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Vor-Kühlschrank-ZeitWie die Bürvenicher einst ihr Bier vor dem Verderben schützten

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In den Felsen unter Bürvenich ist eine Art Höhle. Dort wurde früher Bier gelagert.

Die Kühlkavernen bieten eine Temperatur von acht bis zehn Grad. Sie sind heute unbenutzt.

Der geheimnisvollen Welt unter ihrem Ort haben die Bewohner von Bürvenich mehr als nur den Bierlagerplatz zu verdanken.

Der Bürvenicher Berg birgt ein Geheimnis, von dem wohl nur wenige Ortsfremde wissen. Mitten in dieser Anhöhe direkt im Anschluss an die weitgehend flache Zülpicher Börde öffnet sich ein spektakulärer Einblick in die Tiefen der Erde – konkret in eine Höhle, die einst wertvolle Dienste leistete. Dort sorgte vor Jahrzehnten eine ortsansässige Brauerei dafür, dass der edle Gerstensaft lecker und lange frisch blieb. Das gelang dank eines ins relativ weiche dolomitische Kalkgestein gesprengten Felsenkellers, der beinahe Kühlschrank-Temperaturen aufweist.

Die Vorfahren mussten sich schließlich einiges einfallen lassen zu den Zeiten, bevor Carl von Linde das Prinzip des Kühlschranks entwickelt hatte. Und vor der Erfindung seiner Kältemaschine half eben die Natur, die auch heute noch im Erdinneren eine angenehme Kühle von etwa acht bis zehn Grad Celsius gewährleistet. So konnte auch im Sommer Bier gebraut werden.

Brauereibesitzer Nagelschmidt schuf 1858 die Bierhöhle

Wie dieses Kühlprinzip in Bürvenich funktioniert hat, ließen sich Gäste vom Geschichtsverein des Kreises von dessen Vorsitzendem Hans-Gerd Dick erklären. Die „Bierhöhle“ gehört heute zum weitläufigen Gelände des Heilpädagogischen Zentrums (HPZ) Lebenshilfe, einer Fördereinrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung.

Geschaffen wurde der Felsenkeller 1858 von Anton Nagelschmidt, einem Bürvenicher Brauereibesitzer. Mit erheblichem Aufwand ließ er damals seinen mehrteiligen Eiskeller in den Fels direkt unter seiner prächtigen Villa sprengen. Außen auf dem Parkgelände sind noch Lüftungsstutzen zu erkennen. Die Höhle ist bis zu 15 Meter hoch und besitzt eine etwa 100 Meter lange Hauptkaverne mit zwei Nebenräumen. Wie in Untertage-Schachtanlagen des Bergbaus üblich, wacht eine Statue der Schutzheiligen Barbara über die Besucher.

Im Krieg schützte der Keller die Bürvenicher vor den Bomben

Außen vor den Eingangsbereich wurde ein gotisch anmutendes Backsteingebäude gesetzt. An seinem First sind typische Brauerei-Utensilien zur Verzierung in Stein gemeißelt: ein Rechen, eine Schaufel und ein Schöpfbottich. Der Vorbau zur Höhle diente als eine Art Luft- und Klimaschleuse. So konnte innerhalb des Kellers eine kontinuierliche Temperatur gewährleistet werden. Stabilisiert wurde die Gradzahl durch das Einbringen von natürlichem Eis über einen Schacht. Das gab es in den damaligen kalten Wintern noch reichhaltiger und wurde aus dem eigens aufgestauten Bachteich herausgesägt. Das Eis trug dazu bei, das Bier im Sommer zu kühlen.

Ein Backsteinbau, der von Bäumen umgeben ist, bildet die Eingangsschleuse zum Eiskeller von Bürvenich.

Der Backsteinbau bildet die Eingangsschleuse zum Eiskeller. Das Gebäude steht im Naturschutzgebiet.

Hans-Gerd Dick steht an einer gemauerten Wand in einem Kellergewölbe an einer eisernen Steigleiter, die einst in ein Dienstgebäude führte.

Hans-Gerd Dick vom Kreis-Geschichtsverein steht an einer eisernen Steigleiter, die einst in ein Dienstgebäude führte.

Die Villa von Brauereibesitzer Anton Nagelschmidt steht in einem Park. Ein altes landwirtschaftliches Gerät ist davor ausgestellt.

Auf dem Gelände der Villa von Brauereibesitzer Anton Nagelschmidt ist heute das HPZ Lebenshilfe.

Gute Dienste leistete diese Kaverne auch im Zweiten Weltkrieg, als sie den Bürvenichern im Bombenhagel Schutz und Unterschlupf gewährte. Heute ist der Felsenkeller weitgehend ohne Nutzen. Allerdings wurde 1999 im Innern eine stabile Staumauer aus Beton errichtet, hinter der der Regen aufgefangen wird. Dadurch muss das HPZ weniger Niederschlagswassergebühr zahlen. Und für die Feuerwehr wird auf diese Weise eine Löschwasser-Reserve von rund 260 Kubikmetern zur Verfügung gestellt. Zudem dient das Wasser der Parkbewässerung.

Während der Landesgartenschau 2014 in Zülpich wurde die Höhle in ein Kunstprojekt einbezogen. Auch bot der Felsenkeller die Kulisse für düstere Krimi-Lesungen. Weitergehenden Überlegungen nach einer stärkeren Nutzung wurde eine Absage erteilt, wie Dr. Peter Kramp informierte, der mit vielen Kenntnissen über das Bier-Bauwerk aufwarten konnte. Dabei spiele insbesondere der Faktor Sicherheit und Fluchtwege eine wichtige Rolle, sagte Kramp, der im Bürvenicher Vereins- und Ortsleben stark ehrenamtlich engagiert ist. Zudem liegt ihm der Naturschutz sehr am Herzen. Der Eiskeller liegt in einem entsprechenden Schutzgebiet.

Brauerei fusionierte 1907 mit Konkurrent Cramer aus Wollersheim

Dass sich im Zülpicher Land Brauereien ansiedelten, lag auch an den im Umfeld angebauten großen Mengen an Braugerste. Dieser Grundstoff ist unabdingbar, um daraus in der Mälzerei das für die Bierherstellung nötige Malz zu gewinnen. Auch in Bürvenich gab es eine solche Mälzerei, erkennbar an ihrem hohen Turm, der heute zu Wohnzwecken genutzt wird.

Die Brauerei Nagelschmidt fusionierte 1907 mit dem bereits 1791 gegründeten Konkurrenten Cramer aus Wollersheim zu einer modernen Aktiengesellschaft. Es war ein Nachfahre des Brauereigründers Anton Nagelschmidt, Ferdinand Nagelschmidt, der mit Johann Josef Cramer die „Vereinigten Brauereien Nagelschmidt & Cramer AG“ schuf. Gebraut wurde seither nur noch in Wollersheim, in Bürvenich blieb die Malzproduktion. 1937 schied die Bürvenicher Familie Nagelschmidt aus.

Seitdem gibt es nur noch das Familienunternehmen Cramer. Heute kann man zwar noch Cramer-Bier kaufen, aber es stammt inzwischen aus einer Kölner Lohnbrauerei. Cramer darf sich lediglich noch Bierverleger nennen.

1925, also vor 100 Jahren, stiftete Ferdinand Nagelschmidt seinen weitläufigen Park mitsamt Villa und Felsenkeller dem Kreis Düren, zu dem Bürvenich bis zur Neugliederung 1972 gehörte. Die damalige Auflage war, dort ein Heim für bedürftige Kinder zu errichten. Daraus ist die heutige „Lebenshilfe HPZ“ geworden.