Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Miniatur-RennsportWie in einem alten Euskirchener Kohlenkeller der Wü-Bü-Raceway entstand

6 min
Die Detailaufnahme zeigt ein Slotracecar auf der Rennstrecke eines Vereins in Wüschheim.

Bei den Slotracern aus Wüschheim kommt es neben Geschwindigkeit auch auf Details beim Streckenbau an.

Die „Rheinland Slotter IG“ betreibt eine 24 Meter lange Carrera-Bahn in Wüschheim. Der 14-jährige Fabian Witt ist Deutscher Meister.

Aus dem ehemaligen Kohlenkeller eines Hauses an der Reichsstraße in Wüschheim ist der Wü-Bü-Raceway 3.0 geworden – eine 24 Meter lange Slotracing-Bahn. „Slotracing“ ist nichts anderes als Carrerabahn-Fahren, klingt nur nicht so sehr nach Kinderzimmer. Denn mit Spielen hat das, was der Wüschheimer Dirk Eich und seine Freunde von der „Rheinland Slotter IG“ machen, nicht mehr viel zu tun: eher mit professionellem Racing im Maßstab 1:24. Die kleinen Rennwagen werden umgebaut, es wird am Fahrwerk geschraubt und getunt.

Bevor es auf die Rennstrecke geht, werden die Reifen angeschliffen. Das ist nichts anders als auf der echten Rennstrecke. Dort werden Schlangenlinien gefahren, um die Pneus auf Temperatur zubringen. Schlangenlinien sind beim Slotracing aber nicht möglich, weil sich die Fahrzeuge – daher auch der Name – wie an der Schnur gezogen durch einen Schlitz bewegen. Um dennoch möglichst viel Grip für die Kurven zu bekommen, werden die kleinen Gummireifen angeschliffen.

Wie auf der Rennstrecke: Ohne Konzentration folgt der „Abflug“

Bis zu sechs Autos gleichzeitig jagen über den Wü-Bü-Raceway. Die Rundenzeiten werden digital an einem Monitor über der Strecke angezeigt. Mehr als ein flüchtiger Blick auf den Bildschirm ist aber nicht drin. Der Grund: die kleinen Rennwagen und deren Geschwindigkeit. Körperlich anstrengend sei Slotcarracing zwar nicht unbedingt, berichtet Eich, aber mental sei es schon herausfordernd. Man müsse immer konzentriert bleiben. „Das ist nichts anderes als auf der richtigen Rennstrecke. Wenn du einen Moment unkonzentriert bist, fliegt dein Auto ab“, erklärt der Wüschheimer.

In einem Kellerraum befindet sich eine große Carrera-Rennbahn, daneben stehen mehrere Spieler mit ihren Controllern.

Der ehemalige Kohlenkeller ist zu einem Treffpunkt der unterschiedlichsten Generationen geworden. Am Wü-Bü Raceway 3.0 geht es um Spaß und die schnellsten Rundenzeiten.

Slotcars durchfahren auf ihrer Rennbahn einen in der Form eines Reifens gestalteten Bogen mit der Aufschrift „Wü-Bü Raceway 3.0“.

Wer braucht schon den Nürburgring, wenn er seine Runden auf dem Wü-Bü Raceway 3.0 drehen kann?

Aber auch körperlich könne man an seine Grenzen kommen, wirft Carrera-Kumpel Matthias Drossard ein. Der Zeigefinger seiner rechten Hand habe nach einem Rennen schon mal so etwas wie Muskelkater entwickelt. „Wenn man ordentlich Gas gibt und ein Sechs-Stunden-Rennen fährt, weiß der Finger schon, was er getan hat“, sagt er. Ja, die „Slotties“ stehen auch schon mal sechs Stunden an der Miniaturrennstrecke und geben Vollgas.

Aber es geht auch noch eine Nummer krasser. „Wir sind schon 24-Stunden-Rennen gefahren“, berichtet Drossard. So wie beim großen Vorbild auf dem Nürburgring wechseln sich die Fahrer in den Teams ab, fahren sogenannte Stints – und das zweimal rund um die Uhr. Dabei werde schon mal das eine oder andere koffeinhaltige Getränk konsumiert.

Nachwuchs-Fahrer holte Titel bei der Deutschen Meisterschaft

Und wie in der Grünen Hölle, in Spa-Francorchamps oder in Monaco müssen die Rennwagen auch zum Boxenstopp. „Man kann einstellen, wie schnell sich der ‚Tank‘ leeren soll. Das geschieht natürlich nur virtuell auf dem Display, aber wenn der grüne Balken sich rot färbt, sollte man die Boxengasse ansteuern. Wer mit leerem Tank unterwegs ist, dessen Runden werden nicht mehr gezählt“, erklärt Peter Witt. Der Heimerzheimer hat im heimischen Keller ebenfalls eine eigene, mehr als 30 Meter lange Carrerabahn stehen.

Die Leidenschaft an seinem Hobby hat er an Sohn Fabian weitergeben – mit Erfolg. Der Gesamtschüler ist vor wenigen Wochen deutscher Meister im Slotracing geworden. Bei der Meisterschaft in Kerpen setzte sich Fabian Witt gegen 105 Konkurrenten durch. „Meine Klassenkameradinnen können mit meinem Hobby nicht so viel anfangen. Die Jungs dann schon eher“, sagt der 14-Jährige.

Vor der Carrera-Rennbahn stehen drei rot gekleidete Miniatur-Gridgirls.

Die Gridgirls dürfen auch beim Slotracing nicht fehlen.

Noch ein paar Jahre jünger ist Fabian Eich. Aber auch bei ihm liegt der Spaß an den Miniatur-Rennern in der Familie. Schließlich hat sein Vater den Kohlenkeller zu einem großen Spielzimmer umgebaut – und das auch noch auf Geheiß seiner Frau. „Mittlerweile hat sich das zu einer Win-win-Situation herauskristallisiert. Während wir im Keller Runden drehen, treffen sich unsere Frauen zum Spieleabend – bei dem tatsächlich auch ab und zu ein Spiel auf den Tisch kommt“, berichtet Dirk Eich augenzwinkernd.

Die „Slotties“ investieren jede Menge Zeit und Geld in ihr Hobby

Wie viele Stunden, wie viel Geld ins Hobby geflossen sind, kann er nicht beziffern. Aber wer sich im Keller umschaut, registriert schnell: ein bisschen positiv bekloppt sind die Slotties aus Wüschheim schon. Zahlreiche Rennautos hängen in ihren Garagen an der Wand. Ein Auto im Rohzustand frisch vom Händler koste etwa 80 Euro, berichtet Eich. Getunt, mit neuen Felgen, neuer Radaufhängung, neuer Lackierung, kostet es auch schon mal 150 Euro und mehr.

Zehn verschiedene Carrera-Rennwagen im Maßstab 1:24 parken in ihren Plastikgaragen vor einer OSB-Wand.

Die maßstabsgerechten Boliden warten in ihren Garagen auf den nächsten Renneinsatz.

Das Vater-Sohn-Duo investiert aber nicht nur in Rennautos, sondern auch in die Ausgestaltung der Rennstrecke. Gleich drei 3D-Drucker befinden sich im Besitz der IG. Und die spucken zwar keine Gridgirls aus (die sind original von Carrera), dafür aber viele andere Accessoires entlang der Strecke: vom Toilettenhäuschen für die Miniatur-Zuschauer bis hin zur Werbebrücke, die über die Strecke führt.

Controller oder Drücker? – „Das Ding, mit dem man Gas gibt“

Was neben den Gridgirls ebenfalls nicht aus dem 3D-Drucker kommt: der Drücker. Oder heißt es nun Controller? Da sind sich die Carrera-Fans nicht einig. Die Begriffe fliegen beim Gespräch wild durcheinander. Aber letztlich ist es „das Ding, mit dem man Gas gibt“. Das ist tatsächlich recht minimalistisch gehalten. Mehr als einen kleinen schwarzen Hebel zum Beschleunigen und einen kleinen Knopf an der Rückseite gibt es an dem Plastikteil nicht zu entdecken. Der Knopf auf der Rückseite ist für den Spurwechsel. „Auf der Strecke sind verschiedene Weichen verbaut. Da kann man überholen. Oder man muss überholen lassen, wenn man die blaue Flagge gezeigt bekommt“, sagt Axel Drossard.

Der ist 70 Jahre alt und das älteste Mitglied der Interessengemeinschaft. Angefangen hat er aber erst vor einem Jahr mit dem Slotracing. „Das hält jung“, sagt er. Natürlich seien die Jüngeren im Vorteil, aber auch im hohen Alter könne man sich noch weiterentwickeln – auch wenn ihm die Tipps, die er einst von Michael Schumacher erhalten hat, auf der Miniatur-Rennstrecke nicht weiterhelfen.


Am 8. und 9. November finden im Vereinsheim in Firmenich mehrere Slot-Rennen statt – unter anderem ein Sechs-Stunden-Rennen. Die Bahn dafür wird von Peter Witt extra aufgebaut. Etwa einen Tag werde er dafür brauchen, schließlich müsse sehr viel Kabel verlegt werden, berichtet er. Anfänger seien herzlich willkommen.


Tipps von Michael Schumacher fürs Kart erhalten

Der 70 Jahre alte Axel Drossard hat erst vor einem Jahr mit dem Slotracing angefangen. Er fühle sich an der Bahn aber direkt wieder ein paar Jahren jünger, sagt er. Und er genieße es, dass auch Jüngere so viel Spaß am Carrerabahn-Fahren hätten.

„Für viele gibt es doch nur das Handy oder das Tablet. Hier findet Kommunikation und Spaß im echten Leben statt. So muss es doch sein“, sagt der Senior, der früher Kart gefahren ist. Und das auch schon gegen Michael Schumacher. Auf dessen Kartbahn in Kerpen-Manheim drehte Drossard zahlreiche Runden und erhielt vor vielen Jahren auch ein paar Tipps vom siebenmaligen Weltmeister. „Michael hatte sich in ein neues Kart gesetzt, ist damit ein paar Runden gefahren und hatte direkt ein paar Hinweise für mich“, berichtet Drossard.

So sollte der heute 70-Jährige unter anderem den Radabstand ein wenig verändern und die Schaltung umkehren. „Danach war ich sofort zwei Sekunden schneller. Michael war schon rennfahrtechnisch von einem anderen Stern“, so der Senior. (tom)