Abschaffung der AnliegerbeiträgeSo steht es um die Straßensanierungen in Reichshof

Lesezeit 4 Minuten
Viele Straßensanierungen wurden wegen der unklaren Rechtslage aufgeschoben. Derweil steigen die Kosten.

Viele Straßensanierungen wurden wegen der unklaren Rechtslage aufgeschoben. Derweil steigen die Kosten.

Überall in Oberberg liegen Straßensanierungen auf Eis, weil die  Verwaltungen auf die neue Regelung der Anliegerbeiträge warten. Reiner Thies sprach mit Sarah Schmidt, zuständig dafür bei der Gemeinde Reichshof, über ein leidiges Thema.

In Reichshof gibt es viele marode Straßen. Welche Belastungen kommen auf die Bürger zu?

Immer wenn eine Straße erneuert wird, gibt es natürlich Proteste seitens der Anwohner, die einen hohen Beitrag leisten sollen. Die Beschwerden darüber, dass eine Straße in schlechtem Zustand ist, sind dann schnell vom Tisch. Das hat dazu beigetragen, dass die Politik viele Projekte vorläufig zurückgestellt hat. Der Gemeinderat hat 2017 in einem Grundsatzbeschluss festgelegt, dass es keine Nettoneuverschuldung geben soll.

Straßenbaubeiträge

Wenn eine Straße neu angelegt wird, müssen die Anwohner laut Baugesetzbuch 90 Prozent der Kosten übernehmen. Wenn dagegen eine bereits bestehende Straße erneuert, erweitert und verbessert wird, ist der Beitrag laut Kommunalabgabengesetz (KAG) geringer und abhängig von der Verkehrsbedeutung der Straße.

Gemäß eines Landesförderprogrammes können alle Gemeinden für Baumaßnahmen, die seit 2018 beschlossen wurden, eine Förderung in Höhe von 50 Prozent der zu zahlenden Ausbaubeiträge für die Anlieger beantragen. Dieser Fördersatz wurde von der Landesregierung vor der Wahl auf 100 Prozent erhöht. Die Bürger müssen bei diesen Projekten also vorerst gar nichts mehr beitragen.

Im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung heißt es auf Seite 108: „Wir werden die Straßenausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen rückwirkend zum 1. Januar 2018 für die beitragspflichtigen Eigentümerinnen und Eigentümer abschaffen und die ausbleibenden Einnahmen für die Kommunen landesseitig ersetzen.“ Ein Konzept sollte eigentlich bis Ende Juni vorgelegt werden. (tie)

In den folgenden Jahren hatte dann zunächst die Gebäudesanierung Vorrang, es gab wenig finanziellen Spielraum für den Straßenbau. Aber das können wir nicht mehr lange durchhalten. Wir müssten eigentlich richtig Geld in die Hand nehmen.

Wie viele von diesen Straßen waren bisher provisorisch, mussten aber noch als Erschließungsstraße erstmals ausgebaut und zu 90 Prozent den Anwohnern in Rechnung gestellt?

Früher betraf das den Großteil der beitragspflichtigen Projekte. Allerdings gibt es eine neue Rechtslage. Wie es danach hier aussieht, ist unklar. Es fehlt noch an konkreten Auslegungshinweisen, mit denen der Ausbauzustand bewertet wird. So werden vermutlich mehr Anlieger in den Genuss einer Förderung kommen können. Bei einer brandneuen Straße, die auf der grünen Wiese für ein Neubaugebiet angelegt wird, ist die Sache einfach: Die Satzung bestimmt den qualifizierten Ausbau, wozu die Entwässerung und Beleuchtung, gegebenenfalls sogar ein Gehweg und die Randbegrünung gehören. In solchen Fällen kalkulieren die Bauherren den Aufwand in der Gesamtfinanzierung ihres neuen Hauses mit ein oder bezahlen ihn schon beim Grundstückskauf.

Nicht wenige Straßen sind dagegen einst provisorisch angelegt worden, werden aber seit Jahren genutzt.

Wenn solche Straßen erstmals richtig ausgebaut werden, ist der Schrecken natürlich groß. Dass es hier in den ländlichen Regionen ein Problem gibt, hat man in Düsseldorf nicht so recht auf dem Schirm. Hier sind die Straßen auf verschiedensten Wegen historisch gewachsen. Gut sieht es für den Bürger aus, wenn mit dem Erstausbau schon vor 25 Jahren begonnen, aber versäumt wurde, den Beitrag einzufordern. Diese Erschließungsbeiträge kann die Kommune irgendwann nicht mehr abrechnen. Aber solche Fälle hat es in Reichshof noch nicht gegeben.

Und was ist mit den Straßen, die nur erneuert werden und unter das Kommunalabgabengesetz fallen?

Es muss sich jetzt zeigen, ob die 100-prozentige Übernahme der Anliegerkosten mehr als ein Wahlkampfgeschenk der vorherigen Landesregierung war. Und für welche Straßen sie tatsächlich gilt. Es kann nicht sein, dass in der Zeitung steht „Jetzt ist alles umsonst“ und der Schwarze Peter geht an die Kommunen. Und solange der Beitrag nicht ganz abgeschafft ist, sondern nur per Förderung ausgeglichen wird, haben wir im Rathaus damit weiterhin eine Menge Arbeit.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die ganze Rechtslage ist zudem noch schwammig. Wir als Gemeinde Reichshof warten jedenfalls noch ab. Unsere Straßen haben Sanierungen nötig, aber wir wollen gewährleisten, dass die Abrechnung rechtssicher ist und wir den Bürger richtig beraten können. Bis dahin sind wir aber nicht untätig, sondern arbeiten an einer Prioritätenliste, die wir der Politik in einer der nächsten Bauausschusssitzungen vorlegen, um einen Bau der ersten Straßen so schnell wie möglich zu starten.

Und wann legen die Straßenbauer dann los?

Das wird allemal noch viele Monate dauern, weil die Pläne noch erarbeitet werden müssen und jeder Auftrag durch ein Ausschreibungsverfahren geht. Gewiss müssen die Bürger Geduld aufbringen. Ich gehe davon aus, dass es einen Run gibt, wenn die Straßenerneuerung den Anwohner nichts mehr kostet. Aber wir haben im Rathaus nur begrenzt Personal und können nur begrenzt auf Ingenieurbüros und Tiefbaufirmen zugreifen, zumal die anderen Kommunen ebenfalls loslegen wollen.

Wie reagieren die Bürger?

Wir bemühen uns schon lange, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Wenn man auf Anwohnerversammlungen die Sachlage gut erklärt, gibt es hinterher auch keine Klageverfahren. Und man muss offen zugeben, wenn wie derzeit vieles unklar ist.

Rundschau abonnieren