ArtenschutzprojektWie in Meckenheim ein graziler Falter geschützt werden soll

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Seine liebste Futterpflanze, der Große Wiesenknopf, hat dem grazilen Wiesenknopf-Ameisenbläuling den Namen gegeben. 

Seine liebste Futterpflanze, der Große Wiesenknopf, hat dem grazilen Wiesenknopf-Ameisenbläuling den Namen gegeben. 

Meckenheim – Wenn er auf dem dunkelroten Blütenköpfchen seiner Futterpflanze, dem Großen Wiesenknopf sitzt, dann wird der grazile Falter geradezu zum Akrobaten: Kopfüber hängt er an den tütenförmigen Einzelblüten, schlürft Nektar oder hält in luftiger Höhe Ausschau nach einem Partner. Sobald Ende Juni die Flugzeit der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge beginnt, suchen sie zielstrebig nach ihrer Wirtspflanze, wie Steffen Steenken von der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis im Ausschuss für Klimaschutz und Umwelt der Stadt Meckenheim anschaulich erläuterte.

Kenntnisreich berichtete der Biologe über die Arbeit der Biostation und das Artenschutzprojekt mit dem Titel „Ameisen-Bläulinge im Kernvorkommen von Nordrhein-Westfalen – Populationsstärkung und Lebensraumerweiterung“, für das er verantwortlich zeichnet. Der Fachmann betonte die große Bedeutung der Wirtspflanze Wiesenknopf, die für den Bläuling nicht nur Nektarquelle ist, sondern Balz- und Schlafplatz sowie zur Eiablage dient. Gemeinsam mit der Rotgelben Knotenameise sei die Staude, die übrigens „Blume des Jahres 2021“ ist, unentbehrlich für das manchmal nur wenige Tage währende Falterleben, so Steenken.

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Das Projekt

Anfang Mai 2020 startete das Artenschutzprojekt mit dem Titel „Ameisen-Bläulinge im Kernvorkommen von Nordrhein-Westfalen – Populationsstärkung und Lebensraumerweiterung“. Die Ziele sind der Erhalt und die Förderung der nordrhein-westfälischen Kernvorkommen des Hellen und des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings im Rhein-Sieg-Kreis und dem Kreis Euskirchen. Der Bestand beider Schmetterlingsarten wurde beträchtlich reduziert, da sie wegen ihres hoch spezialisierten Lebenswandels sehr empfindlich auf Veränderungen ihrer Lebenswelt reagieren. Aktuell sind die beiden Arten des Ameisenbläulings fast nur noch im äußersten Süden von NRW im Grenzbereich zu Rheinland-Pfalz zu finden.

Um den Rückgang der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge aufzuhalten, hat die Nordrhein-Westfalen-Stiftung zunächst bis Mitte 2023 insgesamt 286 000 Euro bereitgestellt. Die Umsetzung des Projektes liegt bei der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis, unterstützt wird sie dabei von der Biologischen Station im Kreis Euskirchen. (gvt)

Die Biologische Station

Im Juli 2003 hat der Verein Biologische Station im Rhein-Sieg-Kreis seine Arbeit aufgenommen, seit 2005 ist der Standort in Eitorf. Er ist eine Einrichtung an der Schnittstelle von amtlichem und ehrenamtlichem Naturschutz im Rhein-Sieg-Kreis und gehört zum Netzwerk Biologischer Stationen in NRW. Zu den Aufgaben zählt die Betreuung von Schutzgebieten, die Erfassung von Grundlagendaten zum Vorkommen von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen, praktische Biotoppflege, Artenschutz und die Beratung von Landwirten, Bürgern und Behörden.

Die Station ist selbst landwirtschaftlicher Betrieb und pflegt mit Schafen Grünlandbiotope. Ein Schwerpunkt liegt auf Erhalt, Pflege und Nutzung von Streuobstwiesen. So hat die Biostation auf einer als Ausgleichsfläche der Stadt Meckenheim errichteten Streuobstwiese (Sortengarten Meckenheim-Merl) die Pflege übernommen. Ein weiteres Tätigkeitsfeld in der Apfelstadt ist das Projekt zum Erhalt von artenreichem Grünland (Bläulingswiesen) sowie Umweltpädagogik mit Schulklassen. Die Station wird zu 80 Prozent vom Land, zu 20 Prozent vom Kreis finanziert. (gvt)

Auf den Wiesen von Meckenheim ist der Schmetterling, der früher dort heimisch war, seit langem nicht mehr gesichtet worden. Das soll sich jetzt ändern. Betraut mit der Wiederansiedlung des schmucken Insekts, dessen Männchen sich, wie der Name andeutet, durch eine blaue Färbung seiner Flügeloberseiten auszeichnen, ist Steffen Steenken. Seit einem Jahr streift der für Erhaltungsmaßnahmen zuständige Biologe mit Teleobjektiv, Fernglas, Sonnenhut und Schreibutensilien durch den rechts- und linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Auf den Wiesen zählt der 33-Jährige die Falter, überprüft die Wiesenknopfbestände sowie die Vorkommen der Rotgelben Knotenameisen, in deren Erdbau die Raupe des Ameisenbläulings überwintert und sich verpuppt, bevor sie zum Schmetterling wird.

Dieses Phänomen, bei dem sich die Raupe in die Hand des Feindes begibt, auf dessen Speiseplan Larven aller Art ganz oben stehen, ist ein biologisches Kuriosum. Erklärt wird es von Fachleuten mit einem Drüsensekret, das dafür sorgt, dass die Raupe von den Ameisen gepflegt und nicht gefressen wird.

Genau 23 Bläulingsarten gab es früher in NRW, sieben gelten inzwischen als verschollen oder ausgestorben, 14 sind gefährdet. Im Rechtsrheinischen habe er die dunkle und die helle Art kartografiert, im Linksrheinischen gehe es primär um die Wiederansiedlung des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings, der bisher nur zwischen Gelsdorf und Kalenborn, dem Quellgebiet der Swist, gesichtet wurde, so der Fachmann. Um diesem Bläulingeinen Wegzurück auf die Flächen unterhalb der Tomburg zu bereiten, bedarf es zusätzlich zu der Pflege der städtischen Grünflächen eines Rückschnitts der Wegränder. Diese soll der Schmetterling in Zukunft als Wanderkorridore benutzen, um zu den im FFH-Gebiet verstreut liegenden Feuchtwiesen zu gelangen. „Durch kluge Schnittintervalle wollen wir den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling wieder reetablieren“, bekräftigte Steenken bei einem Ortstermin in der Nähe von Altendorf-Ersdorf. Das Areal hat die Biologische Station von der Stadt Meckenheim gepachtet.

Der Biologe freut sich, dass die Stadt zwei Wiesen für die Wiederansiedlung des Schmetterlings zur Verfügung stellt, sagt er: „Der Bläuling ist eine Bereicherung für diese strukturreiche Landschaft, er gehört einfach mit dazu.“ Die etwa 0,8 Hektar große Fläche mit der Flurbezeichnung „Ober der Schwarzmaar“ liegt zwischen dem Ersdorfer Bach und der Grenze zu Rheinland-Pfalz im FFH-Gebiet „Eifelfuß“. Mit dem Zustand der offenen und etwas feuchten Wiese, die umgeben ist von alten Birkenbeständen und Eichen, Zitterpappeln und Buchen, zeigt sich Steffen Steenken zufrieden. Schließlich wächst dort sowohl der für den Bläuling unentbehrliche Wiesenknopf als auch Herbstzeitlosen, Orchideen und die kümmelblättrige Silge, die ebenfalls als Qualitätsmerkmal einer artenreichen Glatthaferwiese gilt. Damit sich der seltene Falter auch hier wieder ansiedelt, ist es nötig, die Bewirtschaftung der Fläche an den Blührhythmus des Wiesenknopfes anzupassen. Das bedeutet, dass der erste Schnitt im Mai abgeschlossen sein muss, damit sich die Wiesenknopf-Pflanze gegen andere Gräser durchsetzen und im späteren Verlauf des Sommers entwickeln kann. Gleiches gilt für die Wirtschaftswege, die von Altendorf-Ersdorf Richtung Wald führen sowie deren Querverbindungen. Auf diese Weise könne dem Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling ein durchgängiges Angebot seiner bevorzugten Nektarpflanzen während der etwa einmonatigen Flugzeit im Hochsommer geboten werden, erklärte Steenken.

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Und warum ist die Wiederansiedlung des seltenen Falters so erstrebenswert? „Schützen wir den Lebensraum des Wiesenknopf-Ameisenbläulings, die artenreiche Glatthaferwiese, profitieren davon auch andere Insekten“, betont Steenken. Ziel des breit angelegten Umweltschutzvorhabens, das sich über die als Natura 2000-Gebiet definierten Wiesen unterhalb der Tomburg erstreckt, sei letztendlich der Aufbau eines widerstandsfähigen Netzwerks.

Meckenheims Technischer Beigeordneter Heinz-Peter Witt sicherte Steenken die Unterstützung der Stadt zu. „Wir werden die Flächen so bearbeiten, wie es für Ihr Projekt richtig ist.“ Außerdem sei es möglich, die Pflege der Gräben, zu der auch Fräsarbeiten gehören, zu alternieren. Wichtig sei, den Wasserfluss weiterhin zu gewährleisten. Von Bedeutung sei ebenfalls ein vernünftiger Heckenschnitt zur Vermeidung von Verbuschung, erläuterte Steenken. „Ist die Beschattung zu stark, zieht sich der Ameisenbläuling zurück.“

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