Ein Museum wird zur SchuleDas nächste Dauerprovisorium von Köln

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Das Völkerkundemuseum in der Südstadt wird Schule – und könnte es sehr lange bleiben.  

  • Die Stadt Köln hat beschlossen, dass das Rautenstrauch-Joest-Museum für zwei Jahre zu einer Schule wird.
  • Das Interim soll erst Platz für 75 dann 160 Oberstufenschüler der Integrierten Gesamtschule Innenstadt bieten.
  • Es ist in Köln ein weiteres Dauerprovisium – eine Übersicht der größten

Köln – An Unterricht ist nicht zu denken. Hinter den dicken Mauern des altehrwürdigen Rautenstrauch-Joest-Museums (RJM) in der Südstadt dröhnen die Bohrer und Abbruchhämmer. Die Fassade des 1906 eröffneten Haues für Völkerkunde ist seit einigen Tagen komplett eingerüstet. Ab dem Sommer sollen hier 75 Oberstufenschüler der Integrierten Gesamtschule Innenstadt lernen. Im Jahr darauf sind es laut Plan 160. Und dann können die nächsten Klassen der nächsten Schule im Museum büffeln. Nur für den Übergang, versteht sich.

Köln hat die Interimsnutzung fast zur Kunstform erhoben. Container, alte Fabrikhallen und andere Übergangsbauten sind zur Heimat von Schauspieler, Polizisten, Lehrern und Schülern geworden. Sanierungsstau und Raumnot machen erfinderisch. Schon 2008 hatte das RJM am Ubierring seine Türen geschlossen – vor zwölf Jahren. Von der Musikschule über ein Kino mit Hotelbetrieb und eine Event-Gaststätte wurden allerlei Lösungen durchdacht. Aber keine realisiert.

Nun ziehen in das Haus die Oberstufenschüler der Integrierten Gesamtschule Innenstadt (Igis) an der Frankstraße ein. Für sie wird am Severinswall, direkt hinter dem Museum neu gebaut, der Bau ist Teil des beschleunigten Schulbauprogramm. Der Neubau wird aber frühestens ab Sommer 2022 fertig sein.

Stadt Köln beschließt zweijähriges Interim

Die Stadt hatte das Interim im alten RJM für zwei Jahre beschlossen. Allerdings wurde die Vorlage im Stadtrat kurz vor der Beschlussfassung erweitert. Die „Option für eine längerfristige Schulnutzung“ fand sich plötzlich in einem Zusatzpapier, ohne dass es groß aufgefallen wäre. „Wir brauchen den Standort. Und wir brauchen ihn für mehr als fünf Jahre“, sagt nun Baudezernent Markus Greitemann. Solange die Raumnot der Schulen so eklatant bleibe, müssen man alle Optionen ausnutzen.

Mit anderen Worten: Wenn die eine Schule an den angestammten Platz zurückkann, ziehen die nächsten Klassen ins prächtige Interim mit Denkmalsiegel. So macht zumindest die hoch aufwendige Sanierung Sinn. Der Altbau des Museums wird derzeit komplett entkernt. Die Fassade bröckelt, das Haus braucht eine komplett neue Technik, das Mauerwerk im Inneren ist offen gelegt, die Sanitäranlagen werden neu gebaut und im rückwärtigen Teil ein Durchbruch gemacht, damit der Schulhof erreichbar ist. Auch zwei Sporthallen sind Teil des Konzeptes, zumindest die erste soll im Sommer fertig sein. Ein eigenes Architektenteam hat sich Gedanken gemacht, wie in den fünf Meter hohen Räumen Unterricht möglich ist. Zudem müssen zur Straßenfront zugemauerte Fenster geöffnet und bestehende Fenster ausgetauscht werden.

Entstehen sollen zwölf Klassenräume. Dass nicht alle bis zum Sommer fertig werden, ist intern schon vorsichtig signalisiert worden. Man arbeite aber mit Hochdruck auf diesen Termin zu, teilte die Stadt offiziell mit. Die Kosten für den Umbau will die Verwaltung noch nicht nennen, sie dürften im zweistelligen Millionenbereich liegen.

Langfristig soll die gegenüber am Ubierring ansässige Technische Hochschule Interesse an der Nutzung des RJM angemeldet haben. Das wird noch einige Jahre dauern. Die nächsten Jahre macht das Museum Schule.

Bundespolizei

Ein Randalierer setzte die Wache der Bundespolizei 2017 unter Wasser und machte die Räume unnutzbar. Die Beamten zogen in schmucklose Container auf dem Bahnhofsvorplatz. Nun sollen die Bundespolizisten in einem Containerdorf auf dem Breslauer Platz zusammengeführt werden. 28 Container werden seit November 2019 aufgebaut und sollten bis Ende Januar 2020 bezugsfertig sein.

