„Sie überließ ihren Sohn sich selbst“Prozess um totes Baby in Bilderstöckchen beginnt

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Babyklappe

Auf der Escher Straße in Bilderstöckchen ist ein toter Säugling gefunden worden.

Köln – Im „Haus Adelheid“ in Bilderstöckchen finden Mitarbeiterinnen am 12. Juli vergangenen Jahres ein Bündel auf einer Fensterbank neben der Babyklappe. Darin: Ein totes Neugeborenes. Posthum erhält der Junge von den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses den Namen Elias. Am 22. Juli wird der Leichnam unter großer Anteilnahme auf einem Gräberfeld für Kinder beigesetzt.

Vorwurf lautet auf Totschlag durch Unterlassen

Seit Donnerstag wird der Fall nun vor der 1. Großen Strafkammer am Landgericht aufgeklärt. Angeklagt ist die mutmaßliche Mutter des Kindes, eine 36 Jahre alte Frau und Mutter von vier weiteren Kindern. Der Vorwurf der Anklage lautet auf Totschlag durch Unterlassen.

Bevor die Anklage auf Saal 7 des Justizzentrums verlesen wird, versucht die 36-Jährige im Angesicht der Pressefotografen möglichst unerkannt zu bleiben. Mit einer Mappe vor dem Gesicht, die Kapuze des olivgrünen Parkas tief in die Stirn gezogen und halb verdeckt durch Verteidigerin Barbara Schafgan-Herrmann, verharrt sie im Zugang zum Saal, bis die Kammer unter Vorsitz von Dr. Achim Hengstenberg auf der Richterbank Platz genommen hat und die Fotografen den Saal verlassen haben. Dann kommt eine Frau mit feschem Kurzhaarschnitt, Brille mit dunklem Rand und Wollpulli zum Vorschein und hört sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft an.

In einer Plastiktüte im Schrank versteckt

Demnach soll die Frau den Jungen am Vormittag des 11. Juli 2021 im Badezimmer ihrer Wohnung heimlich zur Welt gebracht und mit einer Nagelschere abgenabelt haben. „Sie unterließ alle erforderlichen Maßnahmen und überließ ihren Sohn sich selbst“, heißt es in der Anklage. Sie habe den Jungen in eine Plastiktüte gelegt, ein Handtuch darum gewickelt und das Bündel in den Kleiderschrank eines ihrer älteren Kinder versteckt. Mit dem Fahrrad sei sie dann am nächsten Morgen zum Haus Adelheid in der Escher Straße gefahren, wo sie ihren Sohn auf die Fensterbank neben die Babyklappe gelegt habe.

Frau soll die Schwangerschaft verheimlicht haben

Weil das Kind nicht in die Babyklappe, sondern daneben lag, sei der Alarm nicht ausgelöst worden. Deshalb soll der Junge auch erst rund zwei Stunden später zufällig entdeckt worden sein. Als Grund für das Vorgehen vermutet die Anklage, dass die 36-Jährige wieder unerkannt mit dem Rad habe wegfahren wollen. Ferner geht die Anklage davon aus, dass die Frau die Schwangerschaft zuvor „verleugnete“, gegenüber ihrer Familie und Freunden von einer „Scheinschwangerschaft“ gesprochen habe, um ihren Bauchumfang zu erklären.

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Warum, ist bislang nicht geklärt. Gegenüber der Rundschau hatten Ermittler Andeutungen über ein „Sozialdrama“ gemacht. Die Polizei fahndete vergangenen Sommer öffentlich nach der Kindsmutter. Ein Kassenzettel, der neben dem Jungen in der Plastiktüte gefunden worden war, brachte die Ermittler schließlich auf die Spur der 36-Jährigen.

Auf Antrag von Verteidigerin Schafgan-Herrmann schloss das Gericht die Öffentlichkeit nach Anklageverlesung aus. Die Verteidigerin hatte zuvor noch mitgeteilt, dass sich ihre Mandantin sowohl zu ihrer Person, als auch zu den Vorwürfen äußern wolle. Die Vernehmung der 36-Jährigen fand dann hinter verschlossenen Türen statt.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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