„Expedition Endstation“Was bietet eine Fahrt in der Linie 3 nach Görlinger-Zentrum?

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Hoch hinauf ragen mehrere GAG-Häuser im Zentrum, mit sanierten Fassaden.

  • In unser Serie „Expedition Endstation“ fahren wir die KVB-Bahnlinien bis ans Ende.
  • Mit der Linie 3 ging es für Martina Windrath und Thomas Banneyer ins Görlinger-Zentrum.
  • Sie erkundeten Neu und Alt, Oben und Unten, Beton und Grün.

Köln – Auf den letzten  600 letzten Metern bis zur Endhaltestelle lässt die Linie 3 langsam die  Elefantenhäuser am Ollenhauerring hinter sich. Die kleine Tier-Skulptur vor hohen Fassaden gab dem sanierungsbedürftigen Block seinen Namen.  Mehr Grün voraus:  Görlinger-Zentrum. Die Haltestelle sieht ziemlich neu aus,  sie ist es auch. Die Bewohner im Viertel mussten 50 Jahre lang auf den Bahnanschluss  warten, bis 2018.

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Winzig  wirkt die Elefanten-Skulptur vor tristen Mietsblöcken am Ollenhauerring/Militärring.

Am Wendehammer  stehen rechts  dreistöckige Balkonhäuser, links die Max-Ernst-Gesamtschule. Der Schleichweg ins Zentrum führt  vorbei an einer fröhlich bemalten Kita und Graffiti mit dem Schriftzug „Respect“. Eine Mutter  holt  gerade ihre Tochter ab. „Hier ist eigentlich alles in Ordnung, wir fühlen uns wohl“, sagt sie und weist den Weg. „Es ist alles gemischt, Bungalows, Mietwohnungen, Hochhäuser. Wir sind viel auf den Spielplätzen und Wiesen.“

Man fühlt sich wohl „hier oben“

Nach wenigen Schritten  steht man mittendrin.  Um die 15 Stockwerke hohe GAG-Häuser mit weiß-rot sanierten Fassaden stehen hier in größeren Abständen, dazwischen niedrige Häuserzeilen. Vor dem Bürgerschaftshaus  Bocklemünd/Mengenich wartet Margot Gehrmann gut gelaunt,  bis gleich der Sprecherrat des Senioren-Netzwerks der Stadt tagt.   „Ich bin ein Sonnenschein“ , sagt die engagierte 78-Jährige lachend. Margot kennt hier fast jeder. Auch sie fühlt sich wohl „hier oben“.  

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Engagiert: Margot Gehrmann lebt seit 1966 im Görlinger Zentrum.

Oben, so bezeichnen Alteingesessene das neuere Bocklemünd.   Auf der Anhöhe entstand Ende der 60er Jahre die Siedlung mit einer Mischung aus  hohen Blöcken und flachen Bungalows rund um eine Fußgängerzone. Sie bildet eine Art Dorfplatz, samt Spielgeräten und sozialen Anlaufstellen.    Margot wohnt seit 1966 in einem der Eigenheime dort, mit blühenden Gärten im Schatten der weniger einladenden Mietstürme. „Wir waren mit die ersten, die hierhin gezogen sind“, sagt sie.  „Einige Besucher von uns haben sich gewundert, wie schön es hier ist. Einer wollte sogar unser Haus kaufen. Man ist schnell im Wald, wir haben einen guten Freundeskreis, es gibt viele Aktivitäten im Angebot.“ Sie engagiert sich im Seniorennetzwerk und für eine gute Nachbarschaft. „Da sind wir noch dran am arbeiten, dass das neue und alte Bocklemünd zusammenwächst.“  Unten liegt das dörfliche alte Viertel.

„Unser Viertel hat das schlechte Image nicht verdient“

Vor dem Bürgerschaftshaus mit Kita, Jugendtreff, Café und Beratung, etwa für Alleinerziehende oder Arbeitslose, hält  Margot einen Schwatz mit Sozialraum-Koordinatorin Monika Reisinger. „Unser Viertel hat das schlechte Image nicht verdient“, sind sie sich mit Blick auf  Negativ-Schlagzeilen Anfang des Jahres einig. „Wenn eine Gruppe von Jugendlichen Ärger macht, kann man doch nicht alle 11 000 Einwohner in einen Topf werfen. Probleme gibt es. Aber hier gibt es auch viel Positives.“ Und: „Es wird sich gekümmert!“, betont die 78-Jährige.