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Der Container der Bundespolizei am Breslauer Platz

Doch damit es wird es wohl nichts. „Es gibt keinen Eröffnungstermin“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei der Rundschau. Ziel sei es, noch vor Karneval (20. Februar) vom Breslauer Platz aus Taschendiebe oder Randalierer zu jagen. Die Container am Nebeneingang des Bahnhofsvorplatzes sollen erstmal stehen bleiben – sie sollten längst weg sein. (ta)

Geplant bis: 30. Juni 2021

Musical Dome

24 Jahre steht das „Blaue Zelt“ am Breslauer Platz. Die Musical-Spielstätte ist die Mutter aller Provisorien, sie sollte 1996 nur wenige Jahre bleiben. Daraus sind aktuell 24 geworden – es folgen mindestens vier weitere. Der Rat will den Vertrag mit dem Betreiber um knapp drei Jahre verlängern. Das hat zwei Gründe.

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Das „Blaue Zelt“

Erstens: Erst wenn die Bühnen am Offenbachplatz saniert sind, kann die Oper aus dem Staatenhaus zurück ziehen, das Staatenhaus wird nach der Herrichtung frei für die Musicals. Zweitens: Die Bahn braucht die Fläche, auf der das „Blaue Zelt“ steht, für ihre Baustelle, wenn sie die S-Bahn-Gleise am Hauptbahnhof erweitert. Wann? Offen. (mhe) Geplant bis: 2024 (mindestens)

Stadtmuseum

Geschlossen ist die Dauerausstellung des Kölnischen Stadtmuseums. Ab August 2021 soll sie im Modehaus Sauer an der Minoritenstraße eröffnen. Die Umbauarbeiten sind für das laufende Jahr angekündigt. Es werden 850 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. Pro Jahr muss die Stadt 725 000 Euro Miete an die Eigentümer überweisen. Da die Ausstellungsarchitektur von der Zeughausstraße nicht übernommen werden kann, sind knapp 2,2 Millionen Euro für die Einrichtung im neuen Domizil kalkuliert. Das Team des Museums entwickelt derzeit Ideen für den neuen Standort. Langfristig ist geplant, dass das Haus in die Historische Mitte am Dom zieht. Das Projekt ist umstritten, es gibt noch keinen Baubeschluss für das Vorhaben. (mft)

Geplant bis: mehr als 10 Jahre

Schauspiel Köln

Insgesamt 113,5 Millionen Euro kosten die Ausweichspielstätten für Oper und Tanz im Rechtsrheinischen, während am Offenbachplatz saniert wird. Die Oper spielt im Staatenhaus, das Schauspiel im Carlswerk (Foto). Eigentlich sollte das Interim kürzer dauern und weniger kosten – aber alles hängt am Bühnendebakel am Offenbachplatz. Je länger es dort dauert, desto länger braucht es das Interim. Bislang halten Stadt und Bühnen an einer Wiedereröffnung zur Spielzeit 2023/2024 fest, doch auch hier gilt: Es gehört angesichts der vielen Bauprobleme ziemlich viel Optimismus dazu. Trotzdem sollen die 113,5 Millionen Euro reichen, das Interim 2023 enden. (mhe) Geplant bis: 2023 (mindestens)

Römisch-Germanisches Museum

Seit November 2019 stellt das Römisch-Germanische Museum (RGM) im Belgischen Haus (Foto) an der Cäcilienstraße aus, in dem Gebäude saß früher die Belgische Botschaft. Ende 2018 hatte das RGM am Roncalliplatz geschlossen. Jetzt präsentiert das RGM im Belgischen Haus, 2025 könnte das Museum frühestens zurück in das Haus von 1974 ziehen. Das ist aber die Variante für Optimisten.

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Bei der Sanierung von Altbauten kann es länger dauern, Museumschef Marcus Trier (58) rechnet nicht damit, noch mal im Altbau zu arbeiten. Das RGM soll später mit dem Neubauprojekt „Historische Mitte“ verbunden werden. Die 42 Millionen Euro für die RGM-Sanierung sind wohl nicht zu halten. (mhe) Geplant bis: 2025 (mindestens)

Schule im Park

Völlig marode ist das Dreikönigsgymnasium (DKG) in Bilderstöckchen, die Generalsanierung ist im laufenden Betrieb nicht möglich. Weil die Stadt kein Ausweichquartier fand, werden im Bürgerpark Nord – einem Landschaftsschutzgebiet, – Container aufgestellt. Hier sollen die rund 650 Schüler ab Oktober unterrichtet werden. Da es sich um ein früheres Deponiegelände handelt, muss eine Anlage zur Absaugung und Verbrennung von Deponiegasen installiert werden. Zwölf Bäume wurden für das Interim gefällt. Die Stadt hofft, Sanierung und Interim bis Herbst 2022 beenden zu können, danach wird alles zurückgebaut, der Park wiederhergestellt. (fu)

Geplant bis: 2023 (mindestens)

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