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Unser Dorf hat ZukunftSieger aus dem Kreis Euskirchen wollen im Landeswettbewerb punkten

6 min
Ein Bus fährt über einen Wirtschaftsweg an einem Maisfeld entlang. Neben dem Fahrer sitzt der Bürvenicher Ortsvorsteher Jörg Körtgen und spricht in ein Mikrofon.

Los geht's: Schon die Einfahrt in die Orte wird von den Protagonisten wie Ortsvorsteher Jörg Körtgen sorgsam ausgewählt.

Marmagen, Bürvenich/Eppenich und Vlatten präsentieren sich auf Landesebene. Dafür haben sie nur zwei Stunden Zeit.

Wie lange dauert es, ein Dorf kennenzulernen? Seine Gegebenheiten, seine Mentalität, seine Aktivitäten und Stärken, aber auch seine Schwächen? Vielleicht Monate, vielleicht Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Für die Kandidaten im Landeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ müssen jedoch zwei Stunden reichen.

Das klingt nach nicht viel, und das ist auch nicht viel: Strikt durchgetaktet sind die Präsentationen, in denen die lokalen Akteure wie Ortsvorsteher und Dorfgemeinschaftsvorsitzende versuchen, der Jury einen möglichst positiven Eindruck von ihrer Heimat zu zeigen – und zu vermitteln, warum gerade ihr Dorf besonders gut aufgestellt ist für die Zukunft.

Marmagen, Bürvenich und Vlatten treten gegen 30 andere Orte an

Für alle Beteiligten geht das nicht ganz ohne Stress ab. Rein in den Bus, mit dem die 16 Jurymitglieder und die zwei Organisatorinnen von der Landwirtschaftskammer gefahren werden, raus aus dem Bus. Hierhin gehen, dort etwas schauen, zuhören. Dann wieder zurück, vielleicht noch einen kleinen Gang und die geballte Informationsoffensive verkraften – es ist kein einfacher Job für die Juroren.

Im Rahmen des Landeswettbewerbs besuchen sie 33 Orte, die in den jeweiligen Kreiswettbewerben mit Gold ausgezeichnet wurden. Marmagen und Bürvenich/Eppenich im Kreis Euskirchen sowie Vlatten im Kreis Düren stehen auch auf dem Plan. Aufgeteilt sind die Orte in drei Touren, von je einer Woche.

Die Dörfer sind alle gut, sonst hätten sie nicht auf Kreisebene gewonnen. Aber am Ende muss es einen Sieger geben.
Birgit Sander, Jurorin

In den ersten beiden Tour-Wochen vor den Sommerferien waren die Juroren vor allem in Westfalen unterwegs, wie Kristina Humpesch von der Landwirtschaftskammer berichtet. Sie ist für die Organisation zuständig – ebenso in der dritten Woche, in der die Kommission das Rheinland unter die Lupe nimmt.

Dazu sind manche Juroren neu dazugekommen, etwa die Bürgermeister von Simmerath und Gangelt, Bernd Goffart und Guido Willems. Beide wollen die Woche auch als Inspirationsquelle nutzen. „Ich mache das, um gute Ideen kennenzulernen“, sagt Goffart. Und sein Kollege Willems fügt hinzu: „Man sieht auch, wo Fördermittel zu holen sind.“

Wie gehen die Dörfer mit den Herausforderungen um?

Andere Juroren dagegen gönnen sich alle drei Wochen. Susanne Bonenkamp vom Vorstand des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und ehemalige Kulturreferentin des Rheinisch-Bergischen Kreises etwa: „Ich wollte das einmal konzentriert erleben.“ Sie sei an dem Querschnitt interessiert und daran, wie die Orte mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen und Herausforderungen umgehen. Es ist keine leichte Aufgabe für die Juroren, unter diesen Voraussetzungen die oftmals so unterschiedlichen Orte zu beurteilen.

„Die Dörfer sind alle gut, sonst hätten sie nicht auf Kreisebene gewonnen. Aber am Ende muss es einen Sieger geben“, zeigt sich Birgit Sander pragmatisch. „Es ist beeindruckend, was die Dörfer auffahren“, fasst Humpesch ihre bisherigen Eindrücke zusammen. Auch Bürvenich und Marmagen enttäuschen da nicht. Diese beiden Dörfer stehen am ersten Tag der dritten Bereisungswoche an, einen Tag später ist Vlatten an der Reihe.

In Bürvenich ist man stolz auf das Dorf-Gefühl

Vor der Hauptstelle der Lebenshilfe HPZ, auf den ersten Hängen des Anstieges zur Nordeifel am Rand der Börde, treffen sich die Vertreter aus dem Dorf mit der Kommission. Der Ort ist sorgfältig gewählt. Ein perfekter Blick auf Bürvenich und den Nachbarort Eppenich bietet sich von dort, wie Ortsvorsteher Jörg Körtgen betont. Doch ein schöner Blick ist längst nicht alles, was er und Ludwig Foemer, Vorsitzender der Ortsgemeinschaft, präsentieren.

„Tradition bewahren, Inklusion leben und Zukunft gestalten“ – das sei das Motto der Bürvenicher in ihrem rund 1100 Einwohner starken Ort, erklärt dieser. Wobei eine der besonderen Stärken des Dorfes die gute Struktur der ortsansässigen Handwerkerschaft sei, wie Anwohner Peter Kramp betont.

Zahlreiche Menschen stehen im Dorfgemeinschaftshaus in Zülpich-Bürvenich  im Kreis.

Gemeinschaftsleistungen wie der Bau des Dorfgemeinschaftshauses mit vereinten Kräften in Bürvenich werden stolz präsentiert.

Die Mitglieder der Landeskommission des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ gehen durch Zülpich-Bürvenich.

Flotten Schrittes ist die Kommission in den Orten unterwegs.

Mitglieder der Landeskommission des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ schreiben ihre Beobachtungen auf.

Sorgsam notieren die Juroren ihre Beobachtungen.

Alle Gewerke seien in Bürvenich vertreten, was vor allem auch beim Bau des Dorfgemeinschaftshauses neben dem Sportplatz zwischen Bürvenich und Eppenich ein Vorteil gewesen sei. „Wir mussten keine externen Firmen beauftragen, sondern konnten das mit Eigenleistungen machen“, erläutert er und beschreibt die Mischungen aus willigen Helfern und erfahrenen Fachkräften griffig: „Die einen tun, was sie können, und die anderen können, was sie tun.“

Mit einer Quote von 96 Prozent seien die acht Ortsvereine gut in der Bevölkerung vernetzt, so Foemer. „Das hört sich nach Vereinsmeierei an, und das ist auch so: Networking auf Village-Ebene“, nennt es Jürgen Hoscheid. Und auch die Neubürger, die in Bürvenich und Eppenich alte Häuser erwerben und auf Vordermann bringen, seien schnell integriert. Wie auch die Bewohner des Hauses der Lebenshilfe. „Wir haben hier Inklusion gelebt, als es das Wort noch gar nicht gab“, betont Kramp.

Auch Bürgermeister Ulf Hürtgen konstatiert, dass Bürvenich vereinsmäßig weit vorne sei, der Zusammenhalt zwischen den Vereinen toll: „Die machen es einfach.“ Und so dürfte auch der mehrfach geäußerte Wunsch nach einem sicheren Fuß- und Radweg zwischen Bürvenich und Eppenich bald Realität werden.

50 Betriebe bieten in Marmagen 450 Arbeitsplätze

Schwer aufgefahren hat Marmagen. Zum Empfang der Kommission haben Vereinskartellvorsitzender Manfred Poth und Ortsvorsteher Bernd Maus ein kleines Dorffest organisiert, zu dem Musikverein und Spielmannszug gemeinsam den „Ruetz Marsch“ intonieren. Und dann haben sie für die nächsten beiden Stunden jede Menge Informationen vorbereitet. Die auch an den Mann und die Frau gebracht werden wollen.

Vor allem Poth scheucht immer wieder energisch Jury und Begleittross aus und in den Bus. Er hält seine Vorträge auch während der kurzen Fahrten – Zeit ist knapp und kostbar. Dem Treiben allerdings gebietet Busfahrer Thomas Frentzen allerdings nach einer Weile Einhalt. Er wird von Iris Poth durch das Labyrinth aus schmalen Straßen und engen Kurven gelotst und gewinnt sichtlich Spaß an der Aufgabe: „Besser als Autobahn“, verkündet er gut gelaunt.

Hufschmied Dieter Knoll hält den Huf eines Pferdes auf seinem Bein fest. Im Hintergrund stehen zahlreiche Menschen, die ihn bei seiner Arbeit beobachten.

Ländlich rustikal geht es zu in der Hufschmiede von Dieter Knoll. Altes Handwerk wird in Marmagen genauso gezeigt wie moderne Betriebe. Rund 450 Menschen arbeiten in dem Ort.

Eine Hand, die in einem weißen Handschuh steckt, zeigt auf einer Stelle in einer alten Schrift, die auf die Vorfahren von Gustave Eiffel verweist.

Auch das Kirchenbuch aus dem 17. Jahrhundert mit dem Eintrag der Familie Bonickhausen, den Vorfahren von Gustave Eiffel, wird in Marmagen präsentiert.

Einen Vorgeschmack auf Weihnachten mit Glühwein und Spekulatius und die Burgweihnacht erhielten die Jurymitglieder vor der Marmagener Burg.

Einen Vorgeschmack auf Weihnachten gibt's auch.

Von den Aktivitäten der Kirchengemeinde, aus dem Vereinsleben mit zwölf Vereinen mit rund 3000 Mitgliedern, über das Gewerbe im Ort mit rund 50 Gewerbetreibenden und 450 Mitarbeitern, einer Arztpraxis sowie Apotheke, über die Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe, symbolisiert durch einen Besuch in der Hufschmiede von Dieter Knoll, geht es zu einem Vorgeschmack auf den Weihnachtsmarkt an der Marmagener Burg mit Glühwein- und Spekulatiusverkostung und ins Schützenhaus, das der Schützenverein mit viel Eigenleistung gebaut hat.

Beeindruckt sind die Mitglieder der Kommission von der Integrationsleistung des Begegnungsteams aus der Zeit, als die ehemalige Eifelhöhen-Klinik als Notunterkunft des Landes genutzt wurde. Logisch, dass auch die Pläne für die künftige Nutzung der „Klinnik“, wie sie im Dorf genannt wird, interessieren. Gibt's da was besser zu machen? Immer: Verbessert werden soll die Nahversorgung, sagt Maus.

„Ich bin nicht überrascht, wie gut die beiden Dörfer sich präsentiert haben, die können stolz auf sich sein“, sagt Landrat Markus Ramers, der mit der Kommission unterwegs ist. Beide seien toll vorbereitet und gute Vertreter des Kreises. Es seien aber auch Parallelen festzustellen. Denn sowohl Bürvenich/Eppenich als auch Marmagen könnten ein intaktes Vereinswesen und viele Betriebe vorweisen: „Das macht Orte stark: Ehrenamt und Handwerk.“

Die Sieger sollen laut Kristina Humpesch bereits in rund zwei Wochen feststehen und bekanntgegeben werden, so dass die jetzt bereisten Dörfer nicht mehr so lange warten müssen. Die Siegerehrung findet am 8. November in Bad Sassendorf statt. Die besten Teilnehmer des Landeswettbewerbs qualifizieren sich für den Bundeswettbewerb im kommenden Jahr. Neben den Goldprämierungen werden auch mehrere Sonderpreise vergeben.