Realitätsnahe SzenerieGemeinsame zivil-militärische Übung mit Knalleffekten in Wiehl-Brächen

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Blick auf einen Teil der Übung: Bundeswehr-Reservisten nehme zwei Männer fest.

Teil der Übung: Zwei Kämpfer einer irregulären gegnerischen Einheit, hier dargestellt von Bundeswehr-Reservisten, wollen das militärische Gelände unbefugt verlassen und werden festgenommen.

Die Zusammenarbeit zwischen zivilen Hilfsorganisationen und Bundeswehr-Reservisten stand im Fokus einer gemeinamen Übung in Wiehl-Brächen.

Das ehemalige Munitionsdepot Brächen, seit einigen Jahren Übungsgelände für zivile Hilfsorganisationen, hatte sich am Samstag temporär in eine militärische Zone verwandelt: Wer aufs Gelände wollte, sah sich am Tor mit Soldaten konfrontiert, die mit Helmen und G36-Sturmgewehren ausgerüstet waren.

Fahrzeuge der verschiedenen oberbergischen Hilfsdienste standen auf dem Gelände und zeugten von dem Großaufgebot, das sich versammelt hatte: Mehr als 170 Einsatzkräfte absolvierten eine zivil-militärische Übung unter der Leitung des Kreisverbindungskommandos (KVK) des Oberbergischen Kreises und dessen Chef, Oberstleutnant Thomas Meier.

Brigadegeneral beobachtet die Übung

Die angenommene Szenerie sah, etwas verkürzt, so aus: An der Ostgrenze der Nato herrscht seit anderthalb Jahren Krieg zwischen zwei Staaten, und die Nato will dort nun Stärke zeigen, in der Nähe Truppenmanöver durchführen und bewegt dazu Truppen durch Deutschland, unter anderem entlang der A4. In Brächen, so skizzierte Meier die Lage, richtet das KVK einen Rastraum für die marschierende Truppe ein.

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Und da kommen auch die zivilen Hilfsdienste ins Spiel, denn zur Beseitigung von infrastrukturellen Mängeln stehen entsprechende Bundeswehrkräfte nicht zur Verfügung. „Deswegen haben wir uns mit einem Hilfeleistungsantrag an die zivilen Kräfte gewendet“, so Oberstleutnant Meier. Das erklärt die zahlreichen Einsatzfahrzeuge. Die Ortsgruppen Gummersbach und Waldbröl des Technischen Hilfswerks etwa setzen einen Löschteich instand, schottern einen Weg und tauschen defekte Rohre aus.

Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr Nümbrecht stehen zur Gefahrenabwehr bereit, sie müssen mehrfach löschen; das Rote Kreuz versorgt eine Person mit Schussverletzung. Denn, ja, auch das gibt's: eine Schießerei, Festnahmen durch die Wachmannschaft am Tor, aggressive Demonstranten, die drohen, das Gelände zu stürmen. Auch Malteser Hilfsdienst, Johanniter Unfallhilfe und die DLRG sind mit Kräften bei dieser Übung vertreten.

Ein sogenannter Betreuungsplatz 500 zur Versorgung von bis zu 500 betroffenen Personen nach einem Schadensfall, ist eingerichtet worden. Im Mittelpunkt stand das Üben des Zusammenspiels der verschiedenen zivilen und militärischen Kräfte. „Aber mein Ziel war es, dass jede zivile Organisation das üben kann, was sie meint, üben zu müssen“, so Meier. Deshalb waren die Führungen der Organisationen auch frühzeitig in die Planung des Übungsablaufs eingebunden.

Den beobachtete auch Brigadegeneral Hans-Dieter Müller, neuer Kommandeur des Landeskommandos NRW. „Die Lage, die hier dargestellt wird, ist eine sehr realistische“, sagte er mit Blick auf die aktuelle Situation an der Nato-Ostflanke, ohne die Ukraine explizit zu nennen. „Dort präsentiert sich zurzeit auch die deutsche Truppe, vor allem in Litauen. Wir bauen dort seitens der Bundeswehr eine Brigade mit wenigstens 4000 Soldaten auf, die dauerhaft dort stationiert sein wird.“

Ausbildungsziel war, die Zusammenarbeit der zivilen Kräfte und der Bundeswehr zu üben, und das haben wir zu 100 Prozent erreicht.
Oberstleutnant Thomas Meier

Dass alliierte Truppen durch NRW nach Osten verschoben werden, sei ebenfalls realistisch. In diesem Fall sei es wichtig, dass sich Militär und zivile Organisationen bereits vor der Krise kennen. Diese Zusammenarbeit von mehreren Komponenten sei das übliche Vorgehen im Oberbergischen Kreis, betonte Landrat Jochen Hagt, der sich ebenfalls den Ablauf vor Ort ansah. „Das ist wichtig, weil sich die Fähigkeiten ergänzen und weil sich die Leute kennen müssen.“

Oberstleutnant Meier zog nach einem gemeinsamen Antreten am Nachmittag ein positives Fazit. „Wenn alles 100-prozentig geklappt hätte, bräuchten wir nicht zu üben. Ausbildungsziel war, die Zusammenarbeit der zivilen Kräfte und der Bundeswehr zu üben, und das haben wir zu 100 Prozent erreicht.“


Bürgermeister als Reservist

Lindlars Bürgermeister Dr. Georg Ludwig war einer der Reservisten, die an der Übung teilgenommen haben. Der Obergefreite der Reserve hatte in den 1980er Jahren seinen 15-monatigen Wehrdienst beim Heer abgeleistet.

„Als der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist, habe ich mir gesagt: Du musst auch deinen Beitrag leisten. Ich habe dann auch gesehen, dass die Reserve in der Ukraine eine wichtige Rolle spielt. In unserem Land gibt es viel zu wenig Reservistinnen und Reservisten, deswegen habe ich mich beim Heimatschutz-Regiment gemeldet, habe das Verfahren durchlaufen, bin gemustert worden, habe erste Übungen mitgemacht und bin dann ins Heimatschutz-Regiment NRW als beorderter Reservist aufgenommen worden.“

Ludwig sagt, er habe zuletzt den Eindruck gehabt, die Wertschätzung gegenüber der Bundeswehr habe zugenommen. „Das hat sicherlich mit den Einsätzen während Corona, der Ahrtal–Flut und der bedrohlichen weltpolitischen Lage zu tun.“ 

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