Bonner LandgerichtVater wegen Misshandlung und schwerer Körperverletzung angeklagt

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Das Eingangsportal des Bonner Landgerichts.

Das Eingangsportal des Bonner Landgerichts.

Vor dem Bonner Landgericht muss sich ein Vater wegen des Vorwurf verantworten, seinen Sohn stark geschüttelt zu haben.

Das Bild, das die 52-jährige Altenpflegerin als Zeugin vor Gericht von ihrem Pflegekind zeichnete, zeugt von schwersten Entwicklungsverzögerungen: Auf dem Stand eines ein- bis viermonatigen Säuglings sei der Junge, der vor drei Wochen seinen sechsten Geburtstag feierte. Über die Ursache der Behinderung wird seit diesem Donnerstag vor der 1. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht verhandelt.

Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass der Vater den damals viermonatigen Säugling am 7. Mai 2018 derart stark geschüttelt hat, dass der Junge das Bewusstsein verlor und mit einem Rettungswagen in die Universitätsklinik auf dem Venusberg gebracht werden musste. Irreversible Gehirnverletzungen führten zu einer bleibenden geistigen Behinderung. Der heute 31-jährige Vater muss sich nun wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und schwerer Körperverletzung verantworten.

Der junge Vater – damals gerade einmal 24 Jahre alt – soll laut Anklage sein Kind an jenem Maiabend vor knapp sechs Jahren erstmalig für eine längere Zeit alleine betreut haben. Der Angeklagte soll mit der Situation derart überfordert gewesen sein, dass er den schreienden Säugling schüttelte, bis dieser das Bewusstsein verlor. Erst ein von ihm selber alarmierter Notarzt konnte den Jungen reanimieren. Das Kind kam in die Universitätsklinik, wo es vier bis fünf Wochen auf der Intensivstation lag. Knochenbrüche, zahlreiche Einblutungen im Gehirn sowie in der Netzhaut des Auges sowie eine ausgeprägte diffuse Hirnschädigung mit umfassender Hirnschwellung mussten behandelt werden. Seit einer sich an den Krankenhausaufenthalt anschließenden Reha-Maßnahme lebt das Kind in einer Pflegefamilie in Süddeutschland.

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Staatsanwaltschaft hatte vor vier Jahren erstmals Anklage erhoben

Bereits vor vier Jahren hatte die Staatsanwaltschaft erstmals Anklage erhoben: Die zuständige Strafkammer lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens allerdings ab, da es gutachterlich festgestellte Zweifel an der Ursache der Verletzungen des Kindes gab. Eine vom Gericht beauftragte Sachverständige war zu dem Schluss gekommen, dass die Verletzungen nicht zwingend aus dem von der Staatsanwaltschaft angenommenen Schütteltrauma resultieren müssen. Sie könnten auch auf einen epileptischen Anfall zurückzuführen sein; das Kind habe einen Gendefekt, der solche Anfälle bis hin zu einem Herz- und Atemstillstand plausibel erscheinen ließe, hieß es in dem Gutachten. Der Vater hatte ohnehin immer ausgesagt, dass sich sein Sohn beim Trinken derart überstreckt habe, dass sich der Säugling verschluckte und blau anlief.

Ob der Angeklagte bei dieser Erklärung bleibt, ist abzuwarten. Zu Verfahrensauftakt kündigte sein Anwalt nur an, dass sich sein Mandant erst an einem der Folgetermine zu den Vorwürfen äußern werde. Dass der Mann überhaupt vor einer Strafkammer steht, ist einem Zivilverfahren aus dem Jahr 2021 geschuldet: In diesem Prozess, den die Pflegeeltern angestrengt hatten, bei denen der Junge nunmehr seit Sommer 2018 lebt, war ein Gutachterteam aus Würzburg nämlich zu einer anderen Einschätzung gekommen, als die vom Landgericht beauftragte Sachverständige. Daraufhin erhob die Bonner Staatsanwaltschaft erneut Anklage.

Schwiegermutter des Angeklagten und Noch-Ehefrau sagten aus

Am Morgen sagten zunächst die Schwiegermutter des Angeklagten und dessen Noch-Ehefrau und Mutter des behinderten Kindes aus. Während Erstere in ihrer Zeugenaussage kaum ein gutes Haar an ihrem Schwiegersohn ließ, betrachtete die Mutter den Vater ihres Kindes durchaus ambivalenter. Nach dem ersten Gutachten habe sie ihrem Mann zunächst wieder glauben können, so die Frau im Zeugenstand. Die Sachverständige habe ja bestätigt, was dieser immer behauptet habe. So habe sie sich auch bewusst entschieden, ein zweites Kind mit ihm in die Welt zu setzen.

Nachdem die Vorwürfe nach dem Würzburger Gegengutachten allerdings wieder aufgelebt seien und das Jugendamt ihrem Mann den Umgang mit dem Neugeborenen verwehrt habe, seien ihr aber erneut Zweifel gekommen. Auch habe sie erfahren, dass ihr Mann den Ermittlern gegenüber mittlerweile einige Vorwürfe eingeräumt haben soll, sagte sie unter Tränen. Die Kammer will nun bis Ende Februar ein Urteil verkünden.

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