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Streit um zweites ImpfzentrumLinksrheinische Kommunen bitten Landrat um Unterstützung

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Die ehemaligen Räume des Jugendamtes im Ruhrfeld stehen sofort zur Verfügung, sagt Bürgermeister Holger Jung.

Rhein-Sieg-Kreis – Ein Schulterschluss über Parteigrenzen hinweg: Die Bürgermeister der sechs linksrheinischen Kommunen haben Landrat Sebastian Schuster in einem Schreiben „um dringende Unterstützung beim Aufbau von Impfkapazitäten im linksrheinischen Kreisgebiet“ gebeten. Die Verwaltungschefs haben auch einen Vorschlag parat, wo schnell und unkompliziert eine zweite Impfmöglichkeit neben der Asklepios Kinderklinik Sankt Augustin geschaffen werden könnte: In den ehemaligen Räumen des Jugendamtes und dem Sitzungssaal der Stadt im Meckenheimer Ruhrfeld.

Bürgermeister Holger Jung stellte die Räume gestern noch mal vor. Was Schuster allerdings ebenfalls am Freitag in seiner digitalen Corona-Pressekonferenz gesagt hat, dürfte den Bürgermeistern nicht recht behagen: Denn Landrat Sebastian Schuster hat Forderungen nach dem möglichst schnellen Aufbau eines zweiten Corona-Impfzentrums im linksrheinischen Kreisgebiet eine klare Absage erteilt. „Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.“

„Für uns im Linksrheinischen ist das wesentlich“, hatte Holger Jung beim Ortstermin unterstrichen. Gerade die älteren Menschen hier könnten es nicht akzeptieren, bis nach Sankt Augustin fahren zu müssen. In der vergangenen Woche hätten sich die sechs Bürgermeister getroffen und seien sich einig gewesen, man müsse „einen Gang hochschalten“, schließlich gehe es um mehr als 11 000 Menschen über 80 Jahre. Alle Kollegen hätten sich auf die Meckenheimer Liegenschaft einigen können, weil sie deutliche Vorteile bietet: Das Gebäude ist ungenutzt, aber beheizt und mit Strom und Wasser versorgt, 500 Quadratmeter in kleinen Räumen stehen zur Verfügung, ein Einbahnsystem wäre gar kein Problem. Der ehemalige Sitzungssaal könnte als Ruheraum dienen. Eine direkte Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr bestehe, ebenso eine ausreichende Zahl von Parkplätzen.

Gebäude steht sofort zur Verfügung

„Wir stehen Gewehr bei Fuß, das Gebäude steht sofort zur Verfügung. Wir machen ein Angebot, aber die Entscheidung ist Sache des Kreises“, machte Holger Jung klar. Die sechs Bürgermeister fordern von Landrat Sebastian Schuster Unterstützung beim Aufbau von Impfkapazitäten für die insgesamt rund 170.000 Bürger in Alfter, Bornheim, Meckenheim, Rheinbach, Swisttal und Wachtberg. Jung erklärte, er hoffe „auf kurzfristige positive Gespräche“ mit dem Kreis. Nach dem „Impf-Fahrplan“ des Landes NRW richtet sich der Rhein-Sieg-Kreis nach eigenen Angaben darauf ein, ab dem 1. Februar in Sankt Augustin mit Impfungen beginnen zu können. Daher ist es für Jung nachvollziehbar, wenn ein zweites Zentrum später an den Start ginge.

Zuvor hatten sich bereits die Vorsitzenden aller SPD-Fraktionen in den linksrheinischen Räten für ein zweites Impfzentrum ausgesprochen (wir berichteten). Die Rheinbacher CDU hatte Rheinbach als Standort ins Spiel gebracht. Gestern unterstrich noch die Meckenheimer CDU-Fraktion, sie unterstütze den Vorstoß der sechs Bürgermeister, denn „das Ruhrfeld ist ein idealer Standort“.

Klare Impfstrategie

Für Landrat Sebastian Schuster ist die Argumentation zahlreicher Politiker aus dem Linksrheinischen, das Impfzentrum des Kreises in der Sankt Augustiner Asklepios-Klinik sei für Bürger aus dem Linksrheinischen mitunter nur schwer erreichbar, unverständlich.

„Für viele Bürger aus östlichen Kreiskommunen wie Much oder Windeck, die nicht so gut ans Schienennetz angebunden sind, dürfte die Fahrt nach Sankt Augustin deutlich länger dauern als für Rheinbacher oder Meckenheimer“. Der Kreis habe eine klare Impfstrategie mit einem gut angebundenen und zentral gelegenen Impfzentrum, dabei bleibe es zunächst. Wenn sich allerdings in einigen Wochen abzeichne, dass das Impfzentrum nicht gut angenommen werde, dann müsse man neu nachdenken. „Ich lasse mir aber unser Impfzentrum nicht kaputtreden“, so ein erkennbar verärgerter Landrat, der nach überstandener Corona-Infektion und Quarantäne wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird.

Inzwischen haben nach Angaben des Kreises 8459 Personen ihre erste Impfdosis bekommen, überwiegend Bewohner und beschäftigte von Alten- und Pflegeheimen. Bis zum 20. Januar sei der erste Impfvorgang in allen Heimen abgeschlossen, man beginne dort inzwischen mit der zweiten Impfwelle. Wie hoch unter Bewohnern und beschäftigten die Impfbereitschaft ist, kann man im Siegburger Kreishaus nicht sagen. „Ein solches Monitoring gibt es nur auf Bundesebene“, erläutert Gesundheitsdezernent Dieter Schmitz.

Auf verschärfte Situation eingestellt

Trotz wieder leicht gesunkener Inzidenz – sie lag am Freitag bei 97,5 – rechnet man im Kreisgesundheitsamt wieder mit einer Verschärfung der Situation. „Am Mittwoch lag die Zahl der Neuinfektionen kreisweit schon wieder bei 172, am Donnerstag bei 143 und am Freitag waren es bis zur Mittagszeit schon wieder 93“, schildert Ralf Thomas, der Leiter der Fachstelle Covid der Kreisverwaltung.

Größere Ausbruchsgeschehen gibt es inzwischen auch im kreis immer öfter in Betrieben und Verwaltungen. Zurzeit sind dort zehn Betriebe mit einer entsprechend großen Zahl von Corona-Infizierten gemeldet. „Das sind Unternehmen, die sich an uns gewandt haben, weil sie die Situation alleine nicht bewältigen können“, berichtet Thomas. Infektionen am Arbeitsplatz gebe es deutlich mehr. „Es zeigt sich, dass die Diskussion, die über eine Ausweitung der Möglichkeit von Homeoffice geführt wird, berechtigt ist.“

SPD: Fahrtkosten ersetzen

„Wir freuen uns, dass die Impfungen im Rhein-Sieg-Kreis nun an Fahrt aufgenommen haben und die Impfungen in vielen Alten- und Pflegeeinrichtungen bereits stattgefunden haben. Nun gilt es, den zweiten Schritt zu planen für die Impfung der hochaltrigen Bürger im Impfzentrum in Sankt Augustin“, so die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion, Katja Ruiters.

„Wir haben daher einen Dringlichkeitsantrag für den Kreisausschuss gestellt mit der Forderung, die Kosten für Fahrten zum Impfzentrum in Höhe von 50 bis 80 Prozent zu übernehmen“, erklärt Ruiters. „Es ist im Interesse aller, möglichst schnell die Gruppe der hochaltrigen Menschen zu impfen. Das bedeutet, dass wir auch dafür sorgen müssen, dass das Impfzentrum für diese Personengruppe, die zum großen Teil nur eingeschränkt mobil ist, gut zu erreichen ist“, ergänzt Fraktionsvorsitzender Denis Waldästl. „Wir sind überzeugt, dass eine anteilige Kostenübernahme der entstehenden Fahrtkosten die Akzeptanz für das Impfangebot noch erhöhen würde und so weitere COVID-19-Erkrankungen verhindert werden können“, so Ruiters und Waldästl. (EB/jr)

Hinweise, dass sich Mutationen des Coronavirus auch in der Region rasch verbreiten, gibt es bislang nicht. Das dürfte vermutlich aber vor allem daran liegen, dass nur in Ausnahmefällen Proben positiv getesteter zur Genomsequenzierung an Fachlabors weitergeleitet werden. „Wir haben das bislang nur in einem Fall getan, in dem aus den persönlichen Umständen der infizierten Person ein konkreter Verdacht vorlag“, so Thomas. Ein Ergebnis dieser Probe liegt bislang nicht vor.

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