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Abschied aus der Politik
Franz-Josef-Hilger hat Nettersheim ein Unikum beschert: die UNA

6 min
Franz-Josef Hilger lächelt in die Kamera.

In den 1970er-Jahren unternahm Franz-Josef Hilger seine ersten Gehversuche in der Kommunalpolitik, nun zieht er sich zurück.

Mit den CDU-Bürgermeistern in Nettersheim hat sich Franz-Josef Hilger oft gestritten. Umwelt und Natur liegen ihm am Herzen.

Wenn langjährige Ratsmitglieder ihren Hut nehmen, dann wird gern der Allgemeinplatz vom „Urgestein“ bemüht. Bei Franz-Josef Hilger ist das allerdings durchaus angebracht, denn er ist schließlich nicht nur seit mehreren Jahrzehnten Mitglied in der Nettersheimer Gemeindevertretung, sondern einer der Gründer einer lokalen Besonderheit: der UNA.

Dass diese „Unabhängige Nettersheimer Alternative – Grüne und Unabhängige“ eine ortsbezogene Einmaligkeit ist, sagt schon der Name. „Una heißt auf Latein die Eine, die Einzige“, so der ehemalige Lehrer, der über viele Jahre am Mechernicher Turmhof-Gymnasium tätig war.

Als Sachkundiger Bürger für die SPD kam Hilger in die Nettersheimer Politik

Wie lang Hilger tatsächlich Mitglied des Gemeinderates war, ist nicht eindeutig zu beantworten. „Das kommt darauf an, ob die Jahre, in denen ich als Sachkundiger Bürger (SKB) für die SPD dabei war, auch mitgezählt werden“, sagt er.

Fünf Jahre, von 1984 bis 1989, war er auf diese Weise Mitglied des Ausschusses für Forst- und Landwirtschaft. 31 Jahre war er als gewählter Abgeordneter im Gemeinderat, allerdings in drei verschiedenen Fraktionen – wohl auch eine Besonderheit.

Einen leichten Stand hatte er als Vertreter der Opposition gegen die über viele Jahre bestehende absolute Mehrheit der CDU nicht. Dazu kam, dass die Bürgermeister, mit denen er zu tun hatte, ihre Politik auch mit Vehemenz durchzusetzen verstanden.

So trug Hilger so manchen Kampf mit Hermann-Josef Mießeler und dessen Nachfolger Wilfried Pracht aus. Doch auch mit dem aktuellen Gemeindeoberhaupt Norbert Crump verlief es wahrlich nicht immer harmonisch, obwohl Hilger betont: „Bei Crump wurde es besser.“

In Schleiden absolvierte er das Abitur und die ersten politischen Gehversuche

Eigentlich stammt Hilger aus Broich. Im Schleidener Gymnasium absolvierte er 1967 das Abitur. Die Liebe zur Natur, zu Vieh und Pferden, die er im Elternhaus kennenlernte, ließ ihn nie los, sodass viel später in der Politik der Ausschuss für Forst- und Landwirtschaft seine Domäne wurde. Seine ersten Gehversuche in der Kommunalpolitik machte Hilger in Schleiden.

In den 1970er-Jahren trat er in Herhahn als Direktkandidat für die SPD an. „Den Kandidatenbrief an die Haushalte habe ich komplett auf Eifeler Platt geschrieben“, schmunzelt Hilger. Der Erfolg: 28 Stimmen heimste er ein, mehr als die SPD vorher dort hatte.

Mundart und Bräuche seiner Heimat liegen ihm schon lange am Herzen. So gelang es ihm über dieses Hintertürchen und in seiner Funktion als stellvertretender Geschäftsführer der Regio Maas/Rhein in den 1980er-Jahren, die Gemeindepartnerschaft zwischen Nettersheim und Zutendaal anzubahnen.

1994 zog Franz-Josef Hilger für die Grünen in den Nettersheimer Gemeinderat

„1987 war eine Veranstaltung zu Mundart und Bräuchen in der Eifel, und dazu lieferte Mießeler einen Beitrag“, erinnert sich Hilger. Bei einer Veranstaltung in Nettersheim hatten sich die Spitzen der beiden Orte, Hermann-Josef Mießeler, damals noch als Gemeindedirektor, und Bürgermeister Chris Remans, kennengelernt und begonnen, die Verbindung zu knüpfen.

Wir wollten deutlich machen, dass es richtige Umweltpolitik geben müsse.
Franz-Josef Hilger, scheidendes Gemeinderatsmitglied in Nettersheim

1994 wurde Hilger für die Grünen in den Gemeinderat gewählt. Als Einzelkämpfer schloss er sich mit dem einzigen FDP-Vertreter Ernst Nöthen zur grün-liberalen Fraktion zusammen. Zur Kommunalwahl 1999 trat Hilger mit einer Reihe von Parteilosen und Unabhängigen unter dem Namen der „Grünen“ an. Edwin Poth, damals parteilos, und Hilger wurden gewählt und formierten sich zur „Fraktion der Grünen und Unabhängigen“.

Das Verhältnis zu Bürgermeister Mießeler war ein „richtiger Fight“

Die Absicht, mit dieser Firmierung auch zur Wahl 2004 anzutreten, wurde von Mießeler aus formalen Gründen untersagt. Kurz und bündig wurde im Juni 2004 im „Jägerstützpunkt“ in Roderath die UNA aus der Taufe gehoben. Grüne und UWV gaben ihren Segen zu der ungewöhnlichen Zweckehe, die der neuen Partei bei der Wahl aus dem Stand 15,6 Prozent und drei Sitze einbrachte: UWV-Mitglied Franz-Josef Zingsheim komplettierte das Trio. Während Poth den Parteivorsitz übernahm, wurde Hilger Fraktionsvorsitzender, eine Konstellation, die bis zum Frühjahr dieses Jahres Bestand hatte, bevor Albert Müllenborn den Fraktionsvorsitz übernahm.

„Das Verhältnis zu Mießeler war ein richtiger Fight“, erinnert sich Hilger. Die Frage, ob dieser ein Naturfreund gewesen sei, würde er mit „sowohl als auch“ beantworten: „Vieles war Fassade, aber es sind viele gute Sachen angestoßen worden, wie zum Beispiel das Naturzentrum.“ Als Wilfried Pracht das Amt übernommen habe, habe er kurzfristig Hoffnung auf Besserung gehabt – doch das sei nicht von Dauer gewesen.

2009 wurde die UNA zweitstärkste Kraft im Nettersheimer Gemeinderat

So erinnert sich Hilger an einen Antrag, den die UNA zum Thema   „Gründächer“ in Nettersheim gestellt habe. Der sei gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt worden – und in der Konsequenz haben UNA und SPD, so Hilger, unter Protest den Ratssaal verlassen. Erst mit Norbert Crump sei das Verhältnis akzeptabel geworden, sagt Hilger – auch wenn dessen Umgang mit den Bürgern nicht immer ganz souverän wirke.

Doch was motivierte Hilger vor Jahrzehnten, in die Kommunalpolitik zu gehen? Es sei vor allem die Tatsache gewesen, dass es mit der CDU eine Partei gegeben habe, die gefühlt seit der jüngeren Steinzeit den Bürgermeister stelle. „Wir wollten deutlich machen, dass es richtige Umweltpolitik geben müsse“, sagt Hilger. Das Highlight für die UNA sei bei der Wahl 2009 das Direktmandat für Theo Schruff in Marmagen gewesen, als die UNA zur zweitstärksten Fraktion im Nettersheimer Gemeinderat geworden sei.

Die Gespräche Förster Wolfgang Schmieder wird Hilger vermissen

Die Zeiten der absoluten Mehrheit der Union im Rat sind auch in Nettersheim vorbei. Bei der jüngsten Kommunalwahl kam die CDU nur noch auf 37,7 Prozent. Geht da jetzt mehr? „Es wird leichter sein“, so Hilgers Einschätzung. Jedoch hat die UNA bei der jüngsten Wahl Federn lassen müssen: Nach Werten von 26 und 27 Prozent zwischen 2009 und 2020 waren es im September „nur“ 18,5 Prozent.

Es gebe Dinge, die er vermissen werde, wie die regelmäßigen Gespräche mit dem Nettersheimer Förster Wolfgang Schmieder, die auch bei gegenteiligen Meinungen immer anregend und sachlich gewesen seien. Nicht vermissen werde er, Hunderte Seiten an Vorlagen für die Vorbereitung auf die Sitzungen lesen zu müssen, ebenso die häufigen Wiederholungen der Reden. Doch langweilen werde er sich nicht. So habe er die Schach-AG in der OGS Rheinbach und wolle für die Sportfreunde 69 demnächst in der Schachabteilung antreten.

Einen Plan habe er seit dem Frühjahr umgesetzt, als er den Fraktionsvorsitz abgegeben habe: mehr Fahrradtouren zu unternehmen.


Abschied aus der Politik – Die Serie

Sie haben teils Jahrzehnte die Geschicke des Kreises Euskirchen und die ihrer jeweiligen Stadt und Gemeinde mitbestimmt. Eine Reihe von langgedienten Volksvertretern und Bürgermeistern zieht sich nun aus der Lokalpolitik zurück.

In Gesprächen mit der Redaktion ziehen sie Bilanz und plaudern auch ein bisschen aus dem „Maschinenraum“ der Politik.