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GründungsjubiläumDer Nationalpark Eifel feiert seinen 20. Geburtstag

Lesezeit 7 Minuten
Blick auf den Rursee und den ihn umgebenden Kermeter.

Im Herzen des Nationalparks Eifel liegt der Rursee: Während die Natur ringsum Natur sein darf, werden die Stauseen weiterhin von Menschen gemanagt.

Vor 20 Jahren wurde der Nationalpark Eifel gegründet. Jährlich lassen sich rund eine Million Menschen von der Naturschönheit des einzigen Nationalparks in NRW faszinieren.

Denkt man an die Eifel, denkt man auch an den Nationalpark. Die rund 10 000 Hektar Wald, Wiese und Gewässer sind zum Identifikationsmerkmal einer ganzen Region geworden und bilden im Moment noch ein Alleinstellungsmerkmal in NRW – auch, wenn die Landesregierung gerne einen weiteren Nationalpark gründen möchte.

Rund eine Million Besucher lassen sich jährlich von der Naturschönheit des Gebiets faszinieren. Etliche Schulen in den Kreisen Euskirchen und Düren sowie der Städteregion Aachen sind inzwischen Nationalpark-Schulen. Die Stadt Schleiden hat sich selbst zur Nationalpark-Hauptstadt ernannt. In diesem Jahr feiert der Nationalpark seinen 20. Geburtstag. Doch so selbstverständlich wie der Park heute zur Region gehört, war seine Gründung längst nicht.

Mehr als 3000 Gäste waren bei der Gründungsfeier dabei

Wenn Michael Lammertz über „seinen“ Nationalpark spricht, kommt er aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Der Interimsleiter des Nationalparks sitzt in seinem Büro an der Urftseestraße in Gemünd. Hinter ihm stapelt sich auf seinem Schreibtisch die Arbeit, an der Wand gegenüber hängt eine große Karte der Region. Gut zu erkennen: das Gebiet des Nationalparks Eifel.

Am 1. Januar 2004 wurde der aus der Taufe gehoben. Und am 11. Januar habe es im Gemünder Kurhaus eine imposante Feier mit Live-Schalte ins WDR-Fernsehen gegeben, erinnert sich Lammertz. Mehr als 3000 Gäste seien da gewesen. „Wir hatten alle das Gefühl, dass wir gemeinsam für die Region etwas ganz Besonderes geschaffen haben“, beschreibt Lammertz die Atmosphäre im Saal.

Schon vor 70 Jahren gab es erste Überlegungen zu einem Nationalpark in der Eifel

Dass das so kam, war ein ganzes Stück Arbeit. Im Herbst 2001 kündigten die Belgier ihren Abzug vom Truppenübungsplatz in Vogelsang an. Und sofort entbrannte die Diskussion um die Nutzung des Geländes. Ziemlich schnell sei dann auch die Idee des Nationalparks wieder aufgekommen, erinnert sich Lammertz.

Die Idee, einen solchen Park in der Eifel einzurichten, ist laut Lammertz nämlich schon 70 Jahre alt. Von Historikern habe er erfahren, dass 1954 der Truppenübungsplatz vergrößert werden sollte. Um das zu verhindern, habe es Überlegungen gegeben, rundherum einen Nationalpark zu gründen, so der 59-Jährige. Letztendlich sei weder die Erweiterung noch der Nationalpark gekommen. Doch die Idee war da.

Michael Lammertz lehnt an eine heimische Buche vor der Nationalparkverwaltung in Gemünd.

Michael Lammertz, Interims-Leiter des Nationalparks Eifel, erinnert sich im Gespräch mit der Redaktion an die Gründung.

Allerdings: Die 3500 Hektar des ehemaligen Truppenübungsplatzes reichten nicht aus, um die Kriterien für einen Nationalpark zu erfüllen. Deshalb habe man sich auf die Suche nach Landesflächen gemacht, berichtet Lammertz. Denn ein Nationalpark sei trotz seines Namens nicht Sache des Bundes, sondern des Landes. So wurde das Gebiet um den Kermeter, den Hetzinger Wald und Wälder bei Dedenborn und Wahlerscheid erweitert.

Abschließend gab es noch ein Tauschgeschäft: Ein Privatbesitzer stellte zwei Waldstücke, die für den Nationalpark interessant waren, zur Verfügung und erhielt dafür andere, forstwirtschaftlich hochwertige Staatswaldbereiche vom Land. „Und so kam der Nationalpark dann auf seine knapp 10 800 Hektar Fläche“, resümiert Lammertz.

Viele Bürger in der Region waren vor der Gründung skeptisch

Die Fläche zusammen zu bekommen, war allerdings nur eine der Aufgaben. Viel wichtiger sei es gewesen, die Bevölkerung zu überzeugen. Denn nicht jeder war direkt begeistert von der Idee der Nationalparkgründung. „Im Jahr 2003 war ich phasenweise fast jeden Abend in irgendeiner Vereinshalle, Kneipe oder Sitzungssaal“, berichtet Lammertz. Er und weitere Kollegen hielten unzählige Vorträge, um wirklich jeden mitzunehmen. Da habe man die ein oder andere kontroverse Diskussion geführt. Darf man da noch rein? Kostet das dann viel Eintritt? Kann ich dann da noch Brennholz holen? All diese Fragen hätten die Menschen umgetrieben, erinnert sich der Interims-Chef.

„Es gab durchaus Skeptiker, aber es gab nie organisierten Widerstand.“ Für wichtige Akteure aus Touristik, Naturschutz, Verbänden und Politik habe er eine Fahrt in den Nationalpark Bayerischer Wald organisiert, damit sie sich in der Praxis anschauen konnten, was Nationalpark bedeute. Danach habe sich die Diskussion auf einem ganz anderen Level abgespielt. Das Miteinander der verschiedenen Akteure in der ganzen Region zeichne den Nationalpark bis heute aus und mache ihn so erfolgreich.

Abendstimmung im Nationalpark mit abgestorbenen Bäumen

Abgestorbene Fichten im Abendlicht: Die Fichte soll als nicht heimische Art im Nationalpark verschwinden.

Das Staatliche Forstamt Schleiden habe sich schnell hinter die Idee gestellt, so Lammertz. Schon 2002 seien die ersten Forstwirte zu fünfmonatigen Ranger-Kursen geschickt worden. „Wir haben Mitte 2003 schon Ranger-Touren angeboten, da gab es noch gar keinen Nationalpark.“ Das Signal, das so ausgesendet wurde, sei wichtig gewesen.

Einer der schwierigsten Prozesse rund um die Gründung des Parks sei die Erstellung des Wegeplans gewesen. Eine gesetzliche Vorgabe, wie viele Wege vorhanden sein dürfen, gebe es nicht. Stattdessen mussten die Planer zwei Interessengruppen gerecht werden: den Naturschützern, die lieber wenige Wege wollten, und den Touristikern, die eher mehr Wege wollten. Am Ende seien beide Seiten nicht ganz zufrieden gewesen, sagt Lammertz. Für ihn und seine Kollegen sei das aber ein Zeichen dafür gewesen, einen guten Kompromiss gefunden zu haben.

Von den Nationalparks im Westen der USA fasziniert

Lammertz selbst kam wegen des Nationalparks in die Eifel. Zu diesem Zeitpunkt sei er als Geschäftsführer des Deutschen Forstwirtschaftsrats in der großen Politik tätig gewesen. Nicht nur auf Bundesebene, sondern auch bei der EU und sogar bei der UN. Das tauschte er ein gegen ein Projekt in der Eifel, bei dem nicht einmal sicher war, dass es gelingen würde. „Das hat aus meiner Arbeitswelt keiner verstanden“, sagt er heute. Doch Lammertz war schon damals Fan – der Eifel und des Nationalparks.

In Brühl geboren und aufgewachsen, habe er, sobald er mobil gewesen sei, seine Freizeit hauptsächlich in der Eifel verbracht. Auch seine beruflichen Anfänge lagen in Schleiden. Menschen und Region haben es ihm angetan. Am Ende seines Studiums habe er dann einige Monate in einem National Forest in Oregon gearbeitet und dabei auch die Nationalparks im Westen der USA besucht. Da entstand sie, die Faszination für Nationalparks. So vereinte der neue Job zwei Herzensthemen: „Meine geliebte Nordeifel in Kombination mit der faszinierenden Idee eines Nationalparks.“

Im Nationalpark Eifel darf eine Buche 350 Jahre alt werden

Bereut habe er diesen Schritt nie. Und langweilig sei es ihm auch nicht geworden. Es gab und gibt ja auch genug zu tun. Der Nationalpark Eifel ist ein sogenannter Entwicklungsnationalpark. Das heißt, er erfüllt die Kriterien des Bundesnaturschutzgesetzes noch nicht zu 100 Prozent. Denn dafür müssen mindestens 75 Prozent der Fläche sogenannte Naturdynamikzonen sein. Das bedeutet: Natur Natur sein lassen. Ohne dass der Mensch eingreift.

Hier können Bäume ihr natürliches Lebensalter erreichen und als Alt- und Totholz Lebensräume für zahlreiche, auch ganz seltene Tier-, Pflanzen- und Pilzarten bieten. „Eine Buche kann im Naturwald rund 350 Jahre alt werden, im Wirtschaftswald wird sie meist nach knapp einem Drittel dieser Zeit geerntet“, berichtet Lammertz.

Vor allem aus den Bachtälern muss die Fichte verschwinden

Zur Gründung seien etwa 37 Prozent der Fläche des Nationalparks schon solche Naturdynamikzonen gewesen, inzwischen seien es 57 Prozent. Um das möglich zu machen, mussten alle Überreste des menschlichen Einflusses entfernt und Gebiete renaturiert werden.

Dazu gehörten beispielsweise die Entfernung von Rohren unter Wegen, der Rückbau militärischer Gebäude oder die Entfichtung von Bachtälern. Damit ist das Entfernen von Fichten entlang von Bächen gemeint. Die Fichten beschatteten die Gewässer sehr stark, was für die Bachlebewesen sehr nachteilig sei, erklärt Lammertz.

Rotbuchen im Nationalpark Eifel

Rotbuchen im Nationalpark: Buchen-Mischwäldern gehört die Zukunft in der Naturdynamikzone.

Überhaupt soll die Fichte aus dem Nationalpark verschwinden, denn sie ist hier nicht heimisch. Deshalb wurden und werden in den Fichtenwäldern Buchen gepflanzt. Er sei sehr zuversichtlich, dass man in zehn Jahren bei den erforderlichen 75 Prozent Naturdynamikzone angekommen sein werde, sagt Lammertz. Langfristig sollen es sogar rund 86 Prozent werden. Das sei dann der Fall, wenn die Entwicklung der nicht heimischen Fichtenwälder zu heimischen Buchen-Mischwäldern gesichert sei.

Die übrigen 14 Prozent sollen keine Naturdynamikzone werden. Dabei handele es sich zum einen um rund 800 Hektar des offenen Graslands auf der Dreiborner Hochfläche. Hier lebten unzählige seltene Arten, die weitgehend verschwinden würden, würde man die Natur sich selbst überlassen. Lammertz: „Das ist auch so wertvoll.“ Deshalb solle es erhalten werden.

Mehr als 11.200 Tier-, Pilz- und Pflanzenarten nachgewiesen

Das Gleiche gelte für die Narzissenwiesen. Und auch die im Nationalpark liegenden Stauseen werden nicht der Natur übergeben, sondern auch in Zukunft weiterhin von Menschen gemanagt.

Dass der Nationalpark auf einem guten Weg ist, die gesteckten Ziele zu erreichen, beweist etwa der Fund von Naturwaldindikatoren: So wurde der Ästige Stachelbart entdeckt, ein Baumpilz, der nur auf dem toten Holz sehr alter Buchen zu finden ist.

Beeindruckende Zahlen bietet auch die Artenvielfalt. Insgesamt haben Forscher laut NRW-Umweltministerium bereits mehr als 11.200 Tier-, Pilz und Pflanzenarten nachgewiesen. Davon stehen mehr als 2500 auf Roten Listen gefährdeter Arten.


Zur Geburtstagsfeier kommt auch Bärbel Höhn, die „Mutter des Nationalparks“

Gefeiert werden soll das 20-jährige Bestehen zunächst am Freitag, 8. März, mit geladenen Gästen. Unter anderem werden dazu NRW-Umweltminister Oliver Krischer und die Ministerin Bärbel Höhn, die „Mutter des Nationalparks Eifel“ , erwartet.

Ein Fest für alle soll es dann am Sonntag, 10. März, geben: mit freiem Eintritt in die Erlebnisausstellung, Umwelttheater, Poetry-Slam, Rangerführungen, Kinderschminken und Bastelwerkstatt. Ein besonderes Highlight dürfte die Ausstellung „Wilde Bilder“ werden, die mit 40 Vorher-Nachher-Fotos die Entwicklung aufzeigt.