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Programm „Deutsch als Zweitsprache“In Morsbach lernt der Deutschfuchs jetzt auch Mathe

4 min
Mathe pauken, aber mit Spaß: Lehrerin Julia Kötting unterrichtet im Programm „Deutsch als Zweitsprache“ an der Leonardo-da-Vinci-Schule in Morsbach auch Mariam (links) und Hala. Die Mädchen stammen aus Syrien. Unser Foto zeigt die Gruppe.

Mathe pauken, aber mit Spaß: Lehrerin Julia Kötting unterrichtet im Programm „Deutsch als Zweitsprache“ an der Leonardo-da-Vinci-Schule in Morsbach auch Mariam (links) und Hala. Die Mädchen stammen aus Syrien.

Die Leonardo-da-Vinci-Schule hat ihren Unterricht für Kinder und Jugendliche aus geflüchteten Familien überarbeitet und deutlich erweitert.

Serhii ist sicher. Es heißt: „Ich kann tanzen“. Der 14-Jährige aus der Ukraine bewegt den Mauszeiger, klickt zweimal. Richtig! Auf zur nächsten Aufgabe: Am Laptop lernt der Jugendliche Deutsch, er ringt mit den Unterschieden zwischen „können“, „müssen“ und „dürfen“. „Ich liebe Deutsch“, verrät Serhii. „Sprechen gut, aber schreiben schwer.“ Kurz vor elf ist es an diesem Morgen, im „Leos“ der Morsbacher Leonardo-da-Vinci-Sekundarschule tummeln sich ein paar Kinder und Jugendliche: „Deutsch als Fremdsprache“ heißt der Unterricht, der gerade dort stattfindet.

„30 Schülerinnen und Schüler erhalten zurzeit die Erstförderung“, erklärt Julia Kötting, die verantwortliche Lehrerin. Erstförderung bedeutet, dass die Kinder und Jugendlichen entweder noch kein Deutsch können oder sogar, dass sie noch nie eine Schule besucht haben in ihrem Heimatland. „Das ist leider oft der Fall, wenn sie aus Syrien, dem Libanon oder Afghanistan stammen.“

Zum Jahresbeginn 2023 ist dieses Lernprogramm gestartet, längst hat es Schule gemacht. Nicht nur im Oberbergischen, sondern im gesamten Regierungsbezirk Köln. „Abschreiben“ ist also erwünscht. „Nirgendwo sonst ist das Programm so breit aufgestellt wie in Morsbach“, lobt Antje Zschetke vom Kommunalen Integrationszentrum des Oberbergischen Kreises.

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Das Kommunale Integrationszentrum des Oberbergischen Kreises organisiert den Austausch

Das organisiert unter anderem den Austausch unter den Schulen, die „Deutsch als Zweitsprache“ anbieten: Von mehr als 40 weiterführenden Schulen im Kreis seien das derzeit etwa 20, zuletzt habe sich etwa die Sekundarschule in Radevormwald das Morsbacher System abgeschaut. Elf Kräfte, zumeist Studierende aus Lehramtsstudiengängen oder aus dem Studiengang Soziale Arbeit, stehen der 43 Jahre alten Kötting dort zur Seite.

Antje Zschetke vom Kommunalen Integrationszentrum des Oberbergischen Kreises schaut Illia (11) aus der Ukraine über die Schulter.

Antje Zschetke vom Kommunalen Integrationszentrum des Oberbergischen Kreises schaut Illia (11) aus der Ukraine über die Schulter.

Roter Leitfaden ist die Lernhilfe Deutschfuchs, die ein Kölner Start-up-Unternehmen entwickelt hat und die interaktiv zur Qualifizierung für die Sprachlevel A1, A2 und B1 beiträgt. Weil aber Deutschpauken allein die jungen Menschen nicht fit genug macht für den Alltag, heißt es in Morsbach heute zudem: „Deutsch als Zweitsprache – und mehr“. „Es hilft nicht, wenn die Kinder und Jugendlichen sprechen und schreiben können, aber nicht wissen, wie man zum Beispiel addiert“, erklärt Julia Kötting.

Will sagen: Die Mathematik ist vor einem halben Jahr eingezogen in diese Unterrichtsstunden. „Dafür greifen wir auf Lernmaterial für die Grundschule zurück, das wir unseren Zwecken anpassen.“ Die Texte werden reduziert, die Aufgaben aufs Rechnen konzentriert. „Erstmal sollen die Schülerinnen und Schülern die Ziffern lesen und schreiben können.“

Neu ist in Morsbach auch, dass die Eltern nun ebenfalls in das Programm eingebunden werden

Mustafa aus Syrien ist einer der Jugendlichen, die bisher nie zur Schule gegangen sind. Seit einem halben Jahr hat er nun an der Leonardo-da-Vinci-Schule Unterricht. Und der mache ihm Spaß, verrät der 13-Jährige, übersetzt von seiner 14 Jahre alten Cousine Hala. „Dass junge Menschen ohne Schulbesuch zu uns kommen, das ist auch heute noch so und wird leider oft unterschätzt“, führt Fachfrau Antje Zschetke aus.

Deren Zahl nehme gerade erneut zu, ergänzt Kötting. Die Morsbacherin weiß: „Syrische Familien sind vor ihrer Flucht nach Deutschland bereits in den Libanon geflüchtet – und da kostet die Schule Geld, viel Geld.“ Auch Hala und Mustafa haben eine Zeit im Libanon verbracht.

Neu ist in Morsbach auch, dass die Eltern der Kinder und Jugendlichen in das Programm eingebunden sind und mindestens an einem Nachmittag pro Schuljahr ins „Leos“, einen eigenen Bereich im Schulgebäude, kommen. Julia Kötting: „Sie erfahren dann zum Beispiel, dass es in Deutschland nicht nur einen Schulabschluss gibt, sondern viele. In mindestens drei Sprachen erklären wir, wie das Klassensystem funktioniert und warum es später dann Kurse gibt.“ Auch dafür hat die Pädagogin ein Konzept entwickelt, das heute seine Runden zieht.

Für den neuen Schulleiter Holger Engelbert ist längst glasklar, dass es „Deutsch als Zweitsprache“ auch weiterhin geben wird – und geben muss. „Ich bin stolz auf diese vorbildliche Arbeit, die das Kollegium hier leistet“, betont er. Inzwischen startet die Leonardo-da-Vinci-Schule mit vier Klassenzügen, etwa 440 Schülerinnen und Schüler werden von mehr als 50 Lehrkräften und anderen Mitarbeitenden betreut.

So auch seit vergangenem Dezember Mariam aus Syrien, sie mag vor allem den neuen Mathe-Unterricht. „Ich habe schon viel Deutsch gelernt“, sagt die 15-Jährige und bekennt: „Aber das Schreiben fällt mir immer noch ein bisschen schwer.“