Statt Halma oder „Mensch ärgere dich nicht“, ging es beim Brettspiel-Wochenende in Kall um Odin, Wasserrechte und einen zerstörten Mars.
Boardgames47 Teilnehmer zockten in Steinfeld das ganze Wochenende komplexe Brettspiele

Ein komplexes Spiel um Wasserrechte ist „Barrage“. Klar, dass da auch mal etwas erklärt werden muss.
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Noch nichts vor am Wochenende? Dann lockt vielleicht die Playstation, um die freien Tage spielend vor einem Bildschirm zu verbringen. Oder es wird die analoge Variante gewählt, die nun im Kloster Steinfeld Premiere feierte: ein Brettspiel-Wochenende, bei dem über drei Tage lang nichts anderes gemacht wird, als neue, unbekannte Spiele auszuprobieren oder mit Gleichgesinnten die Lieblingsspiele zu zocken.
Wer jetzt meint, dabei handele es sich um ein Treffen von Fans von Halma oder „Mensch ärgere Dich nicht“, täuscht sich. Denn die Spiele, die auf den Tisch kommen, haben so gar nichts mit der klassischen Spielewelt zu tun. Hier wird „Splendor“, „Ein Fest für Odin“ oder „Zombiecide“ gespielt. „Es sind Expertenspiele, Strategiespiele, in denen der Zufall, beispielsweise bei Würfelspielen, kaum noch eine Rolle spielt“, erläuterte Martin Finder vom Spieletreff „Boardgames Bad Münstereifel“.

„Ein Fest für Odin" feierten diese Spieler in Steinfeld beim Boardgames-Wochenende.
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Stattdessen könne eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen werden, die immer neue Spielmöglichkeiten eröffnen würden. In den vergangenen zehn Jahren seien viele neue Spiele herausgekommen, die ausprobiert werden könnten, beschreibt Finder die Idee zu dem Wochenende, die bei „Stadt Land Spielt“ entstanden ist.
Zu dem regelmäßig im September stattfindenden bundesweiten Aktionswochenende, das von verschiedenen Spieleverlagen gefördert wird, hatte sich auch der Bad Münstereifeler Spieletreff angemeldet. Rund 30 Spiele waren dabei über das Projekt zur Verfügung gestellt worden, andere seien noch mit Hilfe von Sponsoren dazugekauft worden, erläutert Finder. „Dann konnten interessierte Erwachsene oder Schüler vorbeikommen und die Spiele ausprobieren, die dann von den sogenannten Erklärbären erläutert wurden“, beschreibt er das Prinzip.
So ein Spielewochenende wollte ich schon lange machen, aber mit einem vierjährigen Sohn ist das nicht so einfach zu realisieren.
Dabei seien so viele Mitglieder des Spieletreffs vor Ort gewesen, dass diese zwischendurch auch selbst hätten spielen können. „Dabei sind wir dann auf die Idee gekommen, dass wir so ein Wochenende ja auch mal für uns veranstalten können.“ Die Spiele, die jetzt an dem Wochenende auf den Tisch kamen, entführen in andere Welten – in das Mittelalter, die Zukunft oder in die Fantasie. An einem Tisch werden Zombies geschlachtet, am nächsten bei „Barrage“ Wasserwerke gebaut oder wie bei den „Tavernen im tiefen Thal“ mittelalterliche Gaststätten zum Erfolg gebracht.
47 Teilnehmer hatten sich für das Wochenende angemeldet. Etwa die Hälfte, so Finder, stamme aus dem Bad Münstereifeler Spielkreis, der Rest sei über ein Internetforum auf die Veranstaltung gestoßen. Manche würden auf einem hohen Level spielen, andere seien mehr Familienspieler, sagte er.
Viele der Teilnehmer fanden durch ein Internetforum nach Steinfeld
Die Spiele hätten die Teilnehmer selbst mitgebracht. Am Morgen wurden die Gruppen zusammengestellt. Dabei müsse auch immer jemand am Tisch sein, der das Spiel vorstellen und die Regeln erklären könne, erläuterte Finder. So könnten die Teilnehmer verschiedene Spiele kennenlernen. Sogar aus Hamburg sind zwei Männer gekommen. Einer von ihnen ist Olli Strycharz. Eigentlich ein Zufall, erzählte er.
„Meine Frau hatte beschlossen, mit unserem Sohn über das Wochenende nach München zu fahren“, berichtete er. Dazu sei seine Lust nicht so ausgeprägt gewesen, also habe er sich mit einem Bekannten zu einem Spieleabend verabredet. „Plötzlich hat er mir aber abgesagt, weil er sich hier auf diesem Spielewochenende in Steinfeld angemeldet hatte“, so Strycharz. Da habe er sich gedacht, wenn die Familie eh weg sei, könne er doch genauso gut auch in die Eifel reisen.
„So ein Spielewochenende wollte ich schon lange machen, aber mit einem vierjährigen Sohn ist das nicht so einfach zu realisieren“, meinte der Hamburger, als er mit drei Mitspielern vor „Ein Fest für Odin“ saß, bei dem sich verschiedene Wikingerstämme entwickeln müssen. Strycharz gab seinen Mitspielern Tipps. Denn er kennt die Feinheiten des Spieles.

Viele Teilnehmer hatten die Spiele mit nach Steinfeld gebracht.
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Vormittags hatte die Gruppe mit diesem Spiel angefangen. „Das dauert mit Regelerklärung ungefähr drei bis vier Stunden“, sagte Strycharz. Doch zwischendurch hätten sie eine Pause gemacht und andere Spiele ausprobiert. Das sei der Reiz, ein ganzes Wochenende den Brettspielen zu widmen.
Auf den Tischen am Fenster der zwei Räume, die die Spielgruppen nutzten, stapelten sich die Boxen, in denen die Spielbretter und das notwendige Zubehör aufbewahrt werden. Mit einem Würfel und Holzmännchen war es nicht getan, jedes Spiel hatte sein eigenes Zubehör, Ereigniskarten, besondere Figuren oder Steinchen, die in großer Vielfalt über den Tisch ausgebreitet werden.
Wie bei „Terraforming Mars“: „Wir haben die Erde kaputt gemacht, und jetzt vernichten wir den Mars“, beschrieb Stephan aus Bad Münstereifel scherzhaft das Ziel des Spieles. Eigentlich gehe es darum, den Nachbarplaneten bewohnbar zu machen, doch es geht auch anders. „Wir haben schon jede Menge klimaschädliche Gase ausgestoßen und die Temperatur um acht Grad erhöht“, sagte er mit einem zufriedenen Augenzwinkern.
Brettspiele sind Wettkampf, Nervenkitzel und eine Möglichkeit, Leute kennenzulernen
Den Reiz, in derart komplexe Spiele hineinzufinden, beschrieb er sachlich: „Hobbys machen entweder Spaß oder bereiten Nervenkitzel.“ Bei den Brettspielen bestehe darüber hinaus die Möglichkeit, nette Leute kennenzulernen. „Und es gibt auch noch etwas Wettkampf, denn bei den meisten Spielen gibt es am Ende ja auch einen Sieger“, so Stephan. Aber Leidenschaft gehöre auch dazu. „Bei manchen artet das in Sammeln aus“, sagte er und deutet auf die Berge von Spielkartons.
Es wurde auch in größeren Gruppen gespielt, zum Beispiel bei „Blood on the Clock Tower“. Das sei ein Rollenspiel, eine verschärfte Variante von „Die Werwölfe von Düsterwald“, das gerne auch von Jugendgruppen gespielt werde, erläuterte Martin Finder.
Bei „Clocktower“, das im Jahr 2022 veröffentlicht wurde, muss ein Dämon aus einer Gruppe von Mitspielern enttarnt werden, wobei die Interaktionen der Spieler jede Menge Täuschungen und Bluffs ermöglichen.
„Ich hoffe nicht, dass dieses Wochenende jetzt das letzte Mal stattgefunden hat“, sagte Finder. Angesichts der positiven Reaktion auf das Brettspielwochenende sei eine Neuauflage im nächsten Jahr so gut wie sicher. Auch bei „Stadt Land Spielt“ will der Spieletreff am Samstag und Sonntag, 14. und 15. September, wieder teilnehmen.