EnergiekriseEuskirchener Zuckerfabrik setzt auf Öl statt auf Gas

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Die Zuckerfabrik Pfeifer & Langen setzt bei der diesjährigen Kampagne auf Öl statt auf Gas als Energieträger.

Kreis Euskirchen – Wie kommen Menschen, Schulen, Krankenhäuser oder die Industrie durch den Winter? Muss vielleicht mancherorts sogar die Produktion eingestellt werden? Droht dem Euskirchener Energieversorger e-regio das gleiche Schicksal wie Uniper? Dem Unternehmen kommt eine zentrale Rolle für die Versorgung mit Gas und Strom in Deutschland zu, und es muss vom Bund subventioniert werden. Die Energiekrise wirft viele Fragen auf.  Doch wie sehen die Antworten aus?

Schwimmbäder senken Wassertemperatur

Die Unternehmen greifen teilweise auf überraschende Lösungen zurück. Sowohl das Eifelbad in Bad Münstereifel als auch die Eifeltherme Zikkurat werden nach eigenem Bekunden die Wassertemperaturen senken.

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Auch im Eifelbad in Bad Münstereifel wird die Wassertemperatur gesenkt, um Energie zu sparen.

Euskirchener Zuckerfabrik setzt auf Zwischenlösung

So verzichtet das Unternehmen Pfeifer & Langen an seinem Standort in Euskirchen in der kommende Kampagne auf Gas und setzt stattdessen auf Öl. Das Gas, das in Euskirchen nicht benötigt wird, wird der Zuckerhersteller im Werk in Jülich nutzen, das komplett auf Gas bei der Energieversorgung setzt. In der Euskirchener Zuckerfabrik ist das anders.

Dort wird – oder besser gesagt: wurde – ein Kessel mit Braunkohle befeuert, der andere mit Gas. Aktuell rüstet das Unternehmen aber um, um ab September Öl und Kohle zur Befeuerung nutzen zu können. Ab der Kampagne 2023/24 ist mit der Kohle aber Schluss.  Pfeifer & Langen stoppt das Verbrennen von Braunkohle in der Zuckerfabrik und erhält im Gegenzug Kompensationszahlungen von der Bundesnetzagentur.

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Die diesjährige Zuckerrüben-Kampagne in Euskirchen soll früher beginnen - auch mit dem Zweck der Energieeinsparung.

Jetzt als Zwischenlösung also Öl, bevor für die Kampagne im kommenden Jahr der andere Kessel mit Holz statt mit Kohle befeuert wird. „Die Umstellung auf Öl ist nur mit Investitionen machbar, die nicht gerade gering sind“, sagt Wilhelm Oberdieck, Standortleiter in Euskirchen. Und alles läuft auf eine Punktlandung hinaus.

Früherer Start in die Kampagne

Mit Abnahme des TÜV und dem einen oder anderen Test wird der Umbau wohl genau zum Start der Kampagne  am 19. September abgeschlossen sein. „Wir gehen zwei Wochen früher in die Kampagne, um Energie zu sparen“, sagt Jens-Peter Wegner, Geschäftsleiter Produktion im Gespräch  mit dieser Zeitung.

Die Kampagne ausfallen oder ein Werk „stehen zu lassen“, habe zu keiner Sekunde  zur Diskussion gestanden, sagt Oberdieck: „Wir haben Abnahmeverträge und lassen die Landwirte nicht im Stich.“ Aber es werde durchaus logistische Anpassungen geben. Landwirte aus der Zülpicher Börde beispielsweise werden laut Standortleiter ihre Rüben nach Euskirchen bringen und nicht nach Jülich, um dort Gas einzusparen.

Einsparpotenziale voll ausnutzen

Wegner sagt, dass „man sich ehrlicherweise lange nicht mit Gas und möglichen Lieferschwierigkeiten beschäftigt hat“. Nun wolle man aber helfen, möglichst viel Gas einzusparen. „Wir gehen davon aus, dass wir den Gasverbrauch bis zu 50 Prozent reduzieren können – durch den Einsatz anderer Brennstoffe und durch die Verschiebung von Rübenmengen“, so der Geschäftsleiter Produktion.

Gegen die Energiekrise

Fragenkatalog an Kreisverwaltung

Die Liste aus CDU, FDP und UWV im Kreis hat einen Fragenkatalog an Landrat Ramers geschickt. Unter anderem soll die Verwaltung erklären, welche Anstrengungen unternommen werden, um der Energiekrise entgegenzuwirken. Zudem will die Liste wissen, wie sich die steigenden Preise auf den Kreishaushalt und die Bürger auswirken, die nach Flut und Corona in ihrer Resilienz stark beeinträchtigt seien. Antworten soll die Verwaltung im Sozialausschuss am 6. September geben. (tom)

Denkbar sei, so der Geschäftsleiter, dass man künftig auf Biogas aus eigener Erzeugung setze. „Doch dafür müssen die Anlagen da sein“, so Wegner. Sonne und Wind helfe dem Unternehmen nicht weiter. „Beides kann nur einen Beitrag leisten“, sagt Wegner. Am ausgerufenen Unternehmensziel, bis 2040 CO2-neutral zu sein, ändere die aktuelle Krise auf dem Energiemarkt nichts.

