Die Stadt Bornheim verpflichtet sich, assistenzhundefreundlich zu sein. Der Besuch einer Blinden aus Köln mit Hund Rainer offenbarte noch einige Verbesserungsmöglichkeiten.
SelbstverpflichtungBornheim wird zur „assistenzhundefreundlichen Kommune“
Marisa Sommer, 2. Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Köln, sagt es geradeheraus. „Der Weg von der Bushaltestelle zum Rathaus in Roisdorf ist nicht blindengerecht ausgestattet und dadurch sehr unsicher“, kritisiert die 62-Jährige. Mit ihrem Lebensgefährten Erwin Diekmann war sie aus einem wichtigen Grund nach Bornheim gekommen: Sich stark zu machen für die bundesweite Initiative „assistenzhundefreundliche Kommune“, der sich die Stadt Bornheim angeschlossen hat als weiteren Baustein für mehr Inklusion und Barrierefreiheit zu setzen.
Auch Marisa Sommer vertraut auf ihren Assistenzhund: Königspudel Rainer weicht nicht von ihrer Seite. Im Rhein-Sieg-Kreis ist Bornheim neben der Kreisstadt Siegburg und der Gemeinde Swisttal erst die zweite Kommune, die sich dieser Kampagne des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales angeschlossen hat. Bürgermeister Christoph Becker, der die Kölnerin am Rathaus empfangen hatte, musste zugeben: „Wir haben in Sachen Barrierefreiheit in unserer Stadt schon eine Menge erledigt, doch es liegt noch einiges im Argen.“
Becker konnte sich die Bemerkung „zum Glück sind Sie nicht am Bahnhof Roisdorf ausgestiegen“ nicht verkneifen. Er spielte damit auf das marode Bahnhofsumfeld an, das bekanntlich alles andere als behindertengerecht ausgestattet ist. Der barrierefreie Ausbau von Seiten der Deutschen Bahn lässt seit Jahren auf sich warten.
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Hintergrund: Zwar gibt es eine assistenzhundefreundliche Gesetzeslage, dennoch wird vielen Menschen mit ihrem tierischen Helfer in öffentlichen Einrichtungen wie Museen, Restaurants, Geschäften, Arztpraxen oder Kliniken der Zugang verwehrt und auf das generelle Hundeverbot hingewiesen. Doch als Faustregel gilt: Assistenzhunde müssen auch bei einem generellen Hundeverbot überall dort eingelassen werden, wo Menschen in Straßenkleidung Zutritt haben, so ist es in der Behindertenrechtskonvention der UN verankert. Dennoch ist dies vielen Leuten nicht bewusst oder bekannt. Das soll die Zutrittskampagne des Bundes ändern.
Unterstützt wird dies von der gemeinnützigen Organisation „Pfotenpiloten“ mit Sitz in Frankfurt. Die „Allianz für Assistenzhunde“, wie sie sich nennt, setzt sich dafür ein, dass Menschen mit einer chronischen Beeinträchtigung mithilfe eines gut ausgebildeten Assistenzhundes neu durchstarten können. Zur Bornheimer Beteiligung sagte Marisa Sommer: „Das ist ein tolles Zeichen, dass wir hier mit unseren Hunden willkommen sind, denn wir gehören in die Mitte der Gesellschaft und nicht an den Rand.“
Die Voraussetzungen: Städte und Landkreise werden zur „assistenzhundefreundlichen Kommune“, indem sie sich dazu offiziell erklären. Als erstes Zeichen brachte Bürgermeister Becker daher mit Sozialdezernentin Alice von Bülow und Mitarbeiterinnen des Sozialamtes an der Rathaustür einen entsprechenden Aufkleber an. Das Personal im Rathaus wird entsprechend über die Zutrittsrechte aufgeklärt und Hundeverbote in den Hausordnungen durch den Zusatz „außer Assistenzhunde“ ergänzt.
Aufgaben von Assistenzhunden: Als sogenannte Mensch-Hund-Teams unterstützen die Vierbeiner lebenslang die betroffenen Menschen. Sozialamtsmitarbeiter Christoph Janicke (40), der aufgrund einer Multiple-Sklerose-Erkrankung seit einigen Jahren im Rollstuhl sitzt, schilderte dies an einigen alltäglichen Beispielen. Seine fünfjährige Labrador-Retriever-Hündin Cleo bringt ihm beispielsweise sein Handy, wenn es ihm auf den Boden gefallen ist, hilft ihm beim Sockenausziehen oder reicht ihm seine Schuhe.
Marisa Sommers Pudelrüde hilft ihr, sicher Höhenhindernisse oder Abgründe zu bewältigen, die sie mit ihrem Blindenstock nicht ertasten kann. Hund Rainer bleibt auch an Ampeln oder Zebrastreifen stehen oder „warnt“ sie vor herumliegenden E-Scootern auf dem Gehweg: „Er würde nie gehen, wenn ein Auto käme. Mit ihm zusammen erlebe ich eine ganz andere Freiheit.“ Offiziell werden Assistenzhunde als Hilfsmittel gesehen, oder wie es Marisa Sommer formuliert: „Mein Hund ist eine Mobilitätshilfe, wie es ein Rollstuhl für einen Querschnittsgelähmten ist.“
Die Tiere können aber auch warnen, wenn „ihr“ Mensch in Not gerät, etwa plötzlich gesundheitliche Probleme bekommt, Medikamente oder einen Arzt benötigt. Obwohl sie als Hilfsmittel gelten, werden bislang nur Blindenführhunde von den Krankenkassen oder anderen Trägern finanziert.
Arten von Assistenzhunden: Neben dem Blindenführhund gibt es sogenannte Signalhunde für gehörlose Menschen, Assistenzhunde bei eingeschränkter Mobilität, etwa bei Menschen, die im Rollstuhl sitzen, medizinische Warnhunde bei Epilepsie, Narkolepsie, Diabetes, Allergien und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie bei posttraumatischen Belastungsstörungen.
Woran sind Assistenzhunde zu erkennen? In der Regel sind die Tiere an einer speziell gekennzeichneten Decke oder einem Halstuch mit der Aufschrift „Assistenzhund“ zu erkennen. Blindenführhunde haben ein weißes Führgeschirr. Halter sollten außerdem einen Nachweis bei sich tragen, weshalb sie einen Assistenzhund haben oder eine Bestätigung, dass sie eine Hunde-Ausbildung gemacht haben.
Ausbildung der Tiere: Über entsprechende Züchter werden Tier und Mensch zusammengebracht, und es wird ausprobiert, ob die „Chemie“ zwischen den Partnern stimmt. Hundetrainer bilden geeignete Tiere bereits als Welpen aus, nach anderthalb Jahren erfolgen ein Gesundheitscheck und ein Wesenstest. Danach erlernen die Hunde die spezifischen Assistenzleistungen.