenstillstand zu verhandeln. Der Einwand schien den Präsidenten freilich nicht sonderlich zu interessieren.

Trump unterbricht Sitzung, um mit Putin zu telefonieren

Gut zwei Stunden wurde vor allem über Sicherheitsgarantien gesprochen, die Selenskyj als vorrangig für einen Frieden mit Russland bezeichnete. Lange hatte Trump ein Engagement der USA dafür abgelehnt. Doch zuletzt hatte Washington ein Nato-ähnliches Schutzversprechen angeboten. Die Details sind unklar - ähnlich wie die künftige Bewaffnung der Ukraine, die Luftabwehr, die Überwachung eines möglichen Friedensabkommens und die Präsenz europäischer oder amerikanischer Soldaten. Innerhalb von zwei Wochen, so wurde vereinbart, soll eine Task-Force von europäischen Sicherheitsberatern zusammen mit US-Außenminister Marco Rubio ein Konzept erarbeiten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht im Lafayette Park nach einem Treffen mit US-Präsident Trump und europäischen Staats- und Regierungschefs.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht im Lafayette Park nach einem Treffen mit US-Präsident Trump und europäischen Staats- und Regierungschefs.

Dann nahm plötzlich doch wieder Donald Trump das Heft des Handelns in die Hand. Gegen 17 Uhr unterbrach er die Sitzung, um Kreml-Chef Putin anzurufen und zu informieren. Rund 40 Minuten soll das Telefonat gedauert haben. Anschließend bat der US-Präsident die Europäer ins Oval Office und teilte ihnen mit, dass er statt des zuvor diskutierten Dreiertreffens in den nächsten zwei Wochen nun zunächst ein Zweiertreffen von Selenskyj und Putin anstrebe. Erst bei einer weiteren Gipfelbegegnung wolle er dann dazustoßen. Ob Putin in diesen Plan einwilligt, war zunächst unklar. Selenskyj erklärte am Abend: „Wir sind bereit, in jedem Format zu reden.“

Ukraine-Krieg: Das größte Hindernis auf dem Weg zum Frieden

Das größte Hindernis auf dem Weg zum Frieden dürfte die russische Forderung nach territorialen Zugeständnissen der Ukraine sein. In Alaska hatte Putin seinen Anspruch auf den gesamten rohstoffreichen Donbass im Osten des überfallenen Landes angemeldet. Trump hatte mehrfach über einen „Gebietstausch“ gesprochen. „Das wäre, als wenn die USA auf Florida verzichten müsste“, übersetzte Merz das Ansinnen in die Vorstellungswelt des US-Präsidenten. Der Kanzler betonte, dass über Territorialfragen nur die Ukraine selbst entscheiden könne.

Der guten Laune von Trump tat das keinen Abbruch. Am Abend postete das Weiße Haus auf der Plattform X einen Videofilm und mehrere Fotos von dem ungewöhnlichen Gipfeltreffen, das dem Präsidenten offensichtlich gefallen hatte. „Szenen aus dem Oval Office von einem historischen Tag“ stand darüber.

Am Freitag Schulterklopfen mit Putin, am Montag freundschaftliche Stimmung mit Selenskyj und seinen Unterstützern - die Bilder wollen nicht zusammenpassen. Entsprechend groß bleibt trotz aller offiziellen Erfolgsmeldungen im Lager der Europäer die Ungewissheit über Trumps weiteren Kurs im Ukraine-Krieg. „Es gibt große Widersprüchlichkeiten zwischen den Botschaften von Alaska und denen von Washington“, sagte ein hochrangiger deutscher Regierungsbeamter: „Und der Präsident ist in der Lage, beide zu vertreten.“