Reportage am ersten TagKölner Friseure öffnen – Kultur fordert ebenfalls Lockerungen

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Friseurmeister Marc Brühl schneidet im Salon „Liebe zum Detail“ die ersten Haare des Jahres. 

Köln – Die Spiegel glänzen, Bürsten, silberne Scheren und Kämme liegen an jedem zweiten Platz bereit im Friseursalon „Liebe zum Detail“. Loungemusik dudelt beruhigend im Hintergrund, während Ladenbesitzer Marc Brühl die letzten Vorbereitungen für die ersten Kunden nach zehn Wochen trifft. „Ich bin so happy, dass ich wieder hier bin“, mit diesen Worten betritt Mitarbeiterin Tekla den Raum und ihre strahlenden Augen, die über der FFP2-Maske hervorblitzen, bestätigen die Aussage.

Es ist 9.25 Uhr. Marc, Tekla und Ron warten gespannt auf den ersten Kunden in dem Salon im Belgischen Viertel. Ron ist der dritte Friseur, der heute den Kampf gegen die Lockdown-Haare aufnimmt. „Die Ruhe vor dem Sturm“, sagt Marc Brühl und er soll Recht behalten. Um Punkt 9.30 Uhr kommt Simon in den Laden. Dass er heute der erste Kunde nach dem Lockdown ist, war ihm gar nicht bewusst. Das letzte Mal war er Mitte November da. „Ein bisschen Struktur“ wünscht sich der 24-Jährige für seine Haare, denn normalerweise kommt er alle sechs Wochen.

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Simon ist, ohne es zu wissen, der erste Kunde und registriert sich per QR-Code.

Während Simon die Haare gewaschen werden, kommt der nächste Kunde herein und auch für Jan beginnt die Sicherheit: QR-Code scannen, Daten eintragen, Jacke ablegen, Haare waschen und ab auf den Platz, der den Abstand von anderthalb Metern gewährleistet. Die nächste Kundin betritt den Laden.

Ständig klingelt das Telefon

Marcs Salon erleichtert allein schon durch die reine Arbeitsfläche von 90 Quadratmetern, dass Sicherheitsabstände eingehalten werden können. Im Salon Domino An den Dominikanern sieht das anders aus. Hier stehen Stellwände aus Plexiglas zwischen jedem Platz. Während drei Friseure die Schere oder den Kamm schwingen, bedient eine Mitarbeiterin das Telefon, das unentwegt klingelt. Bei Super Cut an der Breite Straße ist ebenfalls Stress angesagt, auch wenn lediglich zwei Kunden und zwei Friseure im Laden sind. Termine wurden bereits vor zwei Wochen vergeben.

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Friseurin Tekla legt mit blonder Farbe los. 

In jedem Salon werden die Gespräche dauernd durch das Bimmeln des Telefons unterbrochen. Auch bei Aibch von Friseur Lorin am Quatermarkt. Doch er hat heute eine Sonderregelung: Nur Männer werden frisiert und einen Termin hat bei ihm vorher keiner vereinbart. Bereits mittags wurden in seinem Salon zehn Herren um ihre Haare und auch um ein bisschen mehr Geld als sonst erleichtert. Denn eine weitere Besonderheit: Heute wurden die Preise um 20 Prozent erhöht.

Günstigere Preise am ersten Tag

Der Herrenschnitt kostet 18 statt 15 Euro. Morgen gelten dann wieder die üblichen Tarife. Doch Aibch sagt: „Hätten wir heute nicht öffnen dürfen, dann hätten wir für immer schließen müssen.“ Das Nagelstudio zwei Straßen weiter dagegen ist dunkel. Pediküre-Salons und ähnliche Dienstleister bleiben weiterhin geschlossen. Warum ausgerechnet die Friseure wieder öffnen durften, versteht Marc von „Liebe zum Detail“ nicht. Er sieht die Situation sehr ambivalent. Einerseits ist er froh, dass er wieder aufmachen durfte. Andererseits bereiten ihm die aktuellen Infektionszahlen große Sorgen.

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Die Lockdown-Zeit hat der 44-Jährige für eine Renovierung genutzt und er versucht immer positiv zu bleiben, auch wenn das nicht immer leicht war. „Ich komme mir vor, wie in einem Science-Fiction-Film. Es ist alles so düster“, sagt Marc. Außerdem hat er Angst vor einem „Endlos-Lockdown“. Kundin Nadine Ernesti-Heller kann diese Sorge sehr gut verstehen. Während Tekla ihr die, noch weiße Farbcreme, auf die blonden Haare pinselt, erzählt die 46-Jährige, dass sie in der Gastronomie arbeitet und in Kurzarbeit ist.

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So groß die Freude bei Marc über die heutige Öffnung auch ist, er stellt sich die Frage: „Wie lange dürfen wir dieses Mal aufhaben?“ Dabei zeigt er sogar Verständnis für Kollegen, die illegal Haare geschnitten haben: „Ich will das nicht gutheißen, aber es gab Friseure, die das machen mussten.“ Er selbst habe zwar auch Anfragen bekommen, aber sich immer streng an die Regeln gehalten. Seit 2012 hat er „Liebe zum Detail“. Einen Plan B gibt es nicht. Für den Moment sieht die Szenerie aus wie vor dem Lockdown: Scheren klappern und die Friseure halten Smalltalk mit ihren Kunden. Doch nicht nur die Masken, sogar die Friseurgespräche über die Bequemlichkeit der Masken bis hin zu den Kindern, die jetzt im Wechselunterricht die Schule besuchen, verraten die Realität.

Jan ist an diesem Morgen als erster fertig. An der Kasse macht er bereits den nächsten Termin aus. Er ist froh , dass er jetzt wieder vernünftig aussieht. „Ich will natürlich nicht übertreiben, aber es ist schon ein anderes Gefühl“, sagt der 34-Jährige. Simon ist ein paar Minuten später neu frisiert. „Ich hätte auch noch ein bisschen warten können, aber jeder Schritt zur Normalität fühlt sich gut an“, sagt der 24-Jährige. Während sich der Laden bereits mit den nächsten drei Kunden füllt, werden die ersten Haare des Jahres am Boden mit einem Besen zusammengeschoben.

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