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Alte Backstein-Höfe stehen noch im Süden des alten Teils von Bocklemünd, an der Ecke Militärring/Venloer Straße.

Die Polizei ist präsent. Zuletzt wurde  bei einer Kontrolle im Juni ein Polizist attackiert und schwer verletzt. Der Polizeidirektor sagte: Das Görlinger Zentrum sei aber kein Kriminalitätsbrennpunkt, durch die Übergriffe rücke es in den letzten Monaten  aber in den Fokus der Öffentlichkeit. Gegenüber des Bürgertreffs rangiert Künstler Dominik Siebel  ein  Hochbeet mit Tomaten, Mangold- und Erdbeerpflanzen Richtung Vogelwäldchen, ein beliebter Park.  In der Nähe soll ein Gemeinschaftsgarten entstehen, sagt Siebel, Geschäftsführer des Mode-Kollektivs im Zentrum.

Oben und unten, städtisch und dörflich, Beton und Grün

Es ist es der einzige Laden dieser Art, mit cool bedruckten T-Shirts im Fenster. Im Siebdruck-Labor und Workshops entstehen etwa mit Flüchtlingskindern nachhaltige Projekte. Der Verein arbeitet als einer von fünf Trägern mit im Projekt „Du bist Bocklemünd“, gefördert von der Stiftungsinitiative der Rheinenergie „Gemeinsam im Quartier“. Ihr Ziel: Die Bewohner in Kontakt bringen, Teilhabe ermöglichen, die Außenwahrnehmung des Viertels verbessern. 

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Oben und unten,  städtisch und dörflich,  Beton und Grün, Licht und Schatten  liegen nah beieinander.   Der alte Ortskern  liegt wenige Gehminuten entfernt, mit idyllischen dörflichen Ecken und historischen Gehöften. Vom Zentrum aus läuft man hinunter durch Straßen wie den Ingendorfer Weg mit Ein- und Mehrfamilienhäusern, Gärten. In der Ferne ragt der  Biocampus-Cologne heraus. Kinder toben auf Spielplätzen, eine Wandergruppe ist unterwegs ins Naherholungsgebiet Nüssenburger Busch   – ein Picknickplatz für eine Pause. Nette Lokale mit Außengastronomie sind rar. Wir biegen ab nach Süden, viele modernisierte Dorfhäuschen und Altbauten säumen die Nüssenburger und Grevenbroicher Straße.  

Spontane Hausbesichtigung

„Hier gibt es leider kein nettes Café und keine Läden, aber einen Bäcker und das Restaurant Adria“, erklärt Ingrid Schmücker und lädt spontan zur Hausbesichtigung ein. Vor knapp zehn Jahren kauften die Arzthelferin und ihr Mann, ein Schreiner, das alte Haus an der Grevenbroicher Straße für ihre Familie. Die Kinder sind jetzt 11 und fünf Jahre alt. „Wir wollten eigentlich nach Vogelsang, das war aber nicht finanzierbar. Wir wohnen gerne hier.“ Ein Anbau zieht sich bis in den Garten, bietet Auslauf auch für Hühner und Hund. Ihre Tochter besucht die Gesamtschule im Görlinger Zentrum. Aber sie meidet  wie die Familie das benachbarte Quartier.  „Sie fühlt sich dort unwohl.“ Eingekauft wird meistens anderswo.

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Dörflich wohnt Ingrid Schmücker im ausgebauten Häuschen.

Weiter geht’s zu großen bäuerlichen Höfen hinter hohen Hecken, die an der Militärringstraße/Ecke Venloer Straße vom Abriss verschont blieben. Romantische Reste, Dorf-Inseln, umtost von Autoverkehr. Am Freimersdorfer Weg führt ein Pfad durch Wald. Überraschend taucht das Fort IV des alten Festungsrings auf. Wilde Blumen blühen,  die Brombeeren schmecken süß.   Das WDR-Gelände  ist nah.  Filmleute haben die einstige Bastion auch als Drehort entdeckt. Um die Ecke wieder eine andere Welt. 

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