Zum Jahrestag der Pogromnacht wurde in Mechernich die neue Gedenkstele eingeweiht, die an die jüdischen Opfer erinnert.
GedenkenNeue Stele in Mechernich erinnert an Pogromnacht

Zahlreiche Besucher nahmen am Montagabend an der Gedenkstunde zum Jahrestag der Pogromnacht teil.
Copyright: Cedric Arndt
Kopfschütteln, Staunen und teils sogar Entsetzen waren die Folgen der Worte von Franz Josef Kremer, die der Mechernicher am Montagabend an die umstehenden Personen der Gedenkfeier richtete. Im Rahmen des Jahrestages der Novemberpogrome hatten sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger an der Rathergasse versammelt, dem ehemaligen Standort der Mechernicher Synagoge.
Eine Gedenkstele erinnert an das einst große Bauwerk, deren Neugestaltung am Montag den Versammelten präsentiert werden sollte. Zunächst jedoch sollten die Reden der Organisatoren der Gedenkstunde die manchmal so fern erscheinenden Ereignisse der Geschichte auf erschreckende Art und Weise vor Augen führen.

Im Rahmen einer Gedenkfeier wurde die neue Stele zum Andenken an die jüdischen Opfer des NS-Regimes in Mechernich eingeweiht.
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„Ich weiß nicht, ob sich Geschichte wiederholt oder nicht. Ich weiß aber ganz sicher, dass, wer nicht aus der Geschichte lernen will, immer in Gefahr ist, sich in den Stricken und Listen der alltäglichen Politik zu verlieren und jenen Kräften Vorschub zu leisten, die ihm seine Freiheit, seinen Wohlstand, sein Glück nehmen wollen und ihn Verfolgung und Gewaltherrschaft unterwerfen wollen“, betonte Kremer.
Um diese Worte zu verdeutlichen, richtete er seinen Blick auch auf das Ende der Weimarer Republik, das damals den Beginn des Nazi-Regimes einläutete. „Im Deutschen Reich hatten 1928 Reichstagswahlen stattgefunden, in einer Zeit der inneren Sicherheit und des wachsenden Wohlstands aller.“
Man stritt über die Rüstungspolitik, man stritt über die Sozialpolitik, man stritt über die Wirtschaftspolitik.
Den Leuten sei es nach vielen finsteren Jahren gut gegangen, und die Wahl sei mit einem klaren Sieg der demokratischen Parteien geendet. Ähnlich wie heute sei eine große Koalition gegründet worden, die jedoch von Anfang an von Streit geprägt gewesen sei. „Man stritt über die Rüstungspolitik, man stritt über die Sozialpolitik, man stritt über die Wirtschaftspolitik.“
Ereignisse, bei denen man auch nach Meinung vieler Zuhörer erstaunliche Parallelen zur heutigen Zeit ziehen könne. Obwohl bereits seit einigen Tagen aus dem Bürgermeisteramt verabschiedet, setzte sich Hans-Peter Schick am Montag weiterhin für die Bedeutung der Erinnerungspolitik ein und stimmte seinem Vorredner bei dem Thema heutiger Verantwortung zu.
Auch viele junge Leute waren gekommen
„Damals haben die Menschen auch gedacht, dass, wenn Hitler und die NSDAP erst einmal an der Macht seien, sich der ganze Spuk schnell auflösen würde. Schließlich konnten auch sie keine Lösungen für vorhandene Probleme bieten.“ Dies sei jedoch gar nicht ihr Ziel gewesen, da sie stattdessen stets die Zerschlagung der Demokratie im Sinn gehabt hätten.
„Der heutige Tag stimmt mich traurig, nachdenklich, aber auch ein wenig hoffnungsvoll“, fügte Bürgermeister Michael Fingel hinzu. „Traurig, weil wir uns an eine dunkle Zeit unserer Vergangenheit zurückerinnern, nachdenklich darüber, wie wir unserer heutigen Verantwortung der Geschichte gerecht werden können, und hoffnungsvoll, weil auch so viele junge Menschen heute hierhergekommen sind, um sich zu erinnern und zu gedenken.“
Sie wollten gedenken, das stellen wir nicht infrage. Aber sie konnten oder wollten das Geschehene nicht beim Namen nennen.
Das neue Denkmal an der Rathergasse solle diese Geschichte noch stärker in Erinnerung rufen, als es die alte Stele getan habe, betonte Gisela Freier von der Aktionsgruppe „Forschen – Entdecken – Handeln“. „Ich empfand den unscheinbaren Stein, fast versteckt auf einem Parkplatz, in der heutigen Zeit als beschämend.“
Auch die Inschrift habe deutlich gezeigt, wie die Verfasser sich 1988, 50 Jahre nach der Pogromnacht, bemüht hätten, das Geschehene zu verschleiern. „Sie wollten gedenken, das stellen wir nicht infrage. Aber sie konnten oder wollten das Geschehene nicht beim Namen nennen“, so Freier. „Mit keinem Wort erwähnt die Inschrift die Zerstörung der Synagoge heute vor 87 Jahren, noch die Ermordung der jüdischen Bevölkerung im Holocaust.“
Auf dem neuen Gedenkstein, der auch ein Bild der ehemaligen Synagoge beinhaltet, seien zudem die Täter klar und deutlich benannt. „Um es ganz deutlich zu sagen: Da zerstörten ganz normale Menschen aus der Nachbarschaft und den umliegenden Dörfern das jüdische Gotteshaus.“ Die wichtigste Frage sei nun nicht nur „was“, sondern auch „wie“ man aus der Geschichte lernen könne.
„Wir können nicht aus ihr lernen, wenn wir uns Illusionen über die Rolle unserer Vorfahren machen. Wir können aus der Geschichte nur lernen, wenn wir uns verdeutlichen, dass die Nazis nicht eine Bewegung von ungebildeten Fanatikern waren, mit denen die Vorfahren nichts zu tun hatten.“ Man müsse akzeptieren, dass es Mitglieder der eigenen Familie gewesen seien, die zu Tätern geworden seien, und man müsse verhindern, dass so etwas wieder möglich werde: „Denn es gibt Untaten, über die kein Gras wächst.“

