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ProzessKokain, Whiskey, Prostitution – Koch nach Messerstich in Euskirchen vor Gericht

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Das Symbolbild zeigt eine Statue der Justitia mit einer Waage in der Hand.

Vor Gericht – hier ein Symbolbild – muss sich ein 33-Jähriger nach einem Vorfall in Euskirchen verantworten.

Die Staatsanwaltschaft legt einem 33-Jährigen Raub und Körperverletzung zur Last. Er schildert die Sache anders als die Ankläger. 

Von diesem Kriminalfall in Euskirchen gibt es zwei Versionen: eine der Staatsanwaltschaft, die andere vom Angeklagten und seinem Verteidiger Hagen Sven Seipel. Es liegt jetzt an der 16. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts, die Wahrheit herauszufinden.

Die Version der Staatsanwaltschaft geht so: Am Abend des 15. März 2023 soll der Angeklagte, ein 33-jähriger Koch, auf der Kölner Straße in Euskirchen mit einem unbekannten Mittäter von einem Mann dessen Umhängetasche gefordert haben. Als der sich geweigert habe, soll der Komplize das Opfer festgehalten und der Koch dreimal auf es eingestochen haben. Der Mann erlitt Verletzungen am linken Oberkörper. Dann sollen sie ihm die Tasche, in der sich ein 600 Euro teures Portemonnaie, 100 Euro in bar und eine Kette befunden hätten, entrissen haben und verschwunden sein. Der Wert der Beute: 1240 Euro. Die Anklage lautet auf schweren Raub und gefährliche Körperverletzung.

Er hatte Einkünfte, aber dazu sagen wir jetzt nichts.
Hagen Sven Seipel, Verteidiger

Die Version des Angeklagten, die er vor Gericht mithilfe seines Anwalts und in eigenen Worten erzählte, ist eine völlig andere: Er habe damals ein heftiges Drogenproblem gehabt. Er habe täglich fünf bis sieben Gramm Kokain und eine Flasche Whiskey konsumiert, auch unmittelbar vor der Tat. So vollgepumpt, habe er eine Prostituierte besucht, die er zuvor schon dreimal gebucht habe. Als er nach 20 bis 30 Minuten die vereinbarten 150 Euro bezahlt habe, habe die Frau in seiner Hosentasche 1500 bis 2000 Euro in zusammengerollten Scheinen gesehen. Woher das Geld stammte? Seipel: „Er hatte Einkünfte, aber dazu sagen wir jetzt nichts.“

Der Angeklagte sagte, er habe noch aus dem Appartement einen Freund angerufen, der ihn abholen sollte, und sei dann gegangen. Auf der Straße sei er etwa gegen 20.30 bis 21 Uhr von einem Mann angepöbelt worden. Es war, das stellte sich im Laufe des ersten Prozesstages heraus, der Lebensgefährte der Prostituierten. Der Mann sei mit einem Teleskopschlagstock auf ihn zugegangen. Der Angeklagte erklärte, er habe ihn gefragt: „He, hast du ein Problem?“

Der Angeklagte gestand, dass er zugestochen hatte

Statt einer Antwort sei er mit dem Stock auf die linke Hand geschlagen worden. Da sei noch immer eine Narbe zu sehen. Er zeigte sie dem Gericht. Daraufhin habe er den anderen in den Schwitzkasten genommen, ein Taschenmesser gezogen, es aufgeklappt und zugestochen, gestand er. Schließlich sei sein Freund gekommen, habe ihn aus dem Kampfgeschehen gezogen und sei mit ihm weggefahren. Sie hätten nichts geraubt, versicherte der Angeklagte, der auch bereitwillig den Namen seines Kumpels nannte, laut Staatsanwaltschaft der „unbekannte Mittäter“. Es soll ein Ladenbetreiber aus Euskirchen sein.

Die Kripo sicherte am Tatort Blutspuren. Der Verletzte befand sich in der Wohnung der Prostituierten, in der er ärztlich versorgt wurde.

Der Mann warf das Messer in Euskirchen in die Erft

Nachdem er das Messer in die Erft geworfen hatte, meldete sich der 33-Jährige am Morgen bei der Polizei und schilderte den Vorfall aus seiner Sicht. „Sie hören von uns“, habe der protokollierende Beamte gesagt und ihn gehen lassen.

Am 3. April 2023, zwei Wochen nach der Messerstecherei, erstattete die Prostituierte Anzeige, weil sie am Telefon und per SMS von dem Ex-Freier bedroht worden sei. Er habe ihr mitgeteilt, ihr Freund solle sich bei ihm melden, anderenfalls werde er ihre Wohnung „aufräumen“. Das Verfahren wurde allerdings im Hinblick auf den Prozess eingestellt.

Es dauerte aber länger als zwei Jahre, bis es dazu kam. Der Angeklagte war zur Fahndung ausgeschrieben worden. Der Haftbefehl konnte allerdings nicht vollstreckt werden, weil er ohne amtliche Meldeadresse in Euskirchen untergetaucht war. Seine junge Frau hatte inzwischen ein Kind von ihm bekommen, als er am 5. Februar 2025 in eine Verkehrskontrolle geriet und festgenommen wurde. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Der Prozess wird fortgesetzt.