Aktionstag in ReichshofWenn Drohnen-Technik Rehkitze retten kann

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Angelika Bonsch erläutert Katja Pietrzyck (r.) und Petra Trapp (l.) die Drohnensuche.

Angelika Bonsch erläutert Katja Pietrzyck (r.) und Petra Trapp (l.) die Drohnensuche.

Wenn die Landwirte zur ersten Maht ausfahren, sind kleine Rehkitze bedroht. Doch das muss nicht sein. 

„Es geht uns darum, rechtzeitig aktiv zu werden“, betont Oliver Sadowski, Leiter des Hegerings Jägerschaft Reichshof, am Samstagnachmittag auf dem Aktionstag rund um das Thema „Kitzrettung vor der Mahd“. Der Hegering hat Landwirte, Wiesenbesitzer, Jäger und Naturinteressierte auf das Vereinsgeländer der Fahrsportfreunde Reichshof am alten Eiershagener Sportplatz eingeladen, um noch vor dem Einsetzen der ersten Mähaktionen auf die Probleme bei der Kitzrettung hinzuweisen und die Beteiligten miteinander ins Gespräch zu bringen.

„Die Zeit der Grasernte überschneidet sich mit den Setz- und Brutzeiten des Wilds“, schildert Sadowski in seiner Begrüßungsansprache. Jährlich würden dabei deutschlandweit etwa eine halbe Million Tiere getötet, darunter auch etwa 90 000 Rehkitze. Die Kitze zu retten, sei allerdings nicht nur eine Frage der Tierliebe: „Gelangen bei der Ernte Kadaver in das Futter, können entsprechende Bakterien das hochgiftige Botulinum-Toxin bilden.“

Mittler zwischen Landwirtschaft und Jägerschaft

Bei einem Ausflug auf die Gesetzesebene schildert der Hegeringsleiter das Dilemma der Landwirte: Nach dem Tierschutzgesetz sei das Töten von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund strafbar, auf der anderen Seite begehe der Bauer Wilderei, wenn er ein Kitz fange. Da bleibe nur der Ausweg, den Jagdpächter zu informieren und ihm die Suche zu überlassen. Sei der allerdings nicht erreichbar, müsse der Landwirt dennoch die Jungwildrettung vor dem Mähen betreiben: „Dass es zu so einem Wirrwarr gar nicht erst kommt und eine Kitzrettung vor der Mahd gelingt, ist das Ziel dieses Aktionstages.“ Als Mittler zwischen Landwirtschaft und Jägerschaft sieht sich der Wiehler Verein „Werde KitzretterIN“.

Aus der Drohnenperspektive sind Ziele auch im hohen Gras ausfindig zu machen.

Aus der Drohnenperspektive sind Ziele auch im hohen Gras ausfindig zu machen.

Die Vorsitzende Angelika Bonsch berichtet, dass sich der Verein im Jahr 2021 aus einer Initiative heraus gebildet habe, die noch im Jahr 2019 mit fünf Leuten durch die Wiesen gestreift ist, um Kitze zu retten. Inzwischen habe der Verein rund 50 ehrenamtliche Mitglieder, noch einmal die gleiche Anzahl betätige sich unterstützend. Bonsch freut sich: „Wir sind Glücksbringer, denn wir retten Leben.“ Ohne Luftunterstützung seien acht Leute notwendig, um eine acht Hektar große Wiese in vier Stunden abzusuchen: „Eine einzige Drohne schafft 40 Hektar pro Stunde.“

Jede Drohne kostet 6500 Euro

Davon habe der Verein inzwischen sechs Stück, für eine siebte sei der Förderantrag gestellt. Jede einzelne koste rund 6500 Euro, gefördert würden 60 Prozent der Anschaffungskosten, maximal aber 4000 Euro. Seitens des Fördergebers, dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, sind Katja Pietrzyck, Projektgruppenleiterin für das Bundesprogramm „Drohnenförderung für die Rehkitzrettung“, und ihre Kollegin Petra Trapp aus Bonn angereist, um sich einen Eindruck von der drohnengestützten Kitzsuche zu verschaffen.

Pietrzyck informiert, dass es die Förderung inzwischen zum vierten Mal gebe: „Bundesweit werden in diesem Jahr 1,25 Millionen Euro für die Drohnenförderung bereitgestellt.“ Auch Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies betont die Bedeutung der Kitzrettung bei einer Wald- und Grünfläche von rund 80 Prozent in der Gemeinde: „Das Engagement des Vereins sollte Schule machen im Oberbergischen Kreis und darüber hinaus.“ Während Udo Cremer aus dem Wehnrather Revier den Kindern in der „Rollenden Waldschule“ die Tiere aus Wald und Flur erklärt und sie unterschiedliche Fellbeschaffenheiten ertasten können, starten auf der Wiese neben dem Sportplatz Demonstrationsflüge mit der Drohne – mangels Kitzen eben mit Wärmflaschen.

Markus Pieper hat seinen Bus zum Drohnenkontrollzentrum umgerüstet

Die Drohnenpiloten Rüdiger Hagelstein und Markus Pieper, der seinen Kleinbus zu einem Drohnenkontrollzentrum umgerüstet hat, erläutern die Abläufe während einer Suchaktion. Deutlich sind die Wärmflaschen beim Blick durch die Wärmekamera als schwarze Kontur vor einem hellen Hintergrund zu erkennen. Hagelstein schildert, dass er erst seit gut einem Jahr dabei sei und nach dem Basisführerschein A1/A3 bereits auch die Klasse A2 abgelegt habe: „Das ist wichtig für die Kitzsuche, weil damit und einer zertifizierten Drohne deutlich näher an Wohngebieten geflogen werden darf.“ Angelika Bonsch schildert derweil den Ablauf einer Rettungsaktion, die meist morgens um 4 Uhr startet, wenn sich die warmen Tierkörper noch gut vor dem kühleren Untergrund abzeichnen. Sie teilt mit, dass es 2023 von Anfang Mai bis Mitte Juni rund 185 Einsätze gegeben habe.

Während gut 3300 geleisteter Stunden sei eine Fläche von knapp 1700 Hektar abgesucht worden. Dabei konnten mehr als 200 Tiere gerettet werden. Der Gummersbacher Drohnenpilot Jörn Meister ist begeistert: „Das ist ein wunderschönes Zusammentreffen von Natur und Technik.“

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