Mit Krokodil und TigerEuskirchenerin fotografiert elegante Elfenköniginnen und wilde Tiere

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Eine Frau trägt Elfenohren und posiert mit einem ausgewachsenem Tiger.

Wer Fotos mit Vanessa Gebhardt macht, der darf keine Angst vor wilden Tieren haben.

Seit 2016 widmet sich Vanessa Gebhardt aus Euskirchen der Fantasy-Fotografie. Eines ihrer Lieblingsmotive: junge Frauen mit wilden Tieren.

Auf dem leeren Parkplatz vor der Kakushöhle in Mechernich steht eine Felsenkönigin. Die 28-jährige Julia Katharina Stark trägt wallendes, blaues Kunsthaar und ein Tüllkleid, das über den Boden schleift. Auf ihren Fingern stecken spitze Eisennägel, die länger sind als ihre Finger selbst. Um in der Natur sicher aufzutreten, trägt die Felsenkönigin Sneaker. Und um bei rund 10 Grad nicht zu frieren, eine dunkelblaue Daunenjacke.

Seit vielen Jahren macht die Euskirchener Fotografin Bilder mit wilden Tieren

Eine Frau in einem schwarzen Mantel mit rotem Kunstfellbesatz umkreist die Felsenkönigin wie ein Zwergplanet. Sie zubbelt an den Haaren, befestigt den ausladenden Kopfschmuck, beäugt das Outfit ihres Models kritisch. Die Euskirchenerin Vanessa Gebhardt ist Fantasy-Fotografin. Junge Frauen werden auf ihren Bildern zu Elfenköniginnen, die Eifel zur Fantasiewelt. Eine Welt, in der es Magie gibt, Naturgesetze nicht gelten und wilde Tiere treue Gefährten sind. Auf Gebhards Fotos posieren junge Frauen mit ausgewachsenen Krokodilen, Tigern, Pythons und Elefanten.

Gerade ist Vanessa Gebhardt aus dem französischen Orléans zurückgekommen. 14 Stunden Fahrt hat sie insgesamt auf sich genommen, allein um Valentin zu treffen, einen kanadischen Schwarzbären. „Bevor ich ein Foto-Projekt starte, möchte ich die Tiere, mit denen ich shoote, kennenlernen“, sagt sie. Gerade bei wilden Tieren sei es wichtig herauszufinden, ob sie charakterlich für so ein stundenlanges Fotoshooting geeignet seien.

„Ich hatte im Vorfeld richtig Muffensausen, diesen Bären kennenzulernen“, gibt Gebhardt zu. Auf den Fotos, die sie von ihm gesehen hatte, habe er riesengroß gewirkt. Doch als die Fotografin sein Gehege betreten hatte, war die ganze Angst verflogen. „Der kam ganz lieb aus seinem Häuschen getrottet und wirkte mehr wie ein großer Hund als wie ein wilder Bär“, sagt sie und lacht. Neugierig habe er an ihrem Schuh geschnüffelt und anschließend anerkennend darüber geleckt.

Die Tiere, mit denen Gebhardt shootet sind immer domestiziert

Doch dass der Bär so zutraulich war, habe wohl daran gelegen, dass er an Menschen gewöhnt sei, erklärt die Euskirchenerin. Schließlich sei sein französischer Besitzer ein Filmtiertrainer. Seit 14 Jahren lebe Valentin in dessen Obhut. „Der Trainer hat den kanadischen Schwarzbären vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt“, erzählt Gebhardt. Mit der Flasche sei er in Kanada von Menschen aufgezogen worden, um ihn anschließend verkaufen zu können – an Menschen, die Jagd auf Bären machten. Und zwar mit der Armbrust.

„Für mich sind nicht die Tiere, sondern das die wahren Bestien“, sagt Gebhardt. Als der Trainer davon Wind bekam, nahm er Valentin bei sich auf, um nicht die Armbrust, sondern die Kamera auf ihn zu richten. In vielen französischen Filmen und Serien sei Valentin seitdem zu sehen gewesen – zuletzt in der französischen Vogue. Und bald nun auch im Portfolio von Vanessa Gebhardt.

Ich mache schließlich keine Passbilder.
Vanessa Gebhardt, Fantasy-Fotografin

Als die Fotografin die Ranch des Filmtiertrainers betrat, standen da Kühe neben Pelikanen neben Schweinen neben Enten neben Gänsen neben Eseln neben Lamas neben Pumas neben Tigern neben Löwen. „Ich hatte das Gefühl, ich war auf die Arche Noah gestolpert“, sagt sie. So leicht Zugang zu exotischen Tieren für ein Fotoshooting zu bekommen, sei aber eher die Ausnahme.

Dass über ein paar Ecken der Kontakt zu dem Trainer zustande gekommen sei, ein glücklicher Zufall. Oft suche sie sich aber auch „im Internet die Finger wund“, um geeignete Tiere zu finden – über Instagram, über Bekannte oder über die Websuche. Und selbst, wenn man jemanden gefunden habe, der das richtige Tier halte, könne es sein, dass das Fotoshooting dann aber doch nicht möglich sei. Der Filmtiertrainer etwa habe direkt neben Valentins Gehege auch einen Braunbären gehalten. Doch ein Shooting mit ihm sei zu gefährlich gewesen, habe er gesagt. „Charakterlich nicht geeignet“, nennt Gebhardt das. Dass Tiere von klein auf an den Menschen gewöhnt sind, sei wichtig.

Oft seien es auch Privatpersonen, die exotische Tiere hielten, erzählt Gebhardt. Natürlich nicht, ohne einen Katalog an Auflagen zu erfüllen, ergänzt sie. „Je exotischer das Tier, desto präziser und aufwendiger die Haltungsvorgaben.“ Das habe ihr ein Bekannter erzählt, der als Privatperson Reptilien hält. Mit dessen Krokodilen habe Gebhardt auch schon Fotos gemacht. Um generell mit exotischen Tieren zu arbeiten, müsse man flexibel bleiben, sagt sie. Schließlich seien die nicht alle im Kreis Euskirchen vorzufinden. Für einige müssten sich sowohl Model als auch Fotografin auf eine längere Reise einstellen.

Julia Katharina Stark sitzt auf einer Bank vor dem Eingang der Kakushöhle, zieht ihre Sneaker und Socken aus und silberne Riemchensandalen mit Absatz an. Die 28-Jährige hatte keine besonders weite Anreise. Sie kommt aus Köln. Als Modell stand sie schon einige Male vor Gebhardts Kameralinse. Als Schauspielerin war sie jahrelang in der WDR-Serie „Die Anrheiner“ zu sehen.

Die Fotografin hat einen Ort gefunden, an dem die Lichtverhältnisse optimal sind. Efeu rankt in den gewählten Bildausschnitt. Sie stellt ihr Model auf und packt ihre Requisiten aus. Blaue „Felsenblumen“, gefertigt aus Draht und Tüll. Einem ähnlichen Stoff wie Starks Kleid.

Vanessa Gebhardt versteht ihre Fotografie als Gesamtkunstwerk

Die hat die Fotografin selbst entworfen. Genauso wie den Kopfschmuck der Kölnerin. Basteln, Nähen und eine Heißklebepistole gehören genauso zu Gebhardts Arbeit wie Fotoapparat und Bildbearbeitungsprogramme. „Deswegen lebe ich quasi in einem Funduslager“, sagt sie. Bei ihr zu Hause, erzählt sie, lägen überall Kostüme, Requisiten und angefangene Bastelarbeiten – zum Leidwesen ihres Katers Salem. Hinter jedem Bild steckten viele Stunden Arbeit, erklärt sie. Von der Idee bis zur Postproduktion könnten Wochen vergehen. Ihre Arbeit versteht sie als „Gesamtkunstwerk“: „Ich mache schließlich keine Passbilder.“ Und weil die Bilder eben auch enorm aufwendig seien, lässt sich Gebhardt die vielen Arbeitsstunden, die sie in ihr „Gesamtkunstwerk“ steckt, von den Models, die mit ihr shooten wollen, auch finanziell gerecht entlohnen.

Eine klassische fotografische Ausbildung hat die 41-Jährige aber nicht. Gelernt hat sie Groß- und Einzelhandelskauffrau – einen „klassischen Bürojob“. So richtig glücklich habe der sie aber nicht gemacht. Ihr Arbeitsleben sei zäh und trist gewesen. Nach Feierabend habe sie häufig den Wunsch verspürt, sich noch kreativ auszuleben. „Damals habe ich viel gemalt.“ Mit dem Fotografieren habe sie dann 2014 angefangen. Angefangen hat sie mit „diesen kleinen Digi-Cams“. Schnell wollte sie mehr. Und kaufte sich ihre Spiegelreflexkamera. „Eine Nikon 3100“, sagt sie so liebevoll wie eine Mutter den Namen ihres erstgeborenen Sohnes.

Angefangen hat alles im Jahr 2014 - damals noch mit einer „Digi-Cam“

„Da war mein Feuer entfacht.“ Opulent seien ihre Fotos immer schon gewesen. Doch habe sie es auch verstanden, immer noch einen Schritt weiterzugehen. So, wie auf die „Digi-Cam“ schnell erst eine, dann zwei Spiegelreflexkameras folgten, folgten auf Fotos von „normalen Tieren“ wie Pferden bald immer wildere Tiere. „Mein erstes Wildtier-Shooting fand 2016 mit Greifvögeln statt.“ Die Fotografie nahm schnell immer mehr Raum in ihrem Leben ein. Den Bürojob, der sie nicht glücklich machte, gab sie auf. „Ich wollte etwas machen, das ‚nicht normal‘ ist“, sagt die ehemalige Groß- und Einzelhandelskauffrau und lacht.

Darum geht es auch in ihren Bildern: dem Alltag entfliehen, in andere Welten eintauchen. „Die Frauen sollen ausloten dürfen, wer sie noch sein können.“ Sie sollten etwas entdecken dürfen, von dem sie bisher noch nicht wussten, dass es da sei. „Fantasy bedeutet für mich, dass es keine Grenzen gibt. Und dass es da noch eine andere Welt gibt, abseits von der normalen.“

Als Schauspielerin ist Julia Katharina Stark das Fernsehen näher als die Theaterbühne. „Beim Theater muss man jede Geste vergrößern“, sagt sie. Beim Fernsehen sei alles echter, subtiler. Das liege ihr mehr. Dann spreizt sie ihren Rock und ihre Finger mit den Metallnägeln.

Vanessa Gebhardt fotografiert in langsamer Taktung. Sie beobachtet, drückt nur ab, wenn es richtig ist, wenn das Bild dem erdachten Konzept entspricht. Julia Katharina breitet die Arme aus und spreizt die Finger, als wolle sie die Luft mit ihren langen Nägeln schneiden. Durch das Ablegen der Sneaker und der Daunenjacke hat sie ihre Bewegungen verändert. Das Kostüm und das Setting brächten sie einfach dazu, sagt sie. Vanessa Gebhardt schaut sich die Fotos auf ihrer Nikon 3100 an und nickt zufrieden.

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