Wie ist die Lage bei weiteren Unternehmen?

Die Papierfabrik Metsä Tissue in Kreuzau setzte vor wenigen Wochen aufgrund der hohen Energiepreise bereits die Produktion kurzzeitig aus. Ein solcher Produktionsstopp drohe in Nierfeld zwar nicht, versichert Martin Uhlmann, Geschäftsführer von Pappen Nierfeld. Doch dieses Szenario habe man natürlich im Hinterkopf.

Mehrere Millionen Kilowattstunden Gas verbraucht sein Betrieb pro Jahr. Und Energiesparen sei nicht so leicht.  Ihm bleibe nur ein einziger Ausweg: die hohen Kosten an den Kunden weitergeben. Trotzdem ist Uhlmann optimistisch, dass sein Betrieb diese Energiekrise übersteht. „Davon können wir uns nicht unterkriegen lassen. Das werden wir nicht tun. Das schwöre ich Ihnen“, beteuert er.

Chemieunternehmen will Kosten weitergeben

„Wir beobachten mit Sorge die Entwicklungen“, sagt Werner Heiliger, kaufmännischer Geschäftsführer des Chemiefabrikanten Peter Greven in Iversheim. Zwar habe das Unternehmen für dieses Jahr genügend Gas eingekauft. Aber die Erhöhung der Energiepreise werde sich 2023 „massiv niederschlagen“.

Auch ihnen bleibe nichts anderes übrig, als die Preise an die Kunden weiterzugeben, so Heiliger. Wie lange die Firma unter diesen Bedingungen produzieren könne, bestimmten letztendlich die Kunden.

Wie schätzt die IHK die Situation ein?

Die IHK Aachen macht sich wegen der Preisentwicklung Sorgen. „Derzeit liegen die Vertragspreise für Gas beim Siebenfachen des langjährigen Durchschnitts“, sagt Raphael Jonas, Geschäftsführer der IHK Aachen und energiepolitischer Sprecher aller 16 Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen: „Vor allem für energieintensive Betriebe ist das ein enormes Problem.“

Besonders Rohstoffproduzenten wie Papierfabriken oder Glashütten treffe das hart. Aber auch die Chemie- und Nahrungsmittelbranche sei betroffen. „Sie stehen vor der Frage, wie lange sie noch unter derartigen Bedingungen ihre Produktion aufrechterhalten können.“ Das Wiederhochfahren von Nord Stream 1 sei noch kein Garant dafür, dass die Gasreserven für den kommenden Winter ausreichen werden. „Es besteht die Gefahr, dass Russland die Liefermenge jederzeit reduzieren kann“,  so die IHK.

Was sagt der Energieversorger e-regio?

„Schon mit dem Ausrufen der Frühwarnstufe haben wir viele Maßnahmen getroffen“, sagt Ilona Schäfer von der e-regio. So sei ein Krisenteam zusammengestellt worden, das  verschiedene Szenarien durchgespielt habe. „Wir stehen im engen Kontakt mit den Industriekunden an unserem Netz und kennen deren Bedarfe, aber auch Abschalt- oder Ausweichmöglichkeiten – beispielsweise auf andere Brennstoffe“, so Schäfer: „Der Bundesnetzagentur haben wir die Daten zu unseren Abnehmern und den benötigten Mengen zur Verfügung gestellt, denn sie wird im Falle einer Mangellage entscheiden, wo Einschränkungen vorgenommen werden müssen.“

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Die Versorgung mit Erdgas funktioniere normal, so die Pressesprecherin: „Sollte es zu Einschränkungen kommen, greifen die Pläne des sogenannten Notfallplans Gas, bei denen zunächst der Verbrauch großer Industrieanlagen oder anderer abschaltbarer Gewerbeanlagen gedrosselt wird.“ Private Haushalte, aber auch Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sowie Kindergärten und Schulen sind laut Schäfer vom Gesetzgeber als besonders schützenswert eingestuft und haben Vorrang bei der Versorgung.

Haushalte und kritische Infrastruktur haben Vorrang

„Im Falle von Versorgungsengpässen sind wir vorbereitet und werden alles tun, um die Versorgung der Haushalte und der kritischen Infrastruktur aufrechtzuerhalten“, berichtet Schäfer. Wenn es zu einer Versorgungslücke komme, sei e-regio verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen. Das  Unternehmen werde nach eigenem Bekunden nicht systemrelevante  Kunden im  Versorgungsgebiet auffordern, ihren Verbrauch um eine bestimmte Menge zu reduzieren.

„Wenn das nicht reicht, um die geschützten Kunden weiter zu versorgen, kann es auch zu einer kompletten Einstellung der Belieferung einzelner Abnehmer kommen“, so Schäfer.

Aktuell gebe es auf dem Markt viele Unsicherheiten. Die Beschaffungspreise haben sich laut e-regio vervielfacht. Das sei eine Herausforderung fürs Unternehmen. „Auch wenn wir sehr vorausschauend einkaufen, können wir die Preisentwicklung nicht mehr kompensieren und müssen unsere Strom- und Gaspreise erhöhen. Wir haben Sorge, dass viele Verbraucher und Unternehmen Zahlungsprobleme bekommen. Das hätte natürlich Auswirkungen auf unser Unternehmen“, so Schäfer.